- | USA 1998 | 171 Minuten

Regie: Jonathan Demme

Eine ehemalige Sklavin lebt mit ihrer Tochter in einem einsamen Haus vor den Toren Cincinnatis. Acht Jahre nach Ende des amerikanischen Bürgerkriegs tritt ein Mann in ihr Leben, der auf derselben Plantage wie die Mutter als Sklave gearbeitet hat. Obwohl das Haus durch Gräueltaten der Vergangenheit - auch solcher, die die Mutter begangen hat - verflucht zu sein scheint, beharrt sie auf ihrer neuen Heimat. Als ein mysteriöses Mädchen namens "Menschenkind" auftaucht, lässt sich die düstere Vergangenheit nicht weiter verdrängen. Die Verfilmung des Romans von Toni Morrison zeigt in fantastischen und poetischen Bildern die seelischen und körperlichen Verwundungen der Opfer der Sklaverei. In seinem virtuosen Umgang mit Gegenwartshandlung und Rückblenden, die die Erinnerung der Hauptfiguren illustrieren, trifft der Film den subtilen Ton der Vorlage und verdichtet sie zu einer spannenden Kinohandlung. Dabei läuft nichts chronologisch ab, vielmehr ähnelt der Film in seinen Erinnerungsfetzen und unverarbeiteten Bruchstücken der Vergangenheit einem Albtraum mit manchmal erschreckenden, aber auch ikonenhaften Bildern. - Sehenswert.
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Filmdaten

Originaltitel
BELOVED
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1998
Produktionsfirma
Touchstone Pictures
Regie
Jonathan Demme
Buch
Akosua Busia · Richard LaGravenese · Adam Brooks
Kamera
Tak Fujimoto
Musik
Rachel Portman
Schnitt
Carol Littleton · Andy Keir
Darsteller
Oprah Winfrey (Sethe) · Danny Glover (Paul D) · Thandie Newton (Menschenkind) · Kimberly Elise (Denver) · Beah Richards (Baby Suggs)
Länge
171 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Buena Vista (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Die Zeit der Sklaverei in den USA ist zuende, doch sie liegt erst wenige Jahre zurück. Die ehemalige Sklavin Sethe lebt mit ihrer Tochter Denver in einem einsamen Holzhaus vor den Toren Cincinnatis. Beide verlassen ihr Heim so gut wie nie. Eines Tages steht Paul D. vor der Tür und tritt damit ein zweites Mal in Sethes Leben. Auch er hatte auf der Plantage „Sweet Home“ gelebt, auch er war geflohen und seither unentwegt herumgezogen. Jetzt wird er von Sethe umsorgt, während Denver den Gast als störend empfindet. Anstatt eine Art Familie gedeihen zu sehen, will Denver den entlegenen Ort endlich verlassen. Doch für Sethe ist dieses Leben der einzige Halt nach Jahren des Gefangenseins, der Erniedrigung und Furcht. Kaum daß Paul D. aber das Haus betreten hat, begegnet ihm das dunkle Wesen von Sethes Vergangenheit: in Gestalt einer Geistererscheinung, die das Haus beherrscht und die Toten vergegenwärtigt. Sethe, das erkennt er zunehmend, ist in ihrer Seele gebrochen, denn sie ließ sich zu Taten verleiten, die sie sich niemals verziehen hat und die der Hausgeist ihr nun als Spiegel vorhält. Schließlich taucht ebenso unvermittelt wie Paul D. ein verstörtes Mädchen auf, das sich „Menschenkind“ nennt und nur schwer artikulieren kann, aber bärenstark ist und über ein Wissen aus der Vergangenheit verfügt, das sie enger mit Sethe verbindet, als dieser lieb ist.

