Hallo, Mr. President

Komödie | USA 1995 | 114 Minuten

Regie: Rob Reiner

Der amerikanische Präsident verliebt sich in eine Umweltschutz-Aktivistin und versucht, sein Glück vor der Öffentlichkeit zu schützen, bis er in einer bewegenden Rede sein Schweigen bricht. Eine vorzüglich inszenierte und gespielte Komödie, die zwar kein wirkliches politisches Engagement zeigt, ihre Idee aber intelligent und pointiert entwickelt. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
THE AMERICAN PRESIDENT
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Wildwood Enterprises
Regie
Rob Reiner
Buch
Aaron Sorkin
Kamera
John Seale
Musik
Marc Shaiman
Schnitt
Robert Leighton
Darsteller
Michael Douglas (Präsident Andrew Shepherd) · Annette Bening (Sydney Wade) · Martin Sheen (A.J. MacInerney) · Michael J. Fox (Lewis Rothschild) · Richard Dreyfuss (Senator Rumson)
Länge
114 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Komödie
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Universal (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Einmal fällt der Name Frank Capras im Dialog dieser Komödie, und man darf auch annehmen, daß Rob Reiner nicht von ungefähr dessen Enkel, Frank Capra III., zum Regie-Assistenten erkor. Capra hatte einst James Stewart als "Mister Smith" nach Washington geschickt und ihn eine berühmt gewordene Marathonrede halten lassen. Immer wieder hat sich das amerikanische Publikum für das Innenleben jenes weißgetünchten Washingtoner Herrenhauses interessiert, das bekanntermaßen zugleich Amts- und Wohnsitz seines Präsidenten ist. Wenn sich Frank Capras Helden dorthin aufmachten, ganz gleich ob ihre Namen nun Smith, Doe oder Deeds waren, so kamen sie als rechtschaffene Individualisten, deren Grundrechte auf das empfindlichste verletzt worden waren. Capra war ein humanistischer Patriot, der stets die Gültigkeit der Verfassungsrechte gegen Ignoranz und Materialismus zu verteidigte.

Im Gegensatz zu Mister Smith ist Andrew Shepherd, der Held in Reiners Film, bereits in Washington. Er übt dort gewissenhaft einen zeitaufwendigen Beruf aus: er ist Präsident der Vereinigten Staaten. Dennoch ist er den einfachen Menschen Capras nicht unähnlich, denen Bedeutendes widerfuhr. Er ist ein bedeutender Mensch, dem sehr Einfaches widerfahren wird. Er verliebt sich, das ist nichts Außergewöhnliches für einen Witwer, aber offenbar schwierig für einen Präsidenten. Sydney Wade ist eine Lobbyistin, die sich für den Umweltschutz einsetzt. Dem Präsidenten könnte dies nur recht sein, denn er ist, ohne daß dies hervorgehoben werden müßte, ein Demokrat reinsten Wassers, ein idealisiertes Porträt Bill Clintons in Entschiedenheit, Durchsetzungsvermögen und natürlich äußerer Erscheinung. Sein besonderes Engagement gilt dem Kampf gegen den Schadstoffausstoß von Autos und die freie Verfügbarkeit von Schußwaffen. So wäre ihm Sydney Wade wohl nicht einmal aufgefallen, hätte sie sich nicht bei verschiedenen Gelegenheiten auf charmant-respektlose Art ins Fettnäpfchen begeben. Als der Präsident sie persönlich zu Hause anruft, um sich ganz einfach mit ihr zu verabreden, weist sie ihn rüde zurück, weil sie an einen Scherz glaubt.

Aus der Schwierigkeit für einen Präsidenten, die selbstverständlichsten Dinge zu handhaben, bezieht diese Komödie ihren Humor und ihre Dramatik. Letztere stellt sich erwartungsgemäß ein, als der politische Gegner dem Präsidenten dessen Geheimhaltung der Liaison vorwirft und im Fernsehen ein Jugendfoto der politischen Aktivistin präsentiert, das sie beim Verbrennen der US-Flagge zeigt. Teils um ihren Präsidenten, in den sie sich inzwischen verliebt hat, vor den Folgen seiner ritterlichen Diskretion zu schützen, teils weil sie ein politisches Einlenken bei seinen mutigen Gesetzesvorlagen befürchtet, verläßt Sydney das Weiße Haus. Das Drehbuch aber besinnt sich zwecks Rückgewinnung der potentiellen First Lady auf den Weg, den wohl auch Frank Capra gegangen wäre: endlich bricht Shepherd sein Schweigen, das nicht weniger quälend-tragisch zu verlaufen drohte als das eines Gary Cooper in "Hier ist John Doe". Und Mr. President beginnt eine Rede, fast so glühend und bewegend, brillant und befreiend wie weiland Mr. Smith am selben Orte - allerdings wesentlich knapper. Reiner verkehrt nur scheinbar das Erfolgsrezept Capras vom einfachen Mann in schwieriger Situation: So herrlich fremd und ungewohnt auch das einfache Leben des Präsidenten wirkt, so sehr wächst die Gewißheit, daß er sich eben jene simple Noblesse des einfachen Mannes bewahrt hat, die schon Capras Figuren für eine Welt zurückerobern mußten, die sich ihrer entwachsen fühlte.

Originell ist die Komödie also nicht gerade, aber sie unterhält vorzüglich, und allein darauf kommt es an. Michael Douglas ist sicher nicht der schlechteste Schauspieler, den es bereits auf diesem Posten zu erleben gab, und Annette Benings Spiel lotet genau jene seltene Mischung aus Aristrokratie und Rebellentum, aus Repräsentation und Querulantentum aus, die diese Rolle verlangt - eine Doppelbelastung, die die allmähliche Monotonie ihres Charmes gewiß entschuldigt. Seine einfache Geschichte entwickelt Aaron Sorkins pointenreiches Drehbuch bravourös über die beachtliche Laufzeit. In einem Punkt aber. und das ist das Erfreulichste, widerspricht Rob Reiner seinem Vorbild Capra entschieden: Dieser zog sich zu Beginn der 60er Jahre aus dem Kino zurück, weil er glaubte, die veränderte Filmbranche interessierte sich nicht mehr für die von ihm vermittelten Werte. Da hat sich Frank Capra getäuscht.
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