City of Hope

Drama | USA 1990 | 129 Minuten

Regie: John Sayles

In einer Vielzahl eng miteinander verwobener Geschichten und Episoden, in deren Mittelpunkt ein Bauunternehmer und sein aufsässiger Sohn stehen, werden die komplexen Probleme einer amerikanischen Großstadt vor Augen geführt. Das Netz von politischen, ökonomischen und familiären Abhängigkeiten und Verstrickungen läßt dem einzelnen kaum Freiraum. Ein hervorragend komponierter Film, der seine Figuren und Handlungsstränge kunstvoll zu einem Mikrokosmos verflechtet, in dem es kaum einen Hoffnungsschimmer gibt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CITY OF HOPE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1990
Produktionsfirma
Esperanza/Connexion
Regie
John Sayles
Buch
John Sayles
Kamera
Robert Richardson
Musik
Mason Daring
Schnitt
John Sayles
Darsteller
Vincent Spano (Nick) · Joe Morton (Wynn) · Barbara Williams (Angela) · Tony Lo Bianco (Joe) · John Sayles (Carl)
Länge
129 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Der Anfang. Ein Bauarbeiter schmeißt seinen Job. Ein schwarzer Kommunalpolitiker putzt Klinken, um Unterstützung für den geplanten Schulfonds zu finden. Zwei Herumtreiber wollen sich ein paar Dollar mit einem krummen Ding verdienen. Bei einem kleinen Mittagessen werden Bestechungssummen ausgehandelt.

Das Ende. Ein Polizist muß seine Dienstwaffe abgeben. Ein schwarzer Jugendlicher joggt neben einem weißen Universitätsprofessor durch die Nacht. In einem Neubau verblutet der einzige Unschuldige. Auf der Straße ruft ein Verrückter um Hilfe. Keiner hört auf ihn.

Dazwischen: Korruption und Intrigen, politische und wirtschaftliche Macht, die mehr oder weniger sichtbar die Fäden zieht, Bodenspekulation, Einbrüche, Brandstiftung, schikanierende Polizeistreifen, Rassenhaß, Feindschaften, Eifersucht, ein wenig Liebe und noch weniger Hoffnung. City of Hope?! Was man sieht, ist der Anfang vom Ende.

"City of Hope" ist John Sayles' siebte Regiearbeit seit "Die Rückkehr nach Secaucus" 1979. Der 42j ährige Amerikaner ist sich bis heute insofern treu geblieben, als er weiterhin unabhängig von Hollywood produziert (auch wenn er gelegentlich - "Piranha", "Die Frau in Rot" - als Drehbuchautor für die Traumfabrik gearbeitet hat). Das hat seinen Preis. Sayles' Filme müssen sich mit bescheidenen Budgets begnügen, und sie finden im Kino nur wenig Aufmerksamkeit; sein letzter, "Matewan", ein soziales Lehrstück über einen Streik in den 20er Jahren, ging gar auf dem Videomarkt verloren. Der Lohn (wenn man das so sagen darf): "City of Hope" ist - nicht nur im Vergleich zur gegenwärtigen gängigen Hollywood-Ware - beispiellos. Eine Million Einwohner zählt Sayles' "Stadt der Hoffnung", eine Großstadt wie viele andere in den USA, mit den gleichen Problemen: schmutzige Geschäfte, soziale Spannungen, persönliche Kleinkriege allerorten. Sayles legt ein Netz von menschlichen Beziehungen und Wechselwirkungen, von Abhängigkeiten und Verstrickungen über diese Wucherung, dieses sogenannte "Gemeinwesen", das sich mit dem Fortgang der vielen Geschichten, die der Film erzählt und die sich alle irgendwann kreuzen, eher noch mehr verknotet, als entwirrt. Rund 40 Personen führt das 130-Minuten-Werk zusammen, und fast jede davon hängt marionettengleich an irgendwelchen Fäden, die sie im Zaum halten und in bestimmte Richtungen bewegen. Wer sich zu sehr dagegen sträubt, wird bestraft. Nick zum Beispiel, ein Dreh- und Angelpunkt des Films, der Sohn des Baulöwen Joe, der große Pechvogel. Je mehr der Vater (der seine Karriere auch nicht nur mit sauberen Mitteln gemacht hat) seinen Jüngsten protegiert, desto mehr hält dieser dagegen. So läuft er vor der Arbeit am Bau davon - und läßt sich postwendend auf einen Einbruch für eben jenen Carl ein, der für Joe die Drecksarbeit macht. Er verliebt sich in eine Frau, die er noch von der High-school kennt - und ruft damit den eifersüchtigen Ex-Ehemann auf den Plan. Er ist der einzige Neuling im Einbruchsgeschäft, derjenige, der nur Schmiere steht - und muß am Ende, wenn auch indirekt, auf fatale Weise dafür büßen. Manchmal ist es doch nur der Zufall, der Regie führt in der "City of Hope". Manchmal will es der Zufall auch, daß die Räder nicht ganz so reibungslos ineinandergreifen wie geplant. Da ist ein Bauprojekt geplant, wo jetzt noch Slums stehen, die japanischen Geldgeber machen Druck. Der Druck geht an den Assistenten des Distrikt-Staatsanwalts weiter, von da zum Bürgermeister, von da zum Bruder des Baulöwen, der die zu seinem Besitz zählenden Häuser schon längst abgerissen hätte, aber die Bewohner lassen sich auch von Schikanen nicht vertreiben. Joe sträubt sich gegen Brandstiftung, das letzte radikale Mittel - bis sein Sohn auf der Fahndungsliste auftaucht. Daß in den Flammen zwei Menschen umkommen, mag tragisch sein, aber wer Erfolg haben will, wird mit solchen dunklen Flecken auf der Weste leben müssen. Und das Gewissen wird damit beruhigt, daß man der trauernden Mutter einen teuren Sarg spendiert.

