Tragikomödie | Großbritannien 1991 | 104 Minuten

Regie: Peter Chelsom

Nachdem er zunächst einem Schwindler aufgesessen ist, kann ein junger Konzertmanager irischer Abstammung in Liverpool einen vor Jahrzehnten vor Steuerfahndern geflohenen, berühmten irischen Tenor aufspüren, zu einem Comeback überreden und dadurch auch sein Leben wieder in Ordnung bringen. Ein hervorragend gespieltes, herzerfrischendes Film-Märchen über Wahrheit und Wahrhaftigkeit und die Schönheit von Kunst und Leben. Poesievoll und einfühlsam, mit augenzwinkerndem (Nostalgie-)Charme und feinem Gespür fürs Detail inszeniert. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
HEAR MY SONG
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Film Four International/British Screen/Windmill Lane/Limelight
Regie
Peter Chelsom
Buch
Peter Chelsom · Adrian Dunbar
Kamera
Sue Gibson
Musik
John Altman
Schnitt
Martin Walsh
Darsteller
Ned Beatty (Josef Locke) · Adrian Dunbar (Micky O'Neill) · Shirley Ann Field (Cathleen Doyle) · Tara Fitzgerald (Nancy Doyle) · William Hootkins (Mr. X)
Länge
104 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Tragikomödie
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Diskussion
Micky O'Neill, Konzertimpresario im Liverpooler Iren-Viertel, hat Probleme. Der abgehalfterte Sänger Franc Cinatra ist nicht gerade eine Zugnummer, und auch sein Liebesleben entwickelt sich nur mit Schwierigkeiten, da er auf die Liebesbeteuerungen seiner Verlobten Nancy nur mit einem lakonischen .gleichfalls' antwortet, die Worte, die sie hören will, jedoch nicht über die Lippen bringt. Alles scheint sich zum Besseren zu wenden, als Micky glaubt, den legendären irischen Tenor Josef Locke, bei dessen Gesang die Frauen zu weinen anfangen, verpflichten zu können. Einen Haken hat die Sache allerdings: Locke wird in England seit 25 Jahren wegen Steuerhinterziehung gesucht. Sein Auftritt muß somit ein offenes Geheimnis bleiben. Als Mr. X angekündigt, ruft der schwergewichtige Sänger nicht nur jede Menge Verehrerinnen auf den Plan und sorgt für volle Kassen, sondern auch seinen Intimfeind, den Steuerfahnder Jim Abbott. Abbott erkennt als einziger sofort, daß Micky einem Schwindler aufgesessen ist, eine Erkenntnis, die später auch Nancys Mutter teilen wird. Sie war vor 25 Jahren für kurze Zeit Lockes Geliebte, glaubt nun, die Liebe ihres Lebens fortsetzen zu können, und sieht sich nach einer Liebesnacht auf das Furchtbarste hintergangen.

Mickey hat nicht nur seinen Ruf und die Einnahmen eingebüßt, er verliert auch Nancy. So hilft nur noch die Flucht nach vorn; er macht sich nach Irland auf, zur Insel der Ahnen, um den wahren Josef Locke zu einem Gastspiel zu überreden. Den Sänger aufzuspüren, ist leichter als erwartet, doch dann häufen sich die Schwierigkeiten. Locke führt ein Leben in bäuerlicher Zurückgezogenheit, spielt Karten, säuft mit seinen kauzigen Kumpanen und wittert in Micky und seinem Freund Steuerfahnder. Aber schließlich gibt es am westlichsten Punkt Europas mit seinen imposanten Klippen ja Mittel und Wege, die Wahrheit aus einem jungen Fremden herauszuschütteln. Und wenn die so einfach ist, wie Micky sie in höchster Not gesteht, erweicht selbst das Herz eines Tenors. Nicht um Geld geht es Micky nämlich, und auch die Kunst spielt nur noch eine untergeordnete Rolle; sie, ist Mittel zu dem Zweck, Nancy zurückzugewinnen: nur ausgesprochen muß dies erst mal werden.

