Drama | Griechenland/Deutschland/Schweiz 1992 | 87 Minuten

Regie: Angeliki Antoniou

Ein deutscher Fotograf kommt im Winter auf eine kleine griechische Insel in der Ägäis. Sein Aufenthalt in dem langsam zerfallenden Dorf mündet in eine Katastrophe, als sich eine junge Frau, vergewaltigt und erniedrigt vom eigenen Vater, das Leben nimmt. Erstlingsfilm um die Tragödie verschüchterter, defensiver, stumm bleibender Frauen in einer archaischen Welt. Schleppend und manchmal etwas sprunghaft erzählt, überzeugt und berührt er durch die unprätentiöse Kamera, vor allem aber durch die intensiven darstellerischen Leistungen. (teilweise O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Griechenland/Deutschland/Schweiz
Produktionsjahr
1992
Produktionsfirma
Von Vietinghoff Filmprod./Kyros/Flash/Greek Film Center/WDR
Regie
Angeliki Antoniou
Buch
Angeliki Antoniou
Kamera
Pio Corradi
Musik
Nicos Kypourgos
Schnitt
Giannis Tsitsopoulos
Darsteller
Christina Papamichou (Eleni) · André Hennicke (Stefan) · Eva Kotamanidou (Elenis Mutter) · Dimitris Poulikakos (Wirt) · Gerassimos Skiadaressis (Stummer)
Länge
87 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Diskussion
Eine kleine griechische Insel im Winter. Ein deutscher Fotograf verläßt das wöchentlich aufkreuzende Schiff und bleibt im Dorf. Der Wirt der Taverne war 20 Jahre in Stuttgart und zeigt ihm die vielen zerfallenen Häuser, die Bewohner sind gestorben oder fortgegangen. Ein Mädchen, offenbar ohne Vater aufgewachsen, streicht neugierig um ihn herum, ein stummer Schafhirt, ein Ausgestoßener, weil er als Bastard geboren worden ist, erregen seine Aufmerksamkeit, noch mehr Eleni, eine junge Frau, Tochter eines verhältnismäßig reichen Mannes - der sie vergewaltigt. Von einer Wahrsagerin läßt sie in ihrer Not abtreiben. Annäherungen an den Fremden fallen schüchtern aus, ein einziges Mal so wild, daß der kühle Blonde aus dem Norden sie etwas fassungslos zurückstößt. Vielleicht ist es Liebe, vielleicht Verzweiflung über die schier ausweglose Lage, vielleicht auch Hoffnung auf Rettung, die sie antreiben. Als die kaum Genesene wieder vom Vater mißbraucht wird, hängt sie sich auf. Der Vater will die Schuld auf den Fremden schieben, da drängt ihn die Mutter, die die Wahrheit kennt und durch den Schmerz mutig geworden ist, vom Hof. Der Fotograf, selbst vom Wirt abgelehnt, wird vom Stummen gerettet, er fährt den Fremden auf einem kleinen Boot von der Insel weg.

Fremd bleibt der Fotograf für die Dörfler und die Dörfler für den Fotografen. Ihm müssen die Regeln der Insel als grimmig und unerbittlich vorkommen, soweit er sie überhaupt bemerkt. Was mit Eleni geschah, begreift er bis zum Schluß nicht. Der Vater übt auf seine Tochter einen Albdruck aus, von dieser Gesellschaft in seinem Recht bestätigt. Die Frauen sind - mit wenigen Ausnahmen - defensiv, verschüchtert, stumm. Der Film erzählt von der Tragödie der unfreien Tochter, der domestizierten Frauen, von ihrer Angst, ausgestoßen zu werden. Schwach nur entwickelt sich die Bereitschaft, sich zu wehren oder zu fliehen.

