Kinderfilm | USA 1995 | 81 Minuten

Regie: John Lasseter

Aus der Rivalität zweier Spielzeugfiguren um die Gunst ihres kindlichen Besitzers entsteht eine spannende Verfolgungsgeschichte, die an überwirkliche Orte, aber auch zu wirklicher Freundschaft führt. Der erste vollständig computeranimierte Langfilm erzählt seine spannende Abenteuergeschichte mit überwältigendem Einfallsreichtum, mit Rasanz und Humor, ohne das Loblied auf Freundschaft und gegenseitigen Respekt der technischen Virtuosität zu opfern. Ursprünglich in 2-D produziert, wurde der Film 2009 zur erneuten Auswertung gerendert und in 3-D konvertiert. - Sehenswert ab 8.
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Filmdaten

Originaltitel
TOY STORY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Pixar Animation/The Walt Disney Company
Regie
John Lasseter
Buch
Joss Whedon · Andrew Stanton · Joel Cohen · Alec Sokolow
Musik
Randy Newman
Schnitt
Robert Gordon · Lee Unkrich
Länge
81 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 8.
Genre
Kinderfilm | Animation
Externe Links
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Heimkino

Als Bonus enthält die Erstauflage der Edition (DVD) den Kurzfilm "Tin Toy" (5 Min.). Die "10 Jahre Jubiläumsausgabe" der DVD enthält indes einen deutsch untertitelbaren Audiokommentar des Regisseurs John Lasseter und des Co-Autors Andrew Stanton, die beiden Featurettes "Die Welt von 'Toy Story' (12 Min.) und "Reflexion der Filmemacher" (17 Min.) sowie ein kommentiertes Feature mit zwei nicht verwendeten Szenen (4 Min.). Die BD enthält zudem weitere zusätzliche Szenen (insgesamt 19 Min.) sowie etlich kurze Clips zu Fragen der Handlung, der Musik, des Sounds, des Designs, und der Vermarktung.

Verleih DVD
Buena Vista (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Buena Vista (16:9, 1.78:1, dts-HDMA engl., DD5.1 dt.)
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Diskussion
Eine einfache Zeichnung war es, die John Lasseter an das Disney-Studio schickte, das sich wiederholt um eine Zusammenarbeit mit dem Computer-Künstler bemüht hatte. Sie zeigte einen einfachen Spielzeugsoldaten, der auf einer Autobahnraststätte vergessen wird und versucht, zurückzufinden. Es ist ein fast vergessenes Gefühl der Verlassenheit, das ein verlorenes Spielzeug in der Kindheit bereiten konnte. Die poetische Idee, daß dies auf Gegenseitigkeit beruhen und das seelenlose Objekt die Gefühle erwidern könnte, führt zurück zu Andersens Märchen vom standhaften Zinnsoldaten und zu den zahllosen Bilderbüchern der Jahrhundertwende, die vom heimlichen Leben im Spielzimmer erzählten. Wann immer von "Toy Story" die Rede ist, so kaum, um seine traditionellen Qualitäten zu rühmen. Doch was könnte die technische Innovation gelten, träfe sie nicht auf einen künstlerischen Nährboden, der sich ihrer würdig erwiese. Der Computer-Animation wäre mit ihrer überwältigenden Suggestion räumlicher Tiefe wohl das gleiche Schicksal beschieden wie den 3-D-Filmen der 50er Jahre. "Toy Story" aber wäre auch dann ein guter Film, wenn er nicht animiert wäre - nur, daß man ihn sich in seiner Vollkommenheit mit konventionellen Mitteln wirklich nicht vorstellen kann.

