Das Leben nach dem Tod in Denver

Krimi | USA 1995 | 115 Minuten

Regie: Gary Fleder

Um dem kränkelnden Paten von Denver einen Gefallen zu erweisen, reaktiviert ein Gentleman-Gangster vier ehemalige Gefährten für einen harmlosen Deal. Doch das Vorhaben geht schief, was für die Beteiligten einem Todesurteil gleichkommt. Anstatt das Weite zu suchen, versucht der Anführer mit Spitznamen "Der Heilige", das Unheil von seinen Mitstreitern abzuwenden. Virtuoser Genre-Mix, der souverän unterschiedliche Stilelemente vereint, in seiner Gesamtkonzeption aber jedes Ziel aus dem Auge verliert. Streckenweise versinkt der Film in larmoyanter Nostalgie und unbedarften Lebensweisheiten.
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Filmdaten

Originaltitel
THINGS TO DO IN DENVER WHEN YOU'RE DEAD
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Miramax
Regie
Gary Fleder
Buch
Scott Rosenberg
Kamera
Elliot Davis
Musik
Michael Convertino
Schnitt
Richard Marks
Darsteller
Andy Garcia (Jimmy "The Saint") · Christopher Walken (Der Mann mit dem Plan) · Christopher Lloyd (Pieces) · William Forsythe (Franchise) · Bill Nunn (Easy Wind)
Länge
115 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Genre
Krimi
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Heimkino

Verleih DVD
VCL (1.59:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Die Geschwindigkeit und Perfektion, mit der sich Hollywood neue unverbrauchte Talente einverleibt, verblüfft immer wieder. Erstlingswerke wie der raffinierte Genremix von Gary Fleder strahlen eine Souveränität und Sicherheit im Umgang mit den stilistischen Mitteln aus, die unter hiesigen Bedingungen manchem Veteranen zu wünschen wäre. Knapp drei Jahre, nachdem Fleder und sein Drehbuchautor Scott Rosenberg beim Independent-Festival in Sundance mit einem kleinen Psycho-Thriller für Aufsehen sorgten, wartet das Duo nun mit einer geschliffenen Gangster-Mafia-Love-Story auf, die durch ihre ungewöhnliche Star-Riege, ein fein gesponnenes Drehbuch und eine pointierte Inszenierung überrascht.

Im Mittelpunkt steht eine Art Unterwelt-Heiliger: Jimmy "The Saint", ein smarter, stets in teures Linnen gekleideter Jungunternehmer mit feinen Umgangsformen und einer dunklen Vergangenheit, dessen Videofirma "Afterlife Advice" nicht so recht laufen will. Die Ratschläge, die vom Tod gezeichnete Menschen ihren Angehörigen auf den Magnetbändern hinterlassen, finden wenig Anklang. Als der "Mann mit dem Plan", eine Art Pate von Denver, ihn um einen "Gefallen" bittet, bleibt Jimmy keine Wahl, weil er dem querschnittsgelähmten Syndikus von früher her verpflichtet ist und dieser ihn außerdem in der Hand hat, da er alle Schuldscheine von Jimmys Unternehmen aufgekauft hat. Widerstrebend reaktiviert der ausgestiegene Gentleman-Gangster vier ehemalige Gefährten, um dem Paten einen letzten Dienst zu erweisen: Sie sollen die Ex-Verlobte von Bernard, dessen psychisch gestörtem Sohn, von ihrer Heirat abhalten, indem sie ihren neuen Geliebten so einschüchtern, daß er das Weite sucht. Doch das Vorhaben geht gründlich schief, weil einer von Jimmys Männern durchdreht. Das Liebespaar wird dabei getötet, was für die Täter einem Todesurteil gleichkommt. Nur Jimmy soll von Mr. Shhh, einem fast perfekten Auftragskiller, verschont bleiben, wenn er innerhalb von 48 Stunden aus Denver verschwunden ist.

Fleders filmische Virtuosität erweist sich vor allem im spielerischen Umgang mit den verschiedenen Genreelementen. Die Liebesgeschichte zwischen Jimmy und der geheimnisvollen Schönheit Dagney, die zwar liiert ist, dem Charme des Gentleman-Gangsters aber wenig entgegenzusetzen hat, könnte einen eigenständigen Plot abgeben, schlingt sich aber so kunstvoll in die Gesamtstory ein wie Steve Buscemis Glanznummer als Karikatur eines Killers, der trotzdem kaum zu stoppen ist, oder eine Reihe anderer Anleihen aus der Tarantino-Ecke. Dabei fällt vor allem immer wieder die beiläufige, aber präzise Charakterisierung fast jeder Figur bis in die kleinen Nebenrollen hinein auf, die mit kleinen Gesten, Ticks und Alltagsgewohnheiten eine bemerkenswerte Plastizität erreichen. Auch über den Titel des Films und seine Handlung wird man als Zuschauer bis zur Hälfte auf die Folter gespannt, ehe Jimmy im Angesicht des nahen Endes beginnt, neben seinen tadellosen Umgangsformen auch die Qualitäten eines Heiligenlebens zu testen.

Statt sich selbst in Sicherheit zu bringen, versucht er seine Gefährten zu retten, plündert seine stillen Reserven und setzt alles daran, ihren Tod abzuwenden. Doch der rachsüchtige Pate kennt so wenig Erbarmen wie Jimmy Angst, weshalb seine Handlungen sich immer mehr denen seiner Videokunden angleichen, die sich auf ihren Tod vorbereiten, indem sie ihre Angelegenheiten ordnen.

Wie aber im Reinen und Puren stets die größere Gefahr schlummert, so schießt der Film immer mehr übers Ziel hinaus, je länger das Leben nach dem Todesspruch währt. Jimmy "The Saint" erweist seinem Namen alle Ehre, nötigt Dagney, ihren Geliebten zu heiraten, verhilft dem Straßenmädchen Lucinda zum gewünschten Kind, sorgt für deren Zukunft und schwingt sich erst kurz vor dem Finale zum Rächer auf, indem er den Paten am einzig verwundbaren Punkt erwischt: seinem Sohn Bernard. In dieser Übersteigerung aber kollabieren große Teile des Filmkonzepts, das zusehends in larmoyante Nostalgie abgleitet, mit der "jene alten Tage" beschworen werden, in denen wenigstens noch unter Gangstern Solidarität herrschte. Warum diese Welt aber zum Teufel ging, bleibt letztlich ebenso unklar wie Jimmys klerikale Manierismen. Solchermaßen aus dem Rhythmus geraten, stoßen auch die unbedarften, dafür reichlich präsentierten Lebensweisheiten oder die dem Film zugrundeliegende Todes- und Jenseitsvorstellung zunehmend bitter auf. Die sonnenüberflutete Yacht, auf der sich die Ermordeten in der Schlußeinstellung schließlich wiederfinden und sich jener "Boot-Drinks" erfreuen, von denen sie im düsteren Denver immer träumten, ist zwar durchaus mit barocken Paradies-Ideen verwandt, entbehrt aber jeglicher Ernsthaftigkeit und grenzt nahe ans Prätentiöse.
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