Komödie | Island/USA/Deutschland 1995 | 85 Minuten

Regie: Fridrik Thór Fridriksson

Ein junger japanischer Angestellter reist nach Island, um für seine dort verstorbenen Eltern die Bestattungszeremonie durchzuführen. In der Begegnung mit ungewöhnlichen Menschen, Fabelwesen und der unwirtlichen Natur wird aus ihm ein anderer Mensch. Ein Roadmovie als Initiationsgeschichte, die lakonisch, witzig und mit skurrilem Humor erzählt wird. Ein ruhiger Film, in den die Winterlandschaft als eine "Hauptdarstellerin" integriert ist. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
COLD FEVER
Produktionsland
Island/USA/Deutschland
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Icicle Films/Icelandic Film
Regie
Fridrik Thór Fridriksson
Buch
Jim Stark · Fridrik Thór Fridriksson
Kamera
Ari Kristinsson
Musik
Hilmar Poll Hilmarsson
Schnitt
Steingrímur Karlsson
Darsteller
Masatoshi Nagase (Atsushi Hirata) · Lili Taylor (Jill) · Fisher Stevens (Jack) · Gísli Halldórsson (Siggi) · Laura Hughes (Laura)
Länge
85 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie | Road Movie
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Diskussion
Zwei Lichter treiben auf dem Fluß ins offene Meer hinaus. Sake wird in die Fluten gegossen. Die Strömung spielt mit einem Blumenstrauß. Der rituellen Begräbniszeremonie ist Genüge getan, die Geister der Toten werden ihre Ruhe finden.

Die Szene spielt sich allerdings nicht im fernen Japan ab, sondern in einer schwer zugänglichen Region Islands; mit ihr endet die Initiation des jungen japanischen Angestellten Hirata, der seinen hier verstorbenen Eltern die letzte Referenz erweist.

Dabei gehört Hirata gewiß nicht zu dem Traditionalisten Japans. Eigentlich wollte er seinen einwöchigen Jahresurlaub mit Golfen auf Hawaii verbringen, doch da waren halt die toten Eltern in Island, und da war der Großvater, dargestellt von dem 73jährigen japanischen Action-Regisseur Seijun Suzuki, der ihm sanft, aber nachhaltig ins Gewissen redet. Wenig später findet sich der junge Mann im winterlichen Island wieder, frierend und über sich selbst erstaunt. Er tut sich schwer mit und auf diesem Flecken Erde und oft genug auch mit den Menschen, die ihn bewohnen. Eine Zufallsbekanntschaft murmelt was von Aura und Wesensverwandtschaft, und wenig später hat sie ihm einen 60er-Jahre-Citroen aufgeschwatzt, völlig vereist zwar, aber mit noch intakter Hydraulik. Er lernt Laura kennen, die Begräbnisse fotografiert und sammelt, zu guter Letzt kutschiert er ein amerikanisches Killerpärchen durch die Gegend, das wie er unter der Einöde leidet.

Hirata lernt aber auch die sprichwörtliche isländische Gastfreundschaft kennen - man hilft sich eben in dieser menschenleeren Gegend - und mit ihnen ihre merkwürdigen Gebräuche und Vorlieben. Zu den winterlichen Festen gehören Schafshoden und -köpfe halt ebenso dazu wie der Nationalschnaps "Black Death" und der feste Glaube an die unsichtbare Welt der Geister, Feen und Elfen, den Hirata einfach deswegen akzeptieren muß, weil eine junge Elfe ihm aus auswegloser Situation weiterhilft. Am Ende ist das Ziel, ein kleines Dorf, in der Tat erreicht, doch zum Fluß scheint kein Weg mehr zu führen; erst im Frühjahr bietet sich eine Chance. Doch da ist ja noch der menschenfreundliche Siggi, der nach dem Genuß von mehreren Flaschen "Black Death" endlich den Durchblick hat und den Japaner auf dem letzten Wegstück begleitet. Zu Pferd und zu Fuß geht es weiter, der Erfüllung der Mission entgegen.

"Road movies" sind immer irgendwie auch Initiationsgeschichten, aber so punktgenau wie der isländische Regisseur Fridrik Thór Fridriksson diese Entwicklung beschreibt, ist es wohl selten in einem Film geschehen. Kälte, Dunkelheit, Hunger, Einsamkeit und Schmerzen gehören ebenso dazu wie Visionen und Rauschzustände. Am Ende dieser Reise ins Ich ist aus dem golfbegeistertenjungen Mann ein spiritueller Mensch geworden. So ganz nebenbei und doch mit so viel Anstrengung von innen und außen.

Mit "Cold Fever" schließt Fridriksson seine Trilogie ("Children of Nature", fd 29 845; "Movie Days", fd 31 186) ab. Er tut dies in einem wohltuend lakonischen Erzählrhythmus, der kleine, scheinbar unzusammenhängende Episoden zur Geschichte zusammenfügt. Eine Geschichte, die voller Humor und absonderlicher Begebenheiten ist, die jedoch zu jeder Sekunde wahr erscheint. Nicht von ungefähr erinnert "Cold Fever" an die frühen Filme von Jim Jarmusch und Aki Kaurismäki, deren ironische Distanz zu spüren ist, ohne das Fridriksson diese Stile kopieren würde. Besonders die Nähe zu Jarmusch wird bereits durch die Mitarbeiter unterstrichen. Produzent und Co-Autor Jim Stark produzierte für Jarmusch "Down by Law", "Night on Earth" und "Mystery Train", jenen Film, bei dem Hauptdarsteller Masatoshi Nagase bereits vor der Kamera stand. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist ein kleiner entspannter Film, der trotz der schwierigen Bedingungen bei den Dreharbeiten (so konnte wegen der langen Dunkelheitsphasen nur wenige Stunden am Tag gedreht werden) eine ungeheuere Ruhe ausstrahlt.

Die Kamera bleibt meist auf Distanz, läßt den Darstellern Raum, oft schaut sie der Hauptperson nur hinterher. Das eröffnet die Möglichkeit, den eigentlichen Hauptdarsteller, die mitunter bizarre isländische Schnee- und Eislandschaft mit ihren kochendheißen Wassern und sprudelnden Geysiren einzufangen. Eine scheinbar unwirtliche, menschenfeindliche Landschaft eben, die die Menschen enger zusammenrücken läßt, und die von unsichtbaren Fabelwesen bewohnt sein muß. So fest ist der Glaube an sie, daß sogar der Straßenbau auf der Insel ihnen Tribut zollt. Schnurgerade Straßen machen auf einmal Schlenker, wenn ihrem Verlauf ein "Feenfelsen", die Heimstatt der Geister, im Wege steht. So gesehen wird man in "Cold Fever" nicht nur brillant und witzig, manchmal etwas skurril unterhalten, sondern man erfährt auch einiges über Island selbst, ohne direkt belehrt zu werden. Etwa daß einige Straßen mit dem Hinweis "Weiß irgend jemand, daß sie diesen Weg benutzen" versehen sind. Man erfährt allerdings jedoch auch einiges, was man vielleicht nicht so ganz genau wissen wollte - die Sache mit den Schafshoden etwa.
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