The Birdcage - Ein Paradies für schrille Vögel

Literaturverfilmung | USA 1995 | 119 Minuten

Regie: Mike Nichols

Neuverfilmung der Boulevardkomödie um einen homosexuellen Vater, dessen Sohn die Tochter eines konservativen Patriarchen heiraten will und der daraufhin nichts unversucht läßt, bürgerliches Familienglück vorzutäuschen. Brillante Darstellerleistungen in den Hauptrollen und eine Inszenierung, die sich sehr bewußt zu ihrer Theatralik bekennt, sorgen für kurzweilige Unterhaltung. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE BIRDCAGE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
United Artists
Regie
Mike Nichols
Buch
Elaine May
Kamera
Emmanuel Lubezki
Musik
Jonathan Tunick · Steven Goldstein
Schnitt
Arthur Schmidt
Darsteller
Robin Williams (Armand Goldman) · Gene Hackman (Senator Keeley) · Nathan Lane (Albert) · Dianne Wiest (Louise Keeley) · Dan Futterman (Val Goldman)
Länge
119 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Fox (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Einfache Ideen erweisen sich mitunter als Goldgruben: Jean Poirets Boulevard-Komödie um einen homosexuellen Vater, dessen Sohn die Tochter eines konservativen Patriarchen heiraten will und daher alles anstellt, um bürgerliches Familienglück vorzutäuschen, wurde bereits 1978 erfolgreich verfilmt. Eine Musical-Version eroberte den Broadway, und dies nun ist das amerikanische Remake des französischen Films, inszeniert von Mike Nichols, der zugleich einer der bedeutendsten Broadway-Regisseure ist. Tatsächlich ist Nichols das seltene Beispiel einer dem Vorbild überlegenen Neuverfilmung gelungen, ohne den Bezug zur Bühne aus den Augen zu verlieren. Und wie es sich für ein gutes Boulevardtheater gehört, schmücken zwei Stars in Paraderollen die Besetzungsliste.

Robin Williams spielt Armand, den Besitzer eines pompösen Travestie-Clubs, seit 20 Jahren liiert mit dem Star des Hauses, Albert. Gemeinsam haben sie Armands Sohn Val großgezogen. Das Stubenglück läßt sich auch dadurch nicht ernstlich trüben, daß Val seine Verlobung mit der Tochter des erzkonservativen republikanischen Senators Keeley bekanntgibt. In einem seltenen Ausflug ins Komödiantische zeichnet Gene Hackman in dieser Rolle das bittere Bild eines Rassisten und Patriarchen, wie man es nicht sarkastischer ersinnen könnte. Für Keeley, den seine reaktionären Ansichten wieder einmal in die Schlagzeilen gebracht haben, käme eine Flucht zu den zukünftigen "Schwiegereltern" seiner Tochter ins sonnige Miami gerade recht. Val bittet also seinen Vater, so schwer es ihm auch fallen möge, den opulent-tuntigen Stil von Wohnungseinrichtung, persönlichem Äußeren und Lebensstil vorübergehend verschwinden zu lassen - und Albert am besten gleich mit. Dieser fühlt sich natürlich tief verletzt, zumal Vals Mutter an seiner Stelle das bürgerliche Familienidyll vervollkommnen soll. Als sie im Stau steckenbleibt, tritt Albert als "zweite Besetzung" auf den Plan - und verkörpert die traditionsbewußte Hausherrin zur völligen Verzückung ihres konservativen Gastes. Natürlich gäbe es keine Verwechslungskomödie ohne die Pein der Enttarnung, doch die grotesken Verwicklungen, die am Ende auch den Senator in Frauenkleider zwingen, entziehen sich der nüchternen Beschreibung.

Poirets Stück ist eine Klamotte, wie sie im Buche steht. Doch was in der Erstverfilmung mitunter recht polternd und klischiert erschien, wirkt nun selbstironisch, frei und verspielt. Vielleicht ist es die Entwicklung, die die Kunst der Travestie in den letzten zwei Jahrzehnten zwischen Sub- und Hochkultur vollzogen hat, die den alten Muff aus den Kulissen geweht hat. Gelungen ist jedenfalls die bissige Politisierung, die die Autorin vornimmt und die Klamotte in Satire verwandelt. Keeleys Figur amerikanisiert den Stoff im besten Sinne und verleiht ihm eine zusätzliche Brisanz. Robin Williams füllt seine Rolle so liebevoll und charmant aus, daß der Gefahr einer Verballhornung Homosexueller erfolgreich entgegengetreten wird. Nichols Darstellerführung ist ebenso maßvoll wie pointiert. Die Gefahren verfilmten Theaters schrecken ihn wenig. Im Gegenteil: er begegnet ihnen so offensiv wie Williams dem Homosexuellen-Klischee: Nichols betont die Theatralik sogar noch wie einst Sascha Guitry, und die Folge ist kein Verlust kinematografischer Mittel, sondern Lust auf gutgespieltes Theater. Die wenigen Außenaufnahmen nutzt er nicht, wie bei adaptierten Dramen üblich, zur Stärkung eines filmischen Realismus. Statt dessen setzt er digitale Tricks ein, um das filmische Vokabular zu ironisieren: so entschwindet einmal zum Ende einer Dialogszene die Kamera durch das Rückfenster eines fahrenden Wagens. Hübscher läßt sich ein Bühnenstück kaum für die Leinwand adaptieren.
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