Aufruhr im Kinderzimmer: Eine ganze Kompanie Spielzeugsoldaten ist ausgerückt, um aus dem Nebenzimmer die Ereignisse eines Kindergeburtstages zu übermitteln und damit eine Frage zu beantworten, die zumindest für Spielzeug eine ganz existentielle Wichtigkeit besitzt. Wie groß ist doch die Befürchtung, daß ein neues Spielzeug den Spitzenplatz in der Gunst seines kleinen Besitzers, des siebenjährigen Andy, einnehmen könnte? Eine alberne Brotdose wird ausgepackt, ein Brettspiel, langweilige Bettwäsche. Dann aber bewahrheiten sich die schlimmsten Befürchtungen: ausgerechnet die beliebteste Action-Figur auf dem Spielzeugmarkt wird ins Kinderzimmer einziehen, ein echter "Buzz Lightyear", seinens Zeichens Weltraumkapitän und Retter der Galaxis. Obwohl sich dieser Buzz seiner dinghaften Natur nicht bewußt ist und tatsächlich an seine galaktiche Mission glaubt, erfreut er sich bald allgemeiner Beliebtheit. Nur die Cowboyfigur Woody ist überaus eifersüchtig, fühlt sie sich doch als Lieblingsspielzeug entthront. Bei einem Versuch, Buzz hinter einer Kommode verschwinden zu lassen, befördert er sein Opfer versehentlich aus dem Fenster in die finstere Außenwelt. Woody, den seine Kollegen nun für einen heimtückischen Mörder halten, rettet Buzz, um mit ihm auf eine abenteuerliche Odyssee zu geraten. In einem Schnellrestaurant werden sie vom Nachbarsjungen Sid entdeckt, der sie sogleich seiner eigenen Spielzeugsammlung einverleibt, die ihm freilich lediglich als Material für gröbsten Vandalismus und Frankensteinsche Experimente dient. Mit Hilfe von Sids Spielzeugmutanten gelingt Woody und Buzz jedoch die Flucht. Doch ein Möbelwagen hat sich bereits mit dem Inventar von Andys Haus in schier unerreichbare Weiten aufgemacht - Anlaß zu einer Verfolgungsjagd mit dem Mut der Verzweiflung.

Man könnte die Rivalität zwischen altem und neuem Spielzeug auch als Metapher für die Überlebensangst verstehen, die die neue Computer-Animation nicht nur unter Trickfilmzeichnern auslöst. Selbst Schauspieler fürchten bereits, von digital generierten Monroes und Bogarts aus dem Geschäft gedrängt zu werden. Im Gespräch widerspricht Lasseter dieser Interpretation. Kein Computer könne über das individuelle Agieren einer Figur befinden, die Technik sei lediglich ein weiteres Werkzeug des Künstlers. Obwohl man durchaus von einer neuen Kunstform sprechen kann, wird die Paintbox den Bleistift des Zeichners so wenig verdrängen wie den Meißel des Bildhauers. Lasseters virtuelle Realität imititiert nicht die bestehende, vielmehr überhöht sie sie in unerreichten überwirklichen Bildwirkungen. Ebenso verdichtet dieser Film die Dramaturgie des klassischen Abenteuerkinos in überwältigendem Detailreichtum, der sich erst bei wiederholtem Sehen vollständig erschließt. Dies führt allerdings auch zu einer stärkeren Forderung insbesondere jüngerer Zuschauer: Wirklich beängstigend ist die erste Begegnung mit den mutierten Spielzeugen des bösen Sid, die sich freilich rasch als die verläßlichsten Freunde erweisen. Aus dem Motiv der Verlassenheit, das schon Disneys "Pinocchio", "Dumbo" oder "Bambi", aber auch den Haushaltsgeräten in "Der tapfere kleine Toaster" (fd 29 277) zu schaffen machte, entwickelt Lasseters Film bei allem Aktionsreichtum eine einnehmende emotionale Beziehung, die die Spielfiguren ebenso mit Leben erfüllt wie es die Computertechnik auf formaler Ebene leistet. Ihrer Vorzüge, der plastischen Modellierung der Bildräume und der fein nuancierten Bewegungen, ist sich Lasseter ebenso bewußt wie ihrer Nachteile: So reduziert er die Auftritte der menschlichen Figuren auf ein Minimum. Wie nuanciert er mit den Mitteln seiner Kunst spielt, zeigt insbesondere die Farbdramaturgie: im Spannungsmoment des Attentats Woodys auf Buzz dringt dramatisch-rötliches Sonnenlicht durchs Kinderzimmerfenster, während die Farben kurz darauf bedeckt und verhangen erscheinen, analog zur Ungewissen Situation in der Unvertrauten Außenwelt. Nie überantworten sich die Künstler der Eigendynamik ihres Arbeitsmittels, das sie so virtuos beherrschen. "Toy Story" ist ein hinreißendes Stück Kino, gerade weil es in so hohem Maße von der Erfindungsgabe seiner Künstler lebt, die sich der filmgeschichtlichen Bedeutung ihrer Pioniertat bewußt sind. Auch wenn seine technische Perfektion überwältigt, bleibt dieser Film vor allem eines: ein Kunstwerk von Menschenhand.
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