The Passion of Darkly Noon

Thriller | Großbritannien/Deutschland 1995 | 101 Minuten

Regie: Philip Ridley

In einem einsamen Waldhaus zerbricht ein religiöser Fanatiker an seiner ersten, unglücklichen Liebe und läuft Amok. Ambitionierter psychologischer Thriller, der am eigenen Anspruch scheitert; vordergründig in den religiösen Bezügen und zu getragen-ästhetisiert, um spannend zu sein.
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Filmdaten

Originaltitel
THE PASSION OF DARKLY NOON
Produktionsland
Großbritannien/Deutschland
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Fugitive Features/Die Hauskunst/Keytsman
Regie
Philip Ridley
Buch
Philip Ridley
Kamera
John de Borman
Musik
Nick Bicât
Schnitt
Leslie Healey
Darsteller
Brendan Fraser (Darkly Noon) · Ashley Judd (Callie) · Viggo Mortensen (Clay) · Loren Dean (Jude) · Grace Zabriskie (Roxy)
Länge
101 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Genre
Thriller
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Diskussion
Einfachheit und die Unausweichlichkeit einer griechischen Tragödie reizte Philip Ridley an seinem Film: "Man könnte ihn auch als düsteres Märchen für Erwachsene über sexuelles Verlangen bezeichnen. Filme ähnlichen Inhalts wären etwa Hitchcocks 'Psycho' oder Kubricks 'Shining'." In ein einsames Haus im Wald führt er die Zuschauer, ein klassisches Ambiente des Gruselfilms also. Die dürfen sich in Ridleys englischer Heimal vermuten, gedreht aber wurde in der Sächsischen Schweiz - ein höchst unwirklicher Ort, und doch nicht so entlegen, wie die Herkunft des jungen Mannes am Straßenrand. Der halbtote Träger des rätselhaften Namens "Darkly Noon" wird von Jude gefunden, einem hilfsbereiten Passanten, der ihn mit zu Callie nimmt, die in ihrem einsamen Waldhaus auf die Rückkehr ihres Geliebten wartet. Dank liebevoller Fürsorge erwacht Darkly langsam wieder zum Leben. Callies Offenheit erweckt in ihm eine ungekannte Zuneigung, die jedoch mit seinem fanatischen religiösen Wahn kollidiert. In späteren Geisterszenen wird der Zuschauer die Ursprünge seiner Wahnvorstellungen kennenlernen: seine verstorbenen Eltern waren Anhänger einer Sekte, die jede Form der Sexualität verteufelt und zum Kampf gegen alles Sündige und Unreine anleitet. Ihren Wahlspruch "Kein Glaube ohne Blut" richtet Darkly zunächst einmal gegen sich: mit Selbstkasteiung begegnet er der erwachenden Sexualität, die in Callie zwar eine Projektionsfläche, nicht jedoch Erwiderung findet. Mehr und mehr ergreift krankhafte Eifersucht von ihm Besitz, die sich gegen ihren zurückgekehrten Liebhaber Clay richtet. Im Wald begegnet Darkly dessen in einem Wohnwagen hausender Mutter, die ihm einredet, Callie sei eine Hexe. Auch seinem einstigen Retter Jude ist Darklys wachsender Wahnsinn nicht verborgen geblieben. Als er sich seiner abermals annehmen möchte, hat die Katastrophe ihren Lauf genommen: im brennenden Haus hat Darklys Amoklauf bereits begonnen.

In der zehnminutigen Schlußsequenz (der noch ein überwirklicher Epilog folgen wird) kulminiert augenscheinlich das Drama, doch gerade hier zeigt, sich Widersprüchlichkeit in Konvention und Anspruch dieses Films nur zu deutlich." "Ich will", sagt Ridley, "daß die Schlußszene die 90er-Jahre-Version der Duschszene in 'Psycho' wird. Mein Ziel ist es stets, das Publikum mit filmischen Mitteln zu fesseln, nicht mit sinnloser, zweckfreier Gewalt." Was aber, wenn die filmischen Mittel zum Selbstzweck werden? Ridleys Stil ist nun gerade nicht der abstrahierenden Reduktion verpflichtet, wie sie die angesprochene denkbar kompakte Duschsequenz von Alfred Hitchcock und Saul Bass auszeichnete. Vielmehr überlängt Ridley eine eher simple Inszenierung durch Weitschweifigkeit. Nicht das Verdichten einer Handlung interessiert ihn, sondern das Überhöhen dessen, was sich auch einfacher sagen ließe. Gelingen und Scheitern liegen bei Ridley dicht beieinander: In einer sensibel komponierten Exposition entwirft er ein überzeugendes Bild eines Handlungsortes jenseits der Wirklichkeit. Das Geschehen selbst schildert er hingegen so realistisch, daß es schließlich mehrerer Traumsequenzen bedarf, um den Zuschauer an die Ausgangssituation des Märchenhaften zu erinnern: Nach dem hyperrealistischen, pyrotechnischen Finale erscheint eine Schar Schausteller samt Elefant, die aus dem Nichts auftauchen, um der Protagonistin einen silbernen Schuh zu schenken. So geschmäcklerisch diese Szene für sich genommen ist, so wichtig ist sie auch, um den Gesamteindruck wenigstens tendenziell in Richtung Irrealität zu gewichten.

Trotz etlicher Kürzungen füllt Ridley die Länge von 100 Minuten nicht aus. Um so exponierter erscheint nun der wenig durchdachte religiöse Bezug. Auch wenn Darklys Denken schizophren ist, sollte man doch wenigstens über das Wertesystem seiner übertriebenen Gottesfurcht Klarheit gewinnen können. Worin sich seine unterdrückte Sexualität auf das Christentum bezieht, soll wohl durch ein Bibelzitat angedeutet werden, das im Film fällt (2. Korintherbrief, 13.12.), bei näherer Betrachtung aber lediglich einen Segen enthält, der auf den Judaskuß Bezug nimmt ("Grüßt einander mit dem heiligen Kuß/ Es grüßen euch alle Heiligen"). Was dies mit Darklys Fanatismus zu tun haben soll, bleibt ebenso unklar wie das sonstige Geistesgebäude der Hauptfigur. Bei allem Raum, der ansonsten der Entwicklung der Charaktere beigemessen wird, bleibt das Verständnis für die religiöse Motivation der Hauptfigur aus. Von einer "Passion" Darklys, vergleichbar der Passion Christi oder Dreyers "Passion der Jungfrau von Orleans", kann kaum die Rede sein. Dies wäre natürlich nicht der Rede wert, wenn Ridleys Film wenigstens spannende Unterhaltung böte. Dazu jedoch verzettelt er sich zu sehr in Einzelaspekten seines Kammerspiels - dem psychologischen Realismus der Charaktere und der beinahe zu liebevollen Gestaltung des Ambientes. Verbindendes Element ist lediglich ein elektronisch interpretiertes musikalisches Leitmotiv von aufreizender Banalität. Die Einfachheit einer griechischen Tragödie hatte Ridley vorgeschwebt, und doch erscheint sein Film schwer und kompliziert. Erst ein feinfühliger Originalsong P.J. Harveys zu den Schlußtiteln läßt wirkliche Anteilnahme empfinden.
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