Die letzte Kriegerin

Drama | Neuseeland 1994 | 102 Minuten

Regie: Lee Tamahori

Wegen Arbeitslosigkeit und Alkoholmißbrauch des gewalttätigen Ehemannes bricht eine von den Maori-Ureinwohnern Neuseelands abstammende kinderreiche Familie auseinander. In der Krise erinnert sich die Frau ihrer kulturellen Wurzeln und verläßt ihren Mann, um zu ihrem Stamm zurückzukehren. Eine bestürzend realistische, packend inszenierte und vor allem in der weiblichen Hauptrolle überzeugend gespielte Familientragödie. Der Film sucht die Ursachen für die Katastrophe auch in den gesellschaftlichen Verhältnissen und kritisiert die Verdrängung der einheimischen Kultur durch die (Un-)Sitten der Weißen. (Preis der OCIC in Montreal 1994) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ONCE WERE WARRIORS
Produktionsland
Neuseeland
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
Communicado/New Zealand Film Commission/Avalon/New Zealand On Air
Regie
Lee Tamahori
Buch
Riwia Brown
Kamera
Stuart Dryburgh
Musik
Murray Grindlay · Murray McNabb
Schnitt
Michael Horton
Darsteller
Rena Owen (Beth Heke) · Temuera Morrison (Jake) · Mamaengaroa Kerr Bell (Grace) · Julian Arahanga (Nig) · Taungaroa Emile (Marc "Boogie")
Länge
102 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Lediglich die Edition von Senator enthält einen Audiokommentar des Regisseurs.

Verleih DVD
UFA & Kinowelt (16:9, 1.85:1, DD5.1 dt.), Senator (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Neuseeland - ein immergrünes Paradies? Eine Kamerabewegung genügt Lee Tamahori, um mit dieser Illusion aufzuräumen. Die idyllische Perspektive, mit der sein Film beginnt, entstammt einem Werbeplakat für Touristen, das den Blick auf die Wirklichkeit nur für einen Moment verstellen kann. Dahinter kommt die triste Vorstadt einer modernen Metropole zum Vorschein, in der Beth und Jake Heke, Nachfahren der Maori-Ureinwohner der Insel, mit ihren fünf Kindern leben. Hier herrschen Armut und Arbeitslosigkeit, was nicht nur schlimme Folgen für die Haushaltskasse hat, sondern auch für das Selbstwertgefühl des Familienvaters. Von der - von Weißen dominierten - Gesellschaft nicht gebraucht zu werden, das verletzt den Stolz des hünenhaften Jake, und so hängt der zur Untätigkeit Verurteilte mit seinen Kumpeln frustriert in Kneipen herum. Der ständige Umgang mit den anderen Sauf- und Raufbolden verleitet den jähzornigen, ohnehin zur Gewalttätigkeit neigenden Mann auch bei Frau und Kindern immer häufiger zu handgreiflichen "Argumenten". Beth versucht, sich und die Kinder zu schützen, doch aus Liebe zu Jake und aus Angst vor neuen Schlägen schreckt sie vor der nötigen Konsequenz zurück. Als ihre beiden älteren Söhne auf die schiefe Bahn geraten, will sie die Initiative ergreifen, doch wieder reagiert Jake mit der Faust. Erst als sich ein Saufkumpan ihres Mannes an ihrer 13jährigen Tochter Grace vergeht und das sensible Mädchen sich daraufhin erhängt, findet Beth die Kraft, das Ruder herumzureißen. Sie verläßt ihren Mann und kehrt mit den Kindern zu ihrer Familie aufs Land zurück, wo sie Grace nach einer alten Maori-Zeremonie bestatten läßt.

Zunächst ist Tamahoris vielfach preisgekrönter Debütfilm das eindrucksvolle - und von Rena Owen bravourös interpretierte - Porträt einer starken Frau, die nur das Beste für ihre Familie will und aus falsch verstandener Liebe zu ihrem Mann viel zu lange Schmerz, Demütigung und physische Gewalt erträgt. Aus der Hoffnung heraus, daß die äußeren Lebensumstände sich irgendwann ändern werden, und ihr Jake dann wieder "ganz der Alte" sein wird, läßt sie zu, daß ihr Mann sich mit seinen Freunden in einen verhängnisvollen Kreislauf von überholten Männlichkeitsritualen begibt. Als sie schließlich einschreiten will, kommt sie gegen die mittlerweile gewohnheitsmäßigen Trinker und Schläger nicht mehr an. Erst am tiefsten Punkt, ausgelöst durch den Selbstmord ihrer Tochter nach der Vergewaltigung, erkennt Beth, daß auch Arbeit und Wohlstand nach westlichstädtischem Vorbild den Zusammenhalt ihrer Familie nicht hätten garantieren können. Hier wird der zweite wichtige Aspekt der packend inszenierten und in ihren Gewaltszenen schockierend realistischen Familientragödie schlüssig ins Spiel gebracht: der Regisseur sucht die Ursachen für die private Katastrophe auch in den gesellschaftlichen Verhältnissen des heutigen Neuseelands und kritisiert die verbreitete Verdrängung der einheimischen Kultur durch die vornehmlich auf Konsum ausgerichtete Zivilisation der weißen Bevölkerungsmehrheit. In der persönlichen Krise erinnert sich seine Protagonistin ihrer Abstammung von den Maori, bei denen nicht materielle, sondern spirituelle Werte im Mittelpunkt des Lebens stehen, und kann aus alten Quellen noch einmal neue Hoffnung schöpfen. Die Rückbesinnung auf ihre historischen Wurzeln zeigt sich nicht nur bei den Maori-Nachfahren im Film, so z. B. an den kunstvollen Tätowierungen, die die Mitglieder der Jugendbande des ältesten Sohnes sich als Erkennungszeichen geben, und an der genau nachgestellten rituellen Bestattungszeremonie für die tote Tochter. Auch der Film selbst und seine literarische Vorlage sind unübersehbarer Ausdruck des langsam neu erwachenden Selbstbewußtseins dieser seit 200 Jahren unter den Folgen der Kolonisierung leidenden Volksgruppe.
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