Nachdem man die scheinbar unergründliche Tiefe irischer Brunnen ausgelotet hat, geht es gemeinsam nach Liverpool, wo Locke ein triumphales Comeback feiert, aber auch die Steuerfahndung auf den Plan ruft. Abbott scheint endlich am Ziel zu sein, doch während der Zugabe kommt tonnenschwere Hilfe von oben: Während sich der Sänger in die Lüfte erhebt und seine Abschiedsarie schmettert, kann dem verbissenen Fahnder erneut ein Schnippchen geschlagen werden. Schließlich gibt es noch Mr. X, und die Welt ist groß genug für zwei Josef Lockes.

Man muß schon taub sein, um von Peter Chelsoms ungeheuer musikalischer Erstlings-Komödie nicht mitgerissen zu werden. Nicht nur die Lieder des legendären Josef Locke (gesungen von Vernon Midley) sind ein Ohrenschmaus, der ganze Film ist mit einen wunderbaren Soundtrack unterlegt, der nicht nur die Handlung akzentuiert, sondern äußerst geschickt Atmosphäre schafft. So klingen, während Micky in Irland weilt, auch bei modernen Musikstücken immer wieder folkloristische Motive an, ohne sich aufzudrängen, oder die Musik greift ein Straßengeräusch auf, trägt es quasi mit sich fort, spielt mit ihm und verändert es, bis es sich zu einer eingängigen Melodie gewandelt hat.

Die realen Fakten der Geschichte (Locke war wirklich ein gefeierter Sänger der 50er Jahre, seine Probleme mit der Steuer keine Erfindung) sind mit unwiderstehlicher Fabulierlust in eine Handlung eingebettet, die sich nach kleinen Anlaufschwierigkeiten zu einem poetischen Märchen entfaltet. Obwohl "Hear my song" im Irland-Teil ein wenig an Bill Forsyths "Local Hero" (fd 24 263) erinnert, bewahrt sich Chelsoms Film stets seine Eigenständigkeit. Das liegt nicht nur an den vorzüglichen Darstellern, etwa Ned Beatty, der seinen Locke als bodenständigen Bonvivant darbietet, oder Adrian Dunbar, dessen Micky trotz aller negativen Charaktereigenschaften stets auch liebenswerte Züge vorzuweisen hat, das liegt in erster Linie an der Leichtigkeit der Inszenierung und der Feinabstimmung zwischen Realität und Poesie. Der Film entrückt in eine Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, und zeigt Menschen, die alle Schwierigkeiten überwinden, um an ihre Ziele zu kommen. Dabei müssen sie in erster Linie die Schwierigkeiten in sich selbst besiegen und sich über ihre Ziele erst einmal klar werden. So geht es Micky nicht so sehr um Geld und Erfolg, sondern um Wahrheit, Wahrhaftigkeit und seine Liebe zu Nancy; Locke übernimmt wieder die Verantwortung über Mädchenträume und lebt auf; Nancys Mutter findet endlich die Erfüllung ihrer Liebe, und die prächtigen alten Musiker, die sich zu Lockes Konzert versammeln, fühlen sich noch einmal in ihre Jugend zurückversetzt. Am Ende ist die Welt wohlgeordnet, freundlich, ein wahrhaft lebenswerter Platz und von einem ganz besonderen Zauber erfüllt. Das entspricht nicht unbedingt der Realität, tut dem Genuß und der puren Freude an diesem Film jedoch keinen Abbruch, der als Huldigung an die schlichte Schönheit des Lebens zu begreifen ist.

Unterstützung findet Chelsom durch die gute Arbeit der Kamerafrau Sue Gibson, die nicht nur immer das richtige Licht für die Szenen findet, sondern in einer kurzen Rückerinnerungsszene eine wahre Meisterleistung vollbringt. Die Erinnerungen an den jungen Locke wurden mit einer aufziehbaren Handkamera gefilmt, wodurch die Szene sowohl einen dokumentarischen als auch einen amateurhaften Anstrich erhält und einen farblich verfremdeten "hektischeren" Kontrapunkt zur leisen, poetischen Filmhandlung darstellt. Ein Film, der zu Herzen geht, jedoch keineswegs rührselig ist, und der äußerst geschickt kleine folkloristische Klischees variiert. In diesem Konzept kommen die kleinen irischen Feen ebenso zu ihrem Recht wie die respektvoll zu behandelnden, furchteinflößenden Brunnen der grünen Insel, die zunächst ebenso unergründlich erscheinen wie die Herzen der Menschen, jedoch genau wie diese auslotbar sind, wenn man nur ein wirklich "gewichtiges Anliegen" in sie hineinwirft.
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