"Donusa" ist der erste lange Spielfilm von Angeliki Antoniou, die etliche Jahre in Deutschland verbracht und das Sujet in der Berliner Drehbuchwerkstatt entwickelt hat. Der Film wird ein wenig stockend erzählt, manchmal umständlich verknüpfen sich die Handlungsstränge. Der Fotograf zieht sich ein Hemd an, in der Taverne wird eine Hochzeit gefeiert, der Fotograf kommt den Weg entlang, irgendwann tritt er in die Taverne ein: er hat sich also für das Fest feingemacht. Der Fotograf betrinkt sich nach dem Selbstmord von Eleni, weil sie ihn doch stark beschäftigt hat. Dies soll erklären, weshalb er einige Szenen weiter heftig und ungestüm den Wirt anfällt, um endlich zu erfahren, was eigentlich im verborgenen geschehen sei. Ist es ein Prinzip, so zu montieren, weil der Regisseurin eine schnellere, vielleicht auch glattere Erzählweise nicht geeignet schien? Gelegentlich finden sich auch altmodische Elemente -z. B. die Symbolik des wildanbrausenden Meeres, korrespondierend zur Abtreibungsszene. Immer wieder hat man den Eindruck, daß ein älteres Stilmodell vorgeschwebt haben mag. Vielleicht entspricht es ihrer Absicht, die Handlung aus unmittelbaren Zeitbezügen herauszukippen, auch um den tragischen Konflikt zu vertiefen. Die Kamera Pio Corradis meidet künstliche Aufhellungen, wo immer es geht, akzeptiert dunkle Flächen und dunkle Räume, nur durchstochen von kargen Lichtquellen. Die rauhe winterliche Landschaft, das einsame Dorf, die verdrängte Wildheit der Männer und Frauen prägen die Atmosphäre. Die Kamera versucht weder ungewöhnlich elegant noch virtuos zu sein. Mit Sorgfalt und Aufmerksamkeit schwenkt und fährt sie die Gegend, die Straßen, die Personen in der Taverne ab, sie nimmt keinen überlegenen Standpunkt ein, keine freischweifende Bewegung will sie sich gestatten.

Intensität gewinnt der Film vor allem durch die Darsteller. Christina Papamichou ist eine wirkliche Entdeckung. Die junge Schauspielerin hat ein schönes, nicht klischeehaftes Gesicht mit ausdrucksvollen Augen, unter denen sich, dem tragischen Verlauf der Dinge entsprechend, dunkle Schatten bilden können, einen fast schmalen Mund, gleichsam zusammengepreßt durch den Zwang zum Schweigen und die Unterdrückung der Gefühle, die schwarzen Haare manchmal wie ein Vorhang vor dem Gesicht, der Gang völlig uneitel und schleunig, denn sie hat nicht gelernt, Gefallen zu erregen. Sie weiß sich schon ausgestoßen, durch die Übergriffe des Vaters, und redet nur noch einsilbig, wenn überhaupt. Eine spannend langsam sich entwickelnde Fast-Liebesszene mit dem Fremden zeigt, wie heftig sie sein kann, wenn einige der auferlegten Lizenzgrenzen von ihr überschritten werden. Verzweifelt um sich schlagend oder mit dem Ausdruck des grauenhaften Entsetzens wehrt sie sich, vergeblich, gegen den sie überwältigenden Padre Padrone. Sie darf, mehr als alle anderen, starke Emotionen ausdrücken - und das gelingt ihr mit solcher Kraft und Genauigkeit, daß man den Blick nicht von ihr abwenden mag. Der Fotograf dagegen bleibt merkwürdig spröde, befangen bis zum Ende. Der Wirt strahlt Wärme aus, anfangs mehr Gemütlichkeit, als er es danach mit seiner Position zwischen den Einheimischen und dem Fremden riskieren darf. Der Stumme bewahrt mißtrauische Unabhängigkeit, nur in subtilen Zeichen läßt er erkennen, daß die vom Fremden gesuchte Annäherung von ihm positiv beantwortet wird. Auch alle anderen wichtigeren Rollen werden sehr ernsthaft gespielt, oft leise, oft ohne Sprache - es kommt ein dokumentarischer Effekt zustande, denn man glaubt, wirklich Einheimische vor sich zu haben (natürlich gesehen aus der fremden deutschen Perspektive).

Die Fähigkeit der Regisseurin, zumal mit der Konstellation von zwei Schauspielern oder Schauspielerinnen umzugehen, eine Szene autzubauen, den Ausdruck gleichsam minimalistisch zu transportieren und zu präzisieren, ist sehr bemerkenswert. Wenn Gruppen vor der Kamera zu arrangieren sind, stellen sich bisweilen kleine Unbeholfenheiten ein. Im ganzen ist dies ein eindrucksvoller Erstlingsfilm, mit einer schweren, aber sehr berührenden Geschichte, vorzüglich geführten Darstellern, einer unprätentiösen Kamera, in der Erzählweise manchmal etwas schleppend oder auch sprunghaft. Die einzelnen Szenen für sich haben eher das deutliche und überzeugende Tempo, das Zuschauer zwingt, sich rückhaltlos auf die Figuren, ihre Konflikte, ihre Erscheinung einzulassen.
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