The Mighty - Gemeinsam sind sie stark

Komödie | USA 1998 | 100 Minuten

Regie: Peter Chelsom

Ein 13jähriger verängstigter Junge, der wegen seiner Körpergröße gehänselt wird, bekommt einen neuen Mitschüler und Nachbarn, der unter einer Rückgratverkrümmung leidet, aber den Demütigungen mit Geist, Witz und Fantasie begegnet. Nach anfänglichem Zögern finden die beiden Außenseiter zusammen und schaffen sich eine Märchenwelt mit Rittern und Drachen. Als der Vater des einen aus der Haft entlassen wird, in der er wegen des Mordes an seiner Frau saß, entführt er seinen Sohn, was zur größten Bewährungsprobe für die Jungen wird. Mischung aus Komödie, Melodram und Kriminalfilm, die ebenso witzig wie anrührend die Geschichte einer Freundschaft erzählt, die sich zu einer symbiotischen Beziehung auswächst, durch die Schwierigkeiten und Vorurteile bekämpft werden können. Während der Film die schwierigen Lebensbedingungen der Familien realistisch beschreibt, beschwört er zugleich die Kraft der Fantasie als Lebenshilfe. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
THE MIGHTY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1998
Produktionsfirma
Miramax/Scholastic Prod./Simon Fields Prod.
Regie
Peter Chelsom
Buch
Charles Leavitt
Kamera
John de Borman
Musik
Trevor Jones
Schnitt
Martin Walsh
Darsteller
Sharon Stone (Gwen Dillon) · Gena Rowlands (Gram) · Harry Dean Stanton (Grim) · Gillian Anderson (Lorretta Lee) · James Gandolfini (Kenny Kane)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie | Melodram
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras der Originalausgabe umfassen u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs. Der Film ist zudem auf diversen Doublefeature-DVDs ohne Bonusmaterial erschienen.

Verleih DVD
Mediacs (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
DVD kaufen

Diskussion
Gesellschaftliche Außenseiter können sowohl allseits Geächtete sein als auch Superhelden – und manchmal beides gleichzeitig, wie die Helden in „The Mighty“. Schon auf den ersten Blick sind sie Außenseiter, weil sie nicht aussehen wie die anderen. Da ist zunächst der 13jährige Kevin, ein sehr großer, dicklicher Junge, der regelmäßig von den anderen Jungen gehänselt wird. Zwar treten diese möglichst in Gruppen auf, weil Kevin ihnen auch ein wenig unheimlich ist; zur Wehr aber setzt er sich nie, lieber schweigt er. Und da ist Maxwell, sein neuer Mitschüler, der in das Haus gleich neben Kevin zieht und unter einer schlimmen Rückgratverkrümmung leidet. Zuerst beäugt ihn Kevin wie alle anderen, mit mißtrauischem Staunen, aber schnell lernt er, daß Maxwells Stellung als Außenseiter ihn zu einem besonderen Menschen gemacht hat: ein angehender Intellektueller, der aus seiner Auffassungsgabe kein Hehl macht, den Demütigungen mit sarkastisch-treffendem Witz begegnet und zudem über eine Fantasie verfügt, die stärker ist als alles, was die Jungen im Alltag umgibt. Nicht lange, und die beiden finden zueinander und bilden ein Team, das sich Respekt verschafft – genauer gesagt: sie werden im Wortsinn zu Roß und Reiter, der eine auf den Schultern des anderen, in einer Welt aus Rittern, Prinzessinnen und Drachen, in der die Gang von Halbwüchsigen sich nicht recht behaupten kann, ja, vor der das schnöde Dasein der Mitmenschen zu prosaischem Mittelