Menace II Society

Drama | USA 1993 | 97 Minuten

Regie: Allen Hughes

Leben und Sterben in einer gewalttätigen Jugendgang in Los Angeles. Ihre Mitglieder, die bedenkenlos kriminelles Verhalten übernehmen, zeigen nur in streng ritualisierten Verhaltensweisen noch Spuren von Menschlichkeit. Ein bedrückender Film über das Karussell der Gewalt und die Wechselwirkung von Tätern und Opfern. Furios inszeniert und atmosphärisch dicht, versucht der Film keine einfachen Erklärungen komplexer Zusammenhänge zu liefern, sondern setzt Schlaglichter auf mittlerweile typisch scheinende Lebensläufe.
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Filmdaten

Originaltitel
MENACE II SOCIETY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
New Line
Regie
Allen Hughes · Albert Hughes
Buch
Tyger Williams
Kamera
Lisa Rinzler
Musik
QD III
Schnitt
Christopher Koefoed
Darsteller
Tyrin Turner (Caine) · Larenz Tate (O-Dog) · Toshi Toda (Lebensmittelhändler) · June Kyoko Lu (Frau d. Lebensmittelhändlers) · Samuel L. Jackson (Tat Lawson)
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Genre
Drama
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Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.85:1, DS engl./dt.)
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Diskussion
Los Angeles, ein Kaufladen: Zwei schwarze Jugendliche treten ein, um sich Getränke zu holen, werden mißtrauisch beäugt, ein gereizter Wortwechsel entsteht, einer der Halberwachsenen zieht einen Revolver und erschießt das koreanische Ehepaar, mehr aus Trotz ("Dir zeig ich's") als aus Zorn. So beginnt der Film, der die Karriere des jungen Mannes Caine aus dem Ghetto erzählt - übrigens zu Beginn und am Ende aus seiner Perspektive, er kommentiert sein Leben und sein Sterben. Caine wächst bei denkwürdig verkommenen Eltern auf, wird dann von den frommen Großeltern übernommen. Er lernt zu dealen, schließlich mit dem Revolver umzugehen, denn die Knarre erzeugt einen Wahn von Wehrhaftigkeit und Überlegenheit. Allmählich paßt er sich an, wird zum fast bedenkenlosen Schläger und Kriminellen, wohl ein typischer Lebenslauf, der im frühen Tod endet. Auf eine junge Frau und ihr Kind, die ein älterer Freund hinterlassen hat, als er für immer in den Knast gewandert ist, glaubt er aufpassen zu müssen. Vermutlich liebt er die Mutter und das Kind, das nicht so werden soll wie sein Vater und er, Caine selbst. Die junge Frau will dem mörderischen Milieu entfliehen, ehrlich Geld verdienen, wenn auch wenig. Caine soll sie begleiten. Er glaubt indes, sie werde, da sie schwarz sei, nie der Verachtung entrinnen. Schließlich will er mitgehen. Als es ihm nicht mehr gleich ist, ob er lebt oder stirbt, wird er von einer Kugel getroffen und bricht blutüberströmt zusammen.

Wären sie unter anderen Umständen lieber gut anstatt so roh? Dies anzunehmen liegt nahe. Doch der Film beläßt es bei ziemlich rhetorisch klingenden Schuldentlastungen. Einmal sieht man zwei weiße Polizisten zwei schwarze Jugendliche ohne Anlaß verprügeln. Doch im übrigen konzentriert sich der Film so sehr auf Caine und seine Bande, daß andere Lebensstile - die der Großeltern, der jungen Frau - nur am Rande ins Blickfeld geraten. Man wird Zeuge eines kaum vorstellbaren, aber wahrscheinlich realitätsgetreuen Kreislaufs von Gewalttat und schnellem Mord. Bevor gefragt, erklärt, besänftigt werden kann, schlagen sie zu oder drücken ab, als gäbe es keine anderen Regeln, Konflikte zu lösen, und nur den erbitterten Kampf um die glänzenderen Radkappen an den Breitreifen und das "schärfere" Auto. Eine Restmoral gibt es: Frauen müssen beschützt werden, wenn sie dem eigenen Clan zugehören, Schwestern werden eifernd verteidigt, tote Freunde gerächt mit noch mehr Toten usw. Die Helden sind nicht nur Schwarze, sie sind vor allem junge Männer voller Angriffslust, ungezähmt, rücksichtslos, ohne Zukunftsaussichten, daher skrupellos und betont cool, nur schrill, wenn sie etwas haben wollen, möglichst sofort. Ihre Gruppenkämpfe, ihre Statussymbole sind Riten und Zeichen von Männerbünden, Gangs und Gangstergesellschaft. Das Modell "West-side-Story", nur in radikalerer Form, trauriger, bitterer. Für Liebe ist kaum mehr Platz gelassen: eine Szene, während drunten die anderen sich betrinken und herumtoben. Aufgewachsen sind sie in einem Staat, in dem gerade wieder zum Thema wird, ob Waffen für jedermann wirklich unverzichtbar zu den Bedingungen eines "freien Landes" gehören.

Der Film sieht Unterschiede zwischen den Personen. Die Hauptfigur könnte vielleicht noch zu retten sein. Der hübsche Freund mit den Rasta-Locken überlebt alle, obwohl er doch ein fühllos-fröhlicher Killer ist, minderjährig, ohne Eltern, der "Albtraum Amerikas", wie es heißt. Ein dritter ist Moslem, der Glaube scheint ihm Halt zu geben, auch Würde und Disziplin. Er wird am Ende erschossen, weil er zufallig daneben steht, zur Gruppe rechnet, an der andere ihre Wut auslassen. Die Opfer sind in der Mehrheit ihresgleichen, äußerlich kaum unterschieden, schwarze Jugendliche aus der Nachbarschaft. Sie sind eine Bedrohung - um auf den Titel anzuspielen - für alle, die das Unglück haben, ihren Weg zu kreuzen, besonders für sich selbst. Sie fressen sich gegenseitig auf. Ein Schicksalsmuster, das sicherlich durch die Vorurteile der weißen amerikanischen Gesellschaft mit verantwortet, doch auch von eigener selbstzerstörerischer Dynamik geprägt ist. Alle Auswege scheinen verrannt zu sein, die fast irrsinnig und unangemessen gewaltsam Handelnden unerreichbar für jede Einsicht, jeden Rat, jede Hilfe.

Die 21jährige Regisseure, Zwillingsbrüder, inszenieren, nach dem Drehbuch eines 23jährigen, ihren ersten langen Spielfilm so gelassen, sicher im Rhythmus, atmosphärisch (an Originalschauplätzen gedreht), modellieren ihre Personen so genau in Gestus und Bewegung, daß man es kaum glauben will. Unterstützt werden sie von Lisa Rinzler an der Kamera, besonders, wenn es gilt, das Grauen und den Thrill der ungehemmten Angriffslust zu veranschaulichen. Vielleicht sind sie allesamt ein bißchen fasziniert von der so schnell funktionierenden Mechanik des Bösen - aber nicht zu sehr. Sie erzählen, dramaturgisch präzise kalkuliert, die Tragödie eines Helden, der nicht davonkommt. Ein schockierend ungemütlicher Film über das mit rasendem Tempo umlaufende Karussell eines Lebens, das Kinder in Täter und schließlich in Opfer verwandelt und wegschleudert.
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