Frankie Starlight

Literaturverfilmung | Frankreich/Großbritannien 1995 | 100 Minuten

Regie: Michael Lindsay-Hogg

Ein zwergwüchsiger Mann verarbeitet seine Kindheitserinnerungen sowie seine Liebe zur Astronomie zu einem autobiografischen Roman, in dem er seiner aus Frankreich stammenden Mutter und seinen beiden Ersatzvätern, einem irischen Zollbeamten und einem amerikanischen Ex-GI, ein Denkmal setzt. Der eindringlich gespielte, geschickt zwei Erzählebenen verbindende Film ist ein sensibel gestaltetes Plädoyer für die vorurteilsfreie Begegnung mit Außenseitern. Trotz aller Tragik finden Poesie, Humor und Hoffnung ihren Platz. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
FRANKIE STARLIGHT
Produktionsland
Frankreich/Großbritannien
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Ferndale/Pandora
Regie
Michael Lindsay-Hogg
Buch
Chet Raymo · Ronan O'Leary
Kamera
Paul Laufer
Musik
Elmer Bernstein
Schnitt
Ruth Foster
Darsteller
Corban Walker (Frank Bois) · Anne Parillaud (Bernadette) · Gabriel Byrne (Jack Kelly) · Matt Dillon (Terry Klout) · Alan Pentony (Frank als Kind)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Literaturverfilmung
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Diskussion
Du allein wirst Sterne haben, die lachen können." Mit diesem Satz aus Antoine de Saint-Exupérys "Der kleine Prinz" versucht Bernadette, ihrem Sohn Mut für ein Leben zu machen, in dem er immer Außenseiter sein wird: Frankie ist zwergwüchsig. Und so sucht er sich seine Freunde am Firmament, studiert die Wunder der Astronomie, vergißt aber über der Schönheit der Galaxien nicht die der Frauen, die er mit derselben Bewunderung betrachtet, auch wenn sie ihm so unerreichbar scheinen wie das Universum. Als Erwachsener verarbeitet Frank seine Liebe zur Astronomie zu dem autobiografischen Roman "Nighttalk". Seine Begegnungen mit einem zynischen Literaturagenten, sein Erfolg als Schriftsteller und das Wiedersehen mit seiner (unerwiderten) Jugendliebe Emma, die seine Frau wird, bilden den Erzählstrang in der Gegenwart. Die andere Erzählebene liegt in der Vergangenheit, die immer wieder vor Franks innerem Auge auftaucht und in der seine Mutter die zentrale Rolle spielt.

Die erste Station seiner Erinnerungen ist das Jahr 1943: In den Dünen eines kleinen Küstenortes in der Normandie untersucht die 16jährige Bernadette mit ihren Freunden eine gestrandete Bombe. Wie durch ein Wunder überlebt sie als einzige die Explosion und wird zu einer Art "Dorfheiligen". Als sie die Landung der Alliierten einen Tag zu früh voraussagt, kostet das ihren Vater, der den Abzug der deutschen Besatzer sabotieren will, das Leben.

Ihre Mutter begeht Selbstmord, und Bernadette versteckt sich auf einem in die USA zurückfahrenden Truppenschiff, wo sie von einem GI zum nächsten weitergereicht wird. In Irland übergibt man sie den Behörden, denen sie aber entwischen kann. Der Zollbeamte Jack Kelly trifft sie zufällig wieder und versucht, der mittlerweile Hochschwangeren zu helfen. Aus väterlicher Zuneigung wird ein Liebesverhältnis, bis Jacks Tochter Emma die Liaison entdeckt und er sich seiner Frau offenbart. Sie verzeiht ihm, und fortan kümmern sie sich gemeinsam um Bernadette und ihren mißgebildeten Sohn. Jack übernimmt immer mehr die Rolle eines "Ersatzvaters". Plötzlich taucht der ehemalige GI Terry Klout in Cork auf. Er will Bernadette in die USA holen und heiraten. Bernadette läßt sich überreden, aber schon vom ersten Tag an fühlt sie sich unwohl in Missouri. Sie nimmt einen Job als Kellnerin an, um sich die Heimreise zusammenzusparen, und kehrt schließlich mit Frankie nach Irland zurück, obwohl sie von Terry schwanger ist. Aus Angst, wieder einen Zwerg zu gebären, nimmt sie sich das Leben.

Wenn Frankie von seinen Spielgefährten für ein "Monster" gehalten oder später einmal von einer Prostituierten verhöhnt wird, dann erscheint für Sekundenbruchteile jener mit dem Schicksal hadernde, traurige Ausdruck auf seinem Gesicht, um sofort einem zwar verletzten, aber auch verstehenden Lächeln zu weichen. Dann zieht er sich in die Welt der Sterne oder in sein mit Büchern vollgestopftes Zimmer zurück. Dieselbe Traurigkeit und Verletzlichkeit liegt auch in den Bewegungen und im Blick Bernadettes, die ständig auf der Suche nach jener Liebe und Geborgenheit ist, mit der sie ihr Kind vor der Isolation schützt. So zieht ihr Selbstmord ihm letztlich auch nicht den Boden unter den Füßen weg, hat sie ihn doch für die Anfechtungen des Lebens stark gemacht. Keinen Moment verführt der Film zu falschem Mitleid, schon bald überstrahlt der Lebensmut Frankies jeden Anflug einer melodramatischen Zuspitzung. Souverän führt Michael Lindsay-Hogg seine beiden (Laien-)Darsteller durch die Szenen, und von seiner straffen Hand profitiert auch Anne Parillaud, die man seit "Nikita" (fd 28 396) nicht mehr so präsent sah; ihre Schönheit gibt einen irritierenden Kontrast zur Armseligkeit ihrer Lebensumstände ab. Auch Gabriel Byrne und Matt Dillon fügen sich nahtlos ins Ensemble ein, gestalten ihre Figuren unaufdringlich zu lebensechten Porträts. Lindsay-Hoggs pointierte Schauspielerführung ergänzt sich trefflich mit seinem durch zahlreiche Konzertfilme ("Let it be", "Simon and Garfunkel: The Concert in Central Park") und Videoclips (u.a. für die Rolling Stones und Elton John) erworbenen Gefühl für filmischen Rhythmus. Keine Einstellung wirkt überflüssig oder zu lang. "Frankie Starlight" zielt, unterstützt von den sanften Klängen Elmer Bernsteins, mit seinem unaufdringlichen Plädoyer für Menschlichkeit mitten ins Herz. "Ich habe dir", sagt Bernadette einmal, "meine Träume zu Füßen gelegt. Tritt sachte auf, denn du trittst auf meine Träume," Wenn man bereit ist, diese (Film-)Träume mitzuträumen, dann rücken die Sterne wie für Frank und Emma näher. Beide - er durch seine körperlichen, sie durch ihre seelischen Verformungen - haben erfahren, was es heißt, außerhalb der Gesellschaft zu stehen, und nun drehen sie auf dem Dach ihren Hochzeitstanz - wie ein ganz "normales Paar".
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