One False Move

Action | USA 1991 | 105 Minuten

Regie: Carl Franklin

Ein Gangstertrio flieht nach einem brutalen Überfall mit der Geld- und Rauschgiftbeute von Los Angeles nach Arkansas. Die harte Actionstory verbindet sich mit einer nuancenreichen Kleinstadt-Geschichte und gewinnt dem abgenutzten Genre dadurch genügend neue Seiten ab, um den Film interessant zu machen. Auch formal beachtlich.
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Filmdaten

Originaltitel
ONE FALSE MOVE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
IRS Media
Regie
Carl Franklin
Buch
Billy Bob Thornton · Tom Epperson
Kamera
James L. Carter
Musik
Peter Haycock · Derek Holt
Schnitt
Carole Kravetz
Darsteller
Bill Paxton (Dale Dixon) · Cynda Williams (Fantasia/Lila) · Billy Bob Thornton (Ray Malcolm) · Michael Beach (Pluto) · Jim Metzler (Dud Cole)
Länge
105 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Genre
Action
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs.

Verleih DVD
Columbia TriStar Home (16:9, 1.85:1, DS engl., Mono dt.)
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Diskussion
"One False Move" beginnt mit einer an die Nieren gehenden Mordsequenz. Auch hartgesottene Zuschauer halten für eine Weile den Atem an, denn diese ist keine der choreografierten Blutorgien, wie sie im Kino der letzten Jahre zur Selbstverständlichkeit geworden sind; es ist die minuziöse Beschreibung kaltblütiger Morde, eines rohen, gewissenlosen Geschäfts, bei dem Menschenleben nicht zählen. Die beiden Täter führen sie aus wie sorgsame Handwerksarbeit, um keine Zeugen dafür zu hinterlassen, daß sie sich in den Besitz eines Haufens von Kokain und Bargeld gebracht haben. Nach getaner Tat machen sie sich zusammen mit Fantasia, der farbigen Geliebten des einen, von L.A. nach Texas auf, um die Beute abzusetzen. In einer Anwandlung von Großzügigkeit haben sie Fantasia für ihre Mithilfe versprochen, einen Abstecher nach Arkansas zu unternehmen, damit sie ihre Familie wiedersehen kann.

Die Konstruktion der Story erscheint voraussehbar: Ganoven auf der Flucht, Probleme untereinander und mit der Polizei, alles verquickt mit Bestandteilen des Road Movies. Doch "One False Move" ist kein Film, der sich mit den gewohnten Genreklischees zufriedengibt. Aufmerksam macht schon, daß der Kopf hinter dem Unternehmen diesmal ein Schwarzer ist, der seinem weißen Helfershelfer intellektuell weit überlegen ist. Auch die "Gangsterbraut" beginnt rasch, individuelle Züge anzunehmen; je näher sie ihrer alten Heimat kommt, desto mehr scheint hinter ihrem zunächst uniformen Verhalten ein allgemeinverbindlicheres Schicksal auf. Vollends verläßt der Film dann den Pfad des konventionellen Gangsterfilms, wenn er als unerwartete Hauptfigur den "Polizeichef' eines kleinen Kaffs auf dem Lande exponiert, der mit angeborener Freundlichkeit jedem Fremden zunächst einmal Kaffee anbietet oder ihn in den abgetakelten Coffee Shop des Nestes zu einem nahrhaften Bratkartoffel-Frühstück einlädt. Das Arkansas von "One False Move" ist David-Lynch-Country - oder zumindest nicht allzu weit davon entfernt. Hier ringt man noch die Gesetzesübertreter mit eigener Körperkraft nieder und träumt von einem Job in L.A., ohne sich von dessen drastischer Wirklichkeit eine Vorstellung machen zu können.

Die beiden Polizisten aus der Stadt, die durch ein am Tatort gefundenes Video einen Anhaltspunkt für das Ziel der Gangster bekommen haben, eilen dem Fluchttrip sozusagen voraus ins ländliche Arkansas, wo sie des örtlichen Kollegen Hilfe suchen, ihn aber natürlich nicht ganz für voll nehmen. Dennoch ist es Dale, der lokale Polizeichef, der die Dinge in die Hand nimmt. Seiner Familie noch einmal versichernd, wie gern er sie hat, bricht er zum Alleingang auf wie weiland der Sheriff im unzivilisierten Prärienest.

Regisseur Carl Franklin, der nicht vor langem am American Film Institute graduierte und an drei Filmen aus der Roger-Corman-Werkstatt gearbeitet hat, filtert aus der voraussehbaren Geschichte mehr als einen interessanten Charakter und gewinnt der unbeirrt ihrem dramaturgisch vorgeplanten Ende zustrebenden Handlung immer neue Elemente ab, die niemand in einem Film dieses Genres zu finden erwartet. Es ist die allmähliche Herausarbeitung zweier sehr viel komplexerer Figuren, des Polizeichefs und der Gangstergeliebten, die Raum läßt für einen Seitenblick auf die Lebensverhältnisse im amerikanischen Süden, auf historisch vorprogrammierte Schwächen und Verhaltensweisen, auf sich rituell wiederholdende Schuld des Individuums und der Gesellschaft. Franklins Film verläßt nicht den Pfad aller actionorientierten Hollywood-Filme, aber er mischt bildschöne Sonnenuntergänge, Mundharmonika spielende Schwarze und die sozialen Irritationen hinter der Fassade pittoresken Landlebens in den Gang der Ereignisse. "One False Move" entfernt sich dadurch zunehmend von der Routine; er reißt keine Barrieren nieder, aber er gewinnt einer genretypischen Konstellation genug ungewohnte Aspekte ab, um den auch handwerklich bemerkenswert dicht gemachten Film aus der Fülle der Durchschnittsware hervorzuheben. Dazu gehört auch sein "offenes" Ende, das in einer Studio-Produktion wahrscheinlich kaum denkbar gewesen wäre.
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