Dokumentarfilm | Deutschland 1995 | 72 Minuten

Regie: Susanne Ofteringer

Ein Porträt der Schauspielerin und Sängerin Nico (Christa Päffgen). An Hand von Aussagen von Mitarbeitern und Wegbegleitern wird die Persönlichkeit einer faszinierenden Frau transparent, die trotz ihrer Präsenz in der Öffentlichkeit ein zurückgezogenes, von Todessehnsucht geprägtes Leben führte. Ein einerseits aufschlußreicher und informativer, andererseits sehr sinnlicher Dokumentarfilm, überzeugend durch Detailfülle und Recherchearbeit. Die vielfältigen gestalterischen Mittel wirken nie selbstzweckhaft und machen ihn zu einem gelungenen Zeitdokument. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
CIAK
Regie
Susanne Ofteringer
Buch
Susanne Ofteringer
Kamera
Judith Kaufmann · Katarzyna Remin · Martin Baer · Sibylle Stürmer · Susanne Ofteringer
Musik
Nico
Schnitt
Elfe Brandenburger · Guido Krajewski
Darsteller
Nico · Tina Aumont · Christian Aaron Boulogne · Edith Boulogne · Jackson Browne
Länge
72 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Dokumentarfilm

Heimkino

Verleih DVD
Salzgeber (FF; DD2.0 dt.)
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Diskussion
Sie war eine Schönheit, die die Pariser Modewelt faszinierte - bis sie die Modewelt und schließlich auch ihre Schönheit zu hassen begann. Sie ging nach New York, landete irgendwie in Andy Warhols legendärer Factory und wurde als Sängerin der Art-Rock-Formation "Velvet Underground" zum Popstar. Sie konnte nicht singen, aber ihre rauchige Stimme hatte jenes entscheidende Etwas, das einem unwillkürlich seltsame Schauer über den Rücken trieb. Nach Auflösung der Band tingelte sie solo durch die Welt, begann, eigene Lieder voller Schwermut und Düsternis zu schreiben, zu denen sie sich auf einem alten Harmonium begleitete. Nachdem sie für ihre Fans in den 80er Jahren endgültig zur rätselhaften Ikone wurde, mußte ihr Körper mehr und mehr dem jahrelangen exzessiven Heroinkonsum Tribut zollen. 1988 ereignete sich dann das so ziemlich Banalste im Leben der Frau, die sich Nico nannte: sie fiel vom Fahrrad und starb.

Susanne Ofterdinger hat das faszinierende Porträt einer faszinierenden Frau gedreht, die mit bürgerlichem Namen Christa Päffgen hieß und aus Köln kam. Eine Annäherung an eine Figur in Form einer Collage, die zunächst durch die ungeheure Materialfülle besticht. Ob es nun Kinderfotos oder französische Werbespots für Cognac oder Modeaufnahmen aus den frühen 60er Jahren sind, Ausschnitte aus Spielfilmen, in denen Nico mitwirkte (u. a. Fellinis "Dolce Vita"), Archivbilder aus Warhols Factory, Konzertmitschnitte oder Musik-Clips zu Nicos frühen Plattenaufnahmen - es scheint, als könne es gar keine (bewegten) Bilder aus dem Leben der Christa Päffgen geben, die hier nicht in irgendeiner Weise berücksichtigt wurden. (Was nicht nur eine löbliche Fleißarbeit gewesen sein dürfte, sondern wahrscheinlich auch unzählige Verhandlungen mit unzähligen Rechteinhabern an den jeweiligen Bildern erforderte.) Desweiteren hat Susanne Ofterdinger eine Vielzahl von Leuten aufgespürt, für deren Leben Nico auf die ein oder andere Art von Bedeutung war: Nicos 83jährige Tante in Berlin ebenso wie die Pop-Größen Jackson Browne, die "Velvet Underground"-Mitglieder John Cale und (den unlängst verstorbenen) Sterling Morrison. die Regisseure Paul Morrissey und Nico Papatakis (dem sie ihren Künstlernamen entlieh), die Schauspielerinnen Viva ("Superstar" aus vielen Warhol-Filmen) und (die Freundin) Tina Aumont, schließlich noch Liebhaber, Begleitmusiker und nicht zuletzt Nicos Sohn Christian Aaron Boulogne: das gemeinsame Kind von Nico und Alain Delon, zu dem sich Delon nie bekannt hat und das bei den Eltern des Schauspielers aufwuchs. Dabei gehört die Schilderung von Delons Mutter, wie der Streit um das Kind zum Bruch mit ihrem Sohn führte, zu den bewegendsten Momenten des Films.

Auffällig ist, daß die meisten der Zeitzeugen nicht nur irgendwo und irgendwann dabei waren, sondern sich auch als ebenso präzise wie kurzweilige Berichterstatter präsentieren, die ihre subjektiven Mosaiksteine zum Phänomen Nico beitragen. Wo andere Porträts ihre Bilder vielfach mit endlosen Off-Kommentaren neutralisieren, sorgt hier eine exzellente Montage dafür, daß der Film nicht zur ehrfürchtigen Heldenverehrung gerät, sondern eine differenzierte Annäherung an eine durchaus widersprüchliche Figur entsteht. Im Gegensatz zu manch anderen Dokumentationen, die anmuten, als habe sich der Autor vom Regisseur oder irgendeinem Trickkünstler in die Zauberwelt des bildtechnisch Machbaren entführen lassen, sind optische Verfremdungen, Bildteilungen oder Wort-Inserts hier überaus klug und souverän eingesetzt. So wie der Titel des Films sich nicht darin erschöpft, ein nettes Wortspiel zu sein, so sind all die technischen Mittel stets mehr als bloße Ornamentik. Natürlich ist der Film in erster Linie für 60er-Jahre-Nostalgiker und Nico-Fans. Doch auch all jene, denen der Name noch nie untergekommen ist, dürften sich bei diesem Film kaum langweilen. Und mehr kann man von einem Porträt schlechterdings nicht erwarten.
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