Nur über meine Leiche

Komödie | Deutschland 1995 | 104 Minuten

Regie: Rainer Matsutani

Ein zynisch-rücksichtsloser Frauenheld stirbt, erhält aber die Chance, ins Leben zurückzukehren, wenn es ihm innerhalb von drei Tagen gelingt, drei Frauen zu retten, denen er den Glauben an die Liebe genommen hat. Eine überdrehte schwarze Komödie mit einem überbordenden Maß an ineinandergeflochtenen Handlungsfäden, skurril und makaber, ausgelassen und albern, dabei stets bemerkenswert einfallsreich. Dem Aufwand an Ausstattung und technischen Effekten stehen hervorragende schauspielerische Leistungen gegenüber, die das groteske Spiel auffangen. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Engram Pictures/TiMe/Arnold & Richter Cine Technik/BR
Regie
Rainer Matsutani
Buch
Rainer Matsutani · Sebastian Niemann
Kamera
Gerhard Schirlo
Musik
Nikos Platyrachos
Schnitt
Hana Müllner
Darsteller
Katja Riemann (Rita) · Christoph M. Ohrt (Fred) · Ulrike Folkerts (Charlotte) · Julia Brendler (Lisa) · Felix Eitner (Frosch)
Länge
104 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f (DVD 16)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie
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Heimkino

Verleih DVD
United Video (FF, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Man glaubt es eigentlich erst, wenn man es mit eigenen Augen gesehen hat: ein Film aus Deutschland, der keine Literaturverfilmung ist, keine "Beziehungskiste" behandelt, keinen "bewegten Mann" ins Zentrum rückt, keine hirnlosen Blödeleien zwischen Manta und Helge Schneider kopiert - und der dennoch einen ausgeflippten Unterhaltungsspaß bietet. "Nur über meine Leiche" paßt hierzulande (noch) in keine Kategorie und bedient sich dennoch sehr vieler Schubladen, die man aber eben nicht aus hiesigen, sondern eher schon aus amerikanischen Vorbildern kennt: Versatzstücke eines Romantik-Märchens mischen sich mit Elementen einer rabenschwarzen bis makabren Sitcom-Komödie, wild überzogene Aktionen reiben sich an der Romanze einer Liebesgeschichte. "Terminator" meets "Ghost" könnte man sagen, aber das trifft es doch wieder nur bedingt: Nach Rainer Matsutanis Film wird sich der deutsche Unterhaltungsfilm neu definieren müssen.

Im Mittelpunkt steht ein unsympathischer Frauenheld, ein rücksichtsloser, fieser Chauvi: Fred hat schon so manches Frauenherz gebrochen, worauf er auch noch stolz ist. In der von seiner Frau Charlotte geleiteten Agentur für Partnervermittlungen dokumentiert er per Video die Ehewilligen und rekrutiert aus der weiblichen Kundschaft seine "Beute". Charlotte kommt ihm auf die Schliche und weist ihm obendrein Betrügereien mit Kreditkarten nach. Da man aber nicht nur ehelich, sondern auch geschäftlich verbunden ist, kann Charlotte "ihren" Fred nur auf illegalem Wege loswerden: sie engagiert einen Killer. Der aber zielt daneben, und Fred torkelt benommen auf das einsame Waldhaus zu, das das Ziel seiner Dienstreise war. Hier wohnt allein und zurückgezogen Rita Hauser, ein junges "Mauerblümchen" und "Ladenhüter" in Charlottes Agentur, dadurch aber zugleich eine gute Kundin, die immer wieder umworben und für neue Verträge gewonnen werden muß. Fred landet benommen in Ritas Kohlenkeller - und wird von einer neu gelieferten Landung Briketts erschlagen. Er erwacht auf einem seltsamen Floß, und ein gruseliger Geselle stellt sich als Fährmann des Todes vor und erklärt Fred, daß er am Ende des Weges angekommen sei. Wenn aber Fred eines beherrscht, dann die hohe Kunst der Überredung, und so handelt er dem Fährmann einen Kompromiß ab: für drei Tage darf er zurückkehren, um drei Frauen zu retten, denen er den Glauben an die Liebe genommen hat.

Man kann sich vieles von dem, was kommt, vorstellen, und doch kommt es immer wieder auch ganz anders. Fred als lebender Toter ohne Blutdruck und Körpertemperatur beginnt den Wettlauf gegen die Zeit, wird begleitet und unterstützt nicht nur von Rita, sondern auch von seiner Mutter - die längst tot ist und in Gestalt eines gerupften Truthahns auf die Erde zurückkehrt. Fred schockt so manchen mit seiner "Fähigkeit", nicht mehr sterben zu können, rettet seine stumme Tochter Lisa aus der Gewalt von Zuhältern, wird verfolgt und behindert von Charlotte, die längst mehr ist als "nur" eine Mörderin, nämlich eine durchgedrehte Killermaschine, die sich rücksichtslos den Weg freikämpft. Running Gags strukturieren die Ereignisse mehr als eine innere Logik: eine Agentur-Angestellte wird Opfer zahlloser (Slapstick-)Unfälle, zwei Krankenwagenfahrer werden durch die Begegnungen mit Fred zu Nervenbündeln. Gelegentlich ächzt und knackt es arg in der Konstruktion, einiges erweist sich darin als dramaturgische Sackgasse, manches als zu "abgefahren" und einen Kick zu albern. Aber: wundersamerweise trägt das Konzept, mit Staunen und Vergnügen folgt man dem Geschehen bis zum Ende.

Das ist gewiß dem überbordenden Einfallsreichtum der Autoren, wohl auch der Ausstattung und den technisch bemerkenswerten Effekten zu verdanken. Vor allem aber ist es das Verdienst der hervorragenden Schauspieler, die alle Verrücktheiten mitmachen und mit ihrer Lust am überdrehten Spiel die Fäden zusammenhalten. Ulrike Folkerts spielt Charlotte mit starker physischer Präsenz und Gespür für das richtige Maß an grotesker Übertreibung, Christoph M. Ohrt kalauert sich flapsig-frech durchs geliehene Leben, wobei freilich sein Wandel zum liebenden Mann (zwangsläufig) etwas zu kurz kommt. Gegenüber solchen mit kräftigen Strichen konturierten Typen behauptet sich auf wunderbare Weise Katja Riemann als Rita mit skurril-leisen, auch sehr zarten und traurigen Tönen. Als permanentes Opfer aller Bösartigkeiten und zynischen Spötteleien setzt sie sich mit stiller Würde durch und haucht dem abgehobenen Genre-Mix das entscheidende Maß an Menschlichkeit ein.
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