Nightwatch - Nachtwache

Horror | Dänemark 1994 | 107 Minuten

Regie: Ole Bornedal

Ein junger Mann, der sein Jura-Studium als Nachtwächter in der gerichtsmedizinischen Abteilung eines Krankenhauses finanziert, gerät, auch provoziert durch die kindischen Streiche seines besten Freundes, in den Verdacht, ein Serienmörder zu sein. Stimmungsvoll und stilsicher inszenierter Horrorfilm mit einem albtraumhaften Showdown, der seine Spannung weniger aus vordergründigen Schockeffekten als aus der Entwicklung der Charaktere und ihrem Verhalten aufbaut. Für Freunde des Genres. - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
NATTEVAGTEN
Produktionsland
Dänemark
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
Thura
Regie
Ole Bornedal
Buch
Ole Bornedal
Kamera
Dan Laustsen
Musik
Joakim Holbek
Schnitt
Camilla Skousen
Darsteller
Nikolaj Coster-Waldau (Martin) · Sofie Gråbøl (Kalinka) · Kim Bodnia (Jens) · Ulf Pilgaard (Inspektor Wormer) · Rikke Louise Andersson (Joyce)
Länge
107 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Horror | Thriller
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
Alligator DVD (1.85:1, DD5.1 dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Ole Bornedal inszenierte mit seinem Leinwanddebüt "Nightwatch" einen Genrefilm par excellence: "Nightwatch" avancierte 1994 in Dänemark zum erfolgreichsten Film des Jahres. Über ein Zehntel des Fünfmillionenvolkes sah bisher diesen Thriller, der sich vor thematisch ähnlichen amerikanschen Großproduktionen nicht zu verstecken braucht. "Nightwatch" zeigt wieder einmal, daß man auch mit einem verhältnismäßig geringen Budget (2,3 Millionen DM) und unbekannten Schauspielern einen publikumswirksamen Film drehen kann.

Der 24jährige Martin übernimmt zur Finanzierung seines Jura-Studiums den Nachtwächterjob in der gerichtsmedizinischen Abteilung eines Krankenhauses. Sein Vorgänger, ein alter Mann, macht mit ihm den ersten Rundgang, vorbei an sezierten, in Formaldehyd schwimmenden Leichen und den frisch aufgebahrten Toten. Und er erzählt ihm von einem anderen Nachtwächter, den man wegen Nekrophilie entlassen habe. Seine Freizeit verbringt Martin meist mit seinem sarkastischen Studienkollegen Jens, der, obwohl er genau wie Martin in einer festen Beziehung lebt, ständig auf der Suche nach dem "Kick" des Lebens ist. Die Vorstellung, ein Leben wie seine Eltern führen zu müssen, läßt ihn davor zurückschrecken, seine Geliebte Lotta, eine angehende Pastorin, zu heiraten. So überredet er Martin zu einer merkwürdigen Mutprobe: gegenseitig sollen sie sich in Grenzsituationen manövrieren. Und wer als erster kneift, muß seine Partnerin heiraten. Das makrabre Spiel beschert zuerst Jens eine blaue Lippe durch einen Schlägertypen, der ihre Geliebten "angemacht" hatte. Dann konfrontiert Jens Martin, der seiner Kalinka noch nie untreu geworden war, mit der drogenabhängigen Prostituierten Joyce, die ihm bei einem Restaurantbesuch ungeniert "an die Wäsche" geht. Martin fordert daraufhin Jens auf, bei Lottas erster Amtshandlung als Pastorin das Abendmahl zu erbrechen. Aus den perfiden Spielen wird aber bald blutiger Ernst, als eine Freundin von Joyce von einem schon lange sein Unwesen treibenden Serienkiller umgebracht und Martin in der Totenhalle mit der bestialisch zugerichteten Leiche konfrontiert wird. Als die Tote in der nächsten Nacht geschändet wird, gerät Martin unter Tatverdacht, zumal ihn auch Joyce gegenüber Kalinka des Mordes bezichtigt. Nur Inspektor Wormer glaubt an seine Unschuld und sieht ihn als Opfer einer geschickt eingefädelten Intrige. Als Kalinka kurz darauf Joyce ermordet vorfindet, kann sie gerade noch vor dem noch anwesenden, aber unerkannt bleibenden Mörder fliehen, der die Leiche mit auf Martin hindeutenden Indizien präpariert. Während Inspektor Wormer in den Medien schon von dem Verdacht gegenüber einem Jura-Studenten spricht, entdeckt Martin in den Krankenhausakten den Namen des damals entlassenen nekrophilen Nachtwächters. Aber ehe er reagieren kann, steht der Serienkiller schon hinter ihm, und es beginnt ein albtraumhaftes Showdown um Leben und Tod, in das auch noch die mittlerweile von Martins Unschuld überzeugten Kalinka und Jens mithineingezogen werden.

Die Atmosphäre einer gerichtsmedizinischen Abteilung hat an sich schon etwas Unheimliches. So braucht die Inszenierung nur ein paar lange Kamerafahrten durch die unterirdischen Korridore - unterlegt von einer an Bernard Herrmanns "nervige" Streicherklänge in "Psyche" erinnernden Musik -, um den Zuschauer hineinzuziehen in einen ungemein Angst-einflößenden Spannungsbogen, der den ganzen Film durchzieht. Bornedal hat viel von seinen Vorbildern Hitchcock und Polanski gelernt, und doch wirkt sein Film nie wie ein Plagiat, weil er es versteht, die Genremuster zu durchbrechen. Dabei foppt er vor allem den Zuschauer: deutlich wird darauf hingewiesen, daß die Tür zur Leichenhalle von innen nicht zu öffnen ist, und jedesmal, wenn die Hauptfigur den Saal betritt, wartet man auf das Zufallen der Tür. Und als Martin eines Nachts die Ermordetet außerhalb der Halle entdeckt, läßt die Inszenierung im unklaren, ob das eine Halluzination Martins oder ein böser Streich von Jens bzw. dem Serienkiller war. Geschickt spielt Bornedal auch mit der Psychologie der Figuren: der gerade und um Harmonie bemühte Martin, der lieber heute als morgen seine Kalinka vor den Traualtar führen möchte, läßt sich auf den mephistohaften Jens in einer Mischung aus freundschaftlicher Zuneigung und gleichzeitigem Abgestoßensein ein. Er ist es dann aber auch, der in einer der eindringlichsten Szenen, in der Jens Joyce zu erniedrigendem Verhalten zwingt, dem unmenschlichen Spiel ein Ende macht. Diese Szene beeindruckt mehr als all die letztlich dezent bebilderten Horroreffekte. Bornedal verläßt sich auch nicht auf die einfache Methode überraschender Schnitte, sondern läßt das Grauen eher langsam auf den Zuschauer zukriechen. Und immer steht die Entwicklung der Spannung in Zusammenhang mit den Handlungen der Figuren, so daß der Zuschauer sich in die Situation heineinversetzen kann. Daß die Scherze genau dem makabren Ambiente des Films entsprechen, ist letztlich nur logisch. Ole Bornedals Inszenierung wirkt dadurch wie aus einem Guß. Zu seiner Stilsicherheit kommt noch das erfrischende Spiel der meist filmunerfahrenen Darsteller, die er mit straffer Hand an jedem Outrieren vorbeiführt. "Nightwatch" ist von solch einer Intensität, daß man sogar glaubt, den Formaldehyd-Gestank der Leichenräume riechen zu können.
Kommentar verfassen

Kommentieren