Strictly Ballroom - Die gegen alle Regeln tanzen

Tanzfilm | Australien 1991 | 94 Minuten

Regie: Baz Luhrmann

Durch die Unterstützung einer spanischen Einwandererfamilie und den letztlich festen Glauben an die neue Partnerin gewinnt ein junger Australier gegen alle Widerstände und auch gegen alle Wahrscheinlichkeit den Titel im Pan-Pacific-Tanzturnier. Ein hervorragender Tanzfilm, der den Paso Doble feiert und durch seine Leidenschaft, die opulente Ausstattung, seine fulminante Kameraarbeit und einen vorzüglichen Darsteller besticht. Wunderschöne Unterhaltung ohne aufgesetzte Botschaft. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
STRICTLY BALLROOM
Produktionsland
Australien
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
M & A Film
Regie
Baz Luhrmann
Buch
Baz Luhrmann · Andrew Bovell
Kamera
Steve Mason
Musik
David Hirschfelder
Schnitt
Leandro Bilcock · Jill Bilcock
Darsteller
Paul Mercurio (Scott Hastings) · Tara Morice (Fran) · Bill Hunter (Barry Fife) · Pat Thomson (Shirley Hastings) · Barry Otto (Doug Hastings)
Länge
94 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Tanzfilm
Externe Links
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Diskussion
Nur noch wenige beschwingte Schritte und Scott steht vor dem Ziel seiner jungen Karriere, dem Meistertitel beim Pan-Pacific-Tanzturnier. Doch dann geht die Leidenschaft mit dem jungen Burschen durch. Er zaubert ein paar Schrittfolgen aufs Parkett, die so in keinem Regelwerk stehen, und wird prompt vom Turnier ausgeschlossen. Die enttäuschte Partnerin wendet sich einem anderen Tänzer zu, Scotts Mutter, eine Ex-Meisterin, ist enttäuscht, nur sein Vater scheint Verständnis für die Experimentierfreude des Jungen zu haben.

Partner - und perspektivlos scheint Scotts hoffnungsvolle Karriere vor ihrem Ende zu stehen, da taucht die unscheinbare und tanzunerfahrene Fran auf und bietet sich als Partnerin an. Wider besseres Wissen läßt sich Scott auf das Experiment mit der "grauen Maus" ein. Das Ergebnis ist ganz passabel, doch alle Beteiligten wissen, daß man mit dieser Leistung nicht gegen den amtierenden Meister, einen aufgeblasenen Schnösel, bestehen kann. Nun kommt Frans Familie, spanische Einwanderer, zum Zuge, die nach reiflicher Prüfung den jungen Tänzer in das Geheimnis des Paso Doble einweisen und dabei so zu Werke gehen als gelte es, ihn an einer mittelschweren anarchistischen Verschwörung teilhaben zu lassen. Nach harten Proben stehen die Schrittfolgen, ist die Choreografie einstudiert, sitzen die feurigen Blicke; nur Scott ist mit seinem Herzen nicht dabei, steht sich und - soviel ist mittlereile klar - auch seiner Liebe im Wege. Erst in letzter Minute und nachdem der Vater ihn in ein düsteres Familiengeheimnis eingeweiht hat, besinnt Scott sich und steht nun vollends zu Fran. Als seine Gegner zu drastischen Maßnahmen greifen und den Lautsprechern den Saft abdrehen, scheint es wieder nichts zu werden mit dem Meistertitel. Doch da ist ja noch die resolute spanische Großmutter, die in die Stille hinein energisch den Takt des Paso Doble vorgibt, und da sind Hunderte von schnippenden Fingern, die ihn aufgreifen und verstärken. Da ist der kleine Bruder, der das Hauptstromkabel findet, und da sind Scott und Fran, die sich nun durch nichts beirren lassen und nur noch sich und ihren Tanz feiern.

Baz Luhrmanns Debütfilm will keine Botschaft vermitteln. Er ist einer jener kleinen Filme, die sich ganz auf sich selbst konzentrieren und damit ihr Sujet und sich selbst feiern. Es wird dunkel im Kino, und dann gibt es nur noch Film - 94 Minuten lang. "Strictly Ballroom" - leider muß er in Deutschland mit dem Zusatztitel "Die gegen alle Regeln tanzen" leben - ist in jeder Sekunde Leidenschaft, sein Hauptdarsteller kann tanzen, was das Zeug hält, und hat sichtlich seine Freude bei der Arbeit. Er tanzt den Paso Doble nicht einfach herunter, sondern zelebriert ihn. Der Tanz, ganz Macho, erzählt vom Kampf der Geschlechter, dargeboten als ritualisierte Unterwerfung. Doch Baz Luhrmann läßt es nicht bei feurigen Augenaufschlägen und einstudierten Posen bewenden. Bei aller Leidenschaft und wohl auch Liebe zum Sujet ist sein Film voller ironischer Brechungen. Was wunder, schließlich wurde der kleine Baz von seiner Mutter, einer Profi-Tänzerin, von Turnier zu Turnier geschleppt, und da entwickelt man schon ein Auge für die Eigenheiten und Eitelkeiten dieses Sports, der von der großen Geste, aber auch durch eine gewisse Selbstverliebtheit lebt, denn Balzverhalten um die Gunst der Punktrichter gehört ebenso zum Geschäft wie Talent und Fleiß.

Hätte Luhrmann seinem Helden irgendwelche Ambitionen angedichtet, Scott könnte glatt als jugendlicher Rebell durchgehen. Doch er hat nur Gefühl und Leidenschaft und muß sich so mit der Rolle des Grand-Prix-Siegers begnügen, dem immerhin die Herzen aller und besonders einer zufliegen. So gesehen unterscheidet sich "Strictly Ballroom" nicht sonderlich von den vielen Tanzfilmen vor ihm, die - als ein Untergenre des Sportfilms - natürlich den individuellen Erfolg ihrer Helden feiern.

Der entscheidende Unterschied ist jedoch, daß "Strictly Ballroom" sich an keinen aktuellen Jugendtrend anhängt, sondern einfach nur mit viel Gefühl und stimmungsvoll seine beschwingte Geschichte erzählt. Die gediegene Ausstattung, die prächtigen Kostüme, die wunderbaren Farben, die mitunter fulminante Kameraarbeit, die die Bemühungen der Tänzer wirkungsvoll unterstützt, all das scheint reiner Selbstzweck, Staffage, die der Film braucht, um sich selbst zu feiern. Verschwendung, wenn man so will, doch gerade die schönsten Dinge sind ja nicht dazu da, um Grundbedürfnisse zu befriedigen. Vielmehr beschwört der Film mit opulenten Mitteln die Kinoherrlichkeit von einst und ist so gesehen ein überaus ehrlicher Film.
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