Der scharlachrote Buchstabe (1995)

Literaturverfilmung | USA 1995 | 135 Minuten

Regie: Roland Joffé

Eine verheiratete Frau verliebt sich im Massachusetts der Kolonialzeit in den Pastor des Dorfes und wird öffentlich gebrandmarkt, als sie ein Kind zur Welt bringt, aber den Namen des Vaters verschweigt. Eine in Inhalt und Form auf den Kopf gestellte Neuverfilmung des Nathaniel-Hawthorne-Romans, dessen differenzierte Darstellung des Puritanismus in eine Emanzipationsgeschichte mit Soap-Opera-Charakter verwandelt wurde.
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Filmdaten

Originaltitel
THE SCARLET LETTER
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Lightmotive/Allied Stars/Cinergi/Moving Pictures
Regie
Roland Joffé
Buch
Douglas Day Stewart
Kamera
Alex Thomson
Musik
John Barry
Schnitt
Thom Noble
Darsteller
Demi Moore (Hester Prynne) · Gary Oldman (Arthur Dimmesdale) · Robert Duvall (Roger Prynne / Roger Chillingworth) · Joan Plowright (Harriet Hibbons) · Lisa Joliffe-Andoh (Mituba)
Länge
135 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Genre
Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
VCL (1.85:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Nathanie Hawthornes Roman wurde bereits etliche Male verfilmt, darunter einmal (noch stumm) von Victor Sjöström und ein anderes Mal von Wim Wenders. Welche der vielen früheren Verfilmungen man auch nimmt, keine entfernt sich so weit von der Vorlage wie dieser Film, der Hawthornes differenzierte moralische Abrechnung mit dem Puritanismus in eine eindimensionale Emanzipationsgeschichte ummünzt. Es ist noch das Massachusetts der frühen Kolonialzeit, und es sind noch die verheiratete Hester Prynne und der Dorf-Reverend Dimmesdale, die in verbotener Liebe ein Kind zeugen, das die Mutter als Sünderin in einer Welt voller Selbstgerechter bloßstellt. Doch Demi Moore und Gary Oldman haben mehr mit aufsässigen Blumenkindern gemein als mit den Opfern eines Puritanismus, der auch Seelen und Verhalten der Betroffenen geprägt: hatte. Selbstbewußt, wie sie mit dem flammenden Zeichen der Gebrandmarkten auf ihrer Kleidung durch die Menge der moralischen Besserwisser schreitet, den Namen des Kindsvaters tapfer verschweigend, ist die Hester Prynne dieses Films ein Kind des 20. Jahrhunderts, und es wäre wohl besser gewesen, man hätte die Story dann erst gar nicht in der Kolonialzeit angesiedelt.

So wie die Voraussetzungen auf den Kopf gestellt sind, ergeht es auch den Details der Handlung - bis hin zu ihrem ganz und gar unsinnigen Ende. Richtig fürchterlich wird es, als Hesters totgeglaubter Mann auftaucht. Robert Duvall sieht sich genötigt, eine Art Robert-De-Niro-Parodie abzugeben: ein früher Vorfahre des "Taxi Drivers" mit kahl geschorenem Schädel und blutigen Rachegedanken. Mit Hawthorne hat das alles wirklich nichts mehr zu tun. Warum man sich aber auch noch von dem so eindrucksvollen formalen Ablauf des Romans getrennt hat, der dort beginnt, wo der Film schon fast sein Ende erreicht, läßt sich nur mit der Spekulation auf angeblichen Publikumsgeschmack erklären.

Es ist kaum zu glauben, aber der Regisseur dieses unsäglicher Schinkens ist Roland Joffé- derselbe, der einst "The Killing Fields" (fd 24 922) gemacht hat. Er schämt sich nicht einmal, in den Anfangsszenen eine plumpe Kopie seines ungleich fesselnderen Historienfilms "Mission" (fd 25 940) abzuliefern und anschließend ungeniert in ein unausgegorenes Gemisch aus Soap Opera und Pseudo-Historizität zu verfallen. Wie penetrant und unsensibel das alles gemacht ist, demonstriert nicht nur die Tatsache, daß sich Joffé nicht einmal die Einstellung auf Demi Moores sattsam bekannte Playboy-Pose versagt, sondern auch, daß er Hawthornes Symbol der Versündigung noch ein weiteres in Form eines scharlachroten Vogels aufpfropft: neckischer Kundschafter und Ausrufer unzüchtiger Dinge. Obwohl prominent besetzt und obwohl mit dem Renommee einer Vorlage ausgestattet, die zum allseitig beliebten Leseschatz amerikanischer Bürger gehört, fiel der Film an amerikanischen Kinokassen mit Glanz und Gloria durch. Manchmal ist das Publikum eben doch besser als sein Ruf.
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