Kleine Sünden unter Brüdern

Komödie | USA 1994/95 | 98 Minuten

Regie: Edward Burns

Drei Brüder in Long Island verwickeln sich in verschiedene Liebes- und Daseinsprobleme, wobei ihnen ihre irisch-katholische Herkunft einerseits als das "Rüstzeug" ihres Handelns und Verhaltens, andererseits als Hindernis für eine freie Entfaltung erscheint. Eine mit minimalem Aufwand liebenswürdig und charmant gestaltete Beziehungskomödie über die Schwächen und "Sünden" dreier Männer in verschiedenen Lebensphasen. Religion wird lediglich als eine Art Regelwerk mit Geboten und Verboten verstanden, die spirituelle Dimension von Religiösität nicht als Chance zur Sinnsuche und -findung gedeutet.
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Filmdaten

Originaltitel
THE BROTHERS MCMULLEN
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1994/95
Produktionsfirma
Marlboro Road Gang/Videography/Good Machine
Regie
Edward Burns
Buch
Edward Burns
Kamera
Dick Fisher
Musik
Seamus Egan
Schnitt
Dick Fisher
Darsteller
Jack Mulcahy (Jack) · Edward Burns (Barry) · Mike McGlone (Patrick) · Maxine Bahns (Audrey) · Connie Britton (Molly)
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Genre
Komödie
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Diskussion
Noch auf dem Friedhof verabschiedet sich Mrs. McMullen von ihrem erwachsenen Sohn, um unmittelbar nach der Beerdigung ihres ungeliebten Mannes in ihre irische Heimat zurückzukehren. Nach 30 Ehejahren will sie zu dem einzigen Mann zurück, der sie wirklich geliebt hat, und für Barry, den irritierten Sohn, hat sie nur noch einen Rat: Mach' nicht den gleichen Fehler wie ich! Fünf Jahre später leben Barry und seine beiden Brüder immer noch in New York und treffen sich in ihrem Elternhaus in Long Island. Dort wohnt nun Jack, der älteste der drei, mit seiner Frau Molly, die an diesem Tag ihren 30. Geburtstag feiert. Man ißt gemeinsam, albert herum und hänselt sich gegenseitig, indem man die Lebensweise des anderen aufs Korn nimmt: Jack, Lehrer an einer High School, lebt in bürgerlicher Sicherheit und ist davon überzeugt, in Molly die Frau seines Lebens gefunden zu haben. Patrick, der jüngste Bruder, hat soeben seine College-Ausbildung beendet und fühlt sich "noch nicht bereit fürs Leben"; auf die bereits ausgereiften Lebenspläne seiner Geliebten reagiert er verwirrt, ist sich weder seiner Gefühle noch seiner Absichten sicher. Barry schließlich schlägt sich als Drehbuchautor durch, führt ein ungebundenes Dasein und beherzigt intensiv den Rat seiner Mutter: er glaubt nicht an die wahre Liebe, springt von Beziehung zu Beziehung, sich immer dann lösend, wenn diese gar zu eng wird oder sogar von Heirat die Rede ist. Was die drei Brüder verbindet, ist einerseits ihre tiefe Zuneigung zueinander, andererseits ihre irisch-katholische Erziehung, die sie geprägt hat und die Art und Weise beeinflußt, wie sie die Welt betrachten. So verschieden die Probleme von Jack, Barry und Patrick auch sind, so sehr leiden sie an ihrer emotionalen Unsicherheit in Sachen Liebe - und reiben sich dabei permanent an den "Regeln" ihrer Religionszugehörigkeit.

Für gerade mal 200.000 Dollar hat Edward Burns seinen ersten Spielfilm unabhängig produziert, eine charmant und liebenswürdig erzählte Beziehungskomödie, die in den USA mittlerweile ihre Kosten hundertfach eingespielt hat - und das ohne spektakuläre Äußerlichkeiten, sondern allein dank Burns' Talent, Geschichten darüber zu erfinden, wie Menschen miteinander umgehen. Wie aus einem großen Lebensbaum schneidet Burns drei Ringe heraus, um das Dasein "seiner" drei Männer in verschiedenen Altersphasen zu beschreiben, wobei er sie mit bemerkenswerter Abgeklärtheit, vor allem aber mit liebe-und verständnisvoller Ironie in jene Fallen tappen läßt, die sie sich selbst stellen: Jack betrügt seine Frau und verdrängt durch sein Fremdgehen eigentlich nur seine Angst vor eigenen Kindern und eigener Familie; Barry verliebt sich so sehr in die attraktive Audrey, daß er beinahe an die wahre Liebe zu glauben beginnt, sich dann aber doch wieder hinter seinem Defätismus verschanzt; Patrick kollidiert am deutlichsten mit den Geboten seiner Religion, horcht zugleich aber in sich hinein, um eine Balance zwischen seinen Empfindungen und (Glaubens-)Grundsätzen zu finden. In erster Linie repräsentiert der Katholizismus der drei Brüder dabei lediglich eine Art Regelwerk, das ihnen durch ihre Erziehung ins Blut übergegangen ist; wenn sie sich an Geboten und Verboten abarbeiten, dann ringen sie stets mehr mit ihrem schlechten Gewissen als mit einer tieferen Suche nach den spirituellen Dimensionen von Religiosität und Gläubigkeit. "Ich bin Katholik", äußert Patrick einmal, "da gibt es Regeln. Wir haben alle unser Päckchen zu tragen. Du ißt doch auch keinen Hamburger mit Speck drauf." Dementsprechend "weltlich" bleibt die Sinnsuche der drei Brüder, ihre katholische Erziehung ist ihnen eher Balast, mit dem sie sich abschleppen und von dem sie sich früher oder später befreien wollen. Immerhin verzeichnet Burns die Religion der Brüder in keinem Moment, setzt ihr gegenüber allenfalls kritische Spitzen, wenn er deutlich macht, wie sehr die Erziehung der drei dazu beigetragen hat, daß sie weniger die Chancen des Glaubens erkennen als eher die einengenden Grenzen allzu dogmatischer Glaubens- und Lebensprinzipien verspüren. Sympathisch bleiben die drei McMullens dabei selbst in ihren Schwächen, "Vergehen" und Sünden, die sie letztlich dann doch wieder mit der grundsätzlichen Frage konfrontieren, wie man denn "durchs Leben" gehen kann. Die technischen und inszenatorischen Defizite des Low-Low-Budget-Konversationsstücks erhöhen dabei noch den authentischen Reiz des Geschehens, das leicht und amüsant plaudernd, fast improvisiert daherkommt. (Wer die Gelegenheit hat, den Film in der deutsch untertitelten Originalversion zu sehen, sollte sie unbedingt ergreifen. Die deutsche Synchronfassung ist akademischsteril und raubt dem Film nicht nur viel von seiner Ausstrahlung, sondern verwässert auch den ethnischen Hintergrund der Geschichte.
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