Sayles siedelt um den Bauunternehmer und seinen Sohn eine Reihe weiterer Geschichten und Episoden an, die nicht unbedingt nur von politisch oder wirtschaftlichen Interessen gelenkt werden; auch Familienbande und ethnische Konflikte sorgen für Zündstoff. Da ist zum Beispiel der schwarze Stadtrat, der nicht nur im Rathaus, sondern auch innerhalb der schwarzen Gemeinde auf sich allein gestellt ist und lernen muß, daß man mit Prinzipientreue allein nicht zum Ziel kommt; da sind die beiden schwarzen Halbwüchsigen, die aus lauter Frust auf einen Weißen einprügeln, sehr zur Freude der weißen Polizeistreife, die gerne auf Schwarze einprügelt. Und da ist schließlich der Schwachsinnige, der diesem Irrsinn einen Spiegel vorhält, wenn er die Geisteskrankheiten, die unsere Zivilisation so kennt, wie Sonderangebote im Supermarkt herunterleiert.

Dieser arme Teufel, der am Ende den ergreifenden Schlußpunkt setzen wird, ist eine der wenigen Freiheiten, die sich Sayles mit seinen Figuren erlaubt. Seine apokalyptischen Auftritte, seine in ihrer Sinnlosigkeit so vielsagenden Tiraden überhöhen die Wirklichkeit gleichermaßen, so wie sie in manchen anderen Gestalten karikiert wird, etwa in dem schwarzen Aktivisten, der sich vorwiegend über Sprechblasen definiert, oder dem HiFi-Händler, der immer zuerst ans Geschäft denkt.

"City of Hope" hält, soweit möglich, die Einheit von Raum und Zeit ein. Sayles wechselt ohne Bildschnitte zwanglos von einer Geschichte zur nächsten und wieder weiter: während eine Person aus dem Bild verschwindet, kommt eine andere herein, die einem anderen Handlungsfaden folgt. Dieser dramaturgische "Staffellauf", der ein bißchen Gewöhnung fordert, erweist sich schnell als virtuos gehandhabte Methode, alle Personen und Stränge in den Griff zu bekommen, eine Methode, die an Robert Altman erinnert - ein Vorbild, das Sayles freimütig eingesteht - und die, bei aller scheinbaren Verspieltheit, ein dramaturgisches Konzept verrät. Häufige Schnitte würden das Chaos nur gewaltsam auseinanderreißen und ordnen. So aber bekommt dieser Schmelztiegel von Schicksalen eine filmische Homogenität, die fast schon klaustrophobische Reaktionen provoziert.

Mit "City of Hope" ist John Sayles ein formal wie inhaltlich gleichermaßen radikaler, mutiger Film gelungen, weit mehr als nur ein Negativ-Abzug vom "Fegefeuer der Eitelkeiten" (fd 28 887), oder eine Kopie thematisch verwandter Spike-Lee-Filme. Den Studiobossen in Hollywood sollte eigentlich die Schamröte ins Gesicht steigen, wenn sie sehen, was sich mit ein paar Millionen Dollar anstellen läßt.
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