Jonathan Demme hat hier einen Roman verfilmt, der sich auf ebenso bewegende wie eigenwillige Weise mit seelischen Verwundungen auseinandersetzt, die aus der Sklaverei resultieren. Die US-Schriftstellerin Toni Morrison hatte sich von einer wahren Geschichte inspirieren lassen und ist für „Menschenkind“ mit dem Pulitzerpreis und wenige Jahre später für ihr Gesamtwerk mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. Daß Demmes Film nicht einmal eine Oscar-Nominierung erhalten würde, war schon daran abzusehen, daß ihn das amerikanische Publikum verschmähte – für viele wohl ein zu ambitioniertes Werk, zu düster, mystisch und unbequem. Dabei handelt es sich um eine der fesselndsten und wahrhaftigsten Literaturverfilmungen des Hollywoodkinos der letzten Jahre. Demme und seinem Autoren-Trio gelang es, aus Morrisons komplexem Gefüge von Gegenwartshandlung und Rückblenden, Erinnerungen, Assoziationen und Andeutungen eine kinotaugliche, spannende Dramaturgie zu destillieren, die sich behutsam den seelischen Abgründen seiner Hauptfigur nähert.

Schon der Moment am Anfang, als Paul D. das Haus betritt, nachdem zwischen ihm und Sethe die jahrelang vergrabene Hoffnung auf ein wenig Zuneigung wieder aufgeflackert ist, und ihm der Fluch der Vergangenheit als schemenhafte Erscheinung des Todes begegnet, vermittelt ein beklemmendes Bild vom Grauen, das in den Seelen der Opfer weiterlebt. Schockierend sind bei Morrison wie bei Demme nicht die Untaten an sich. Es sind vielmehr die über Jahre gereiften Verarbeitungsmechanismen der Opfer, die das Ausmaß des Schreckens weitaus deutlicher zeigen: eine aus ganz eigenen Symbolen entwickelte Weltsicht, in der unzureichend gesühnte Schuld wie ein baufälliges Haus Schutz und Bedrohung zugleich darstellt, in der die zahllosen Narben der Peitsche zum Geäst eines Kirschbaums werden, in der die Plantage nicht nur durch ihren Namen „Sweet Home“ ein hohes Maß an Verklärung als eine Art Heimat erfährt, und in der die Verbrechen der militanten Gegner der Sklavenbefreiung keine Namen mehr haben, genauso wenig wie die eigenen Verzweiflungstaten.

Demme legte Wert auf stilistische Stringenz. Während die Gegenwartshandlung vorwiegend in den dunklen Brauntönen des Hütteninneren gehalten ist und damit dessen Charakter als höhlenartiges Refugium kennzeichnet, erhielten die Rückblenden in Kopierwerk und Postproduktion abweichende Farb- und Helligkeitsgrade, die die Ambivalenz der Vergangenheit bewahren: die wenigen Momente des feierlichen Zusammenhalts der Sklaven gehören ebenso dazu wie Schlaglichter auf die Flucht und auf die erlebten Greueltaten, die entsprechend der kompensierten Erinnerung der Hauptfigur verfremdet dargestellt sind. Demme und sein langjähriger Kameramann Tak Fujimoto fanden dafür höchst einprägsame Bilder, eine fantastische Poesie, die Bewußtseinsinhalte vermittelt, anstatt so etwas wie Wirklichkeit illustrieren zu wollen.

Hauptdarstellerin Oprah Winfrey, mit ihrer Talkshow lange Zeit unangefochtene Quoten- und Gagenkönigin des Weltfernsehens und einstmals erste schwarze Nachrichtensprecherin der USA, hatte sich die Filmrechte an dem Roman bereits kurz nach dessen Erscheinen 1987 gesichert und tritt hier infolgedessen auch als Co-Produzentin auf. Bereits für ihr Debüt in Spielbergs „Die Farbe Lila“ (fd 25 656) erhielt sie eine „Oscar“-Nominierung, doch erst hier kann sie ihr beachtliches Schauspieltalent ausspielen – wobei das übrige Ensemble, insbesondere Thandie Newton in der schwierigen Rolle des „Menschenkinds“, nicht weniger beachtliche Leistungen bietet. Beide Filme eint das zentrale Motiv einer auf sich gestellten schwarzen Frau im Amerika der Nach-Bürgerkriegszeit. Während Spielberg seinerzeit aber allzu heftig auf die Tränendrüse drückte, vermeidet Demme jede Melodramatik zugunsten einer genau den Ton des Romans treffenden Subtilität – und geht damit ganz anders ans Werk als noch in seinem vorangegangenen Film, dem hochmoralischen Aids-Drama „Philadelphia“ (fd 30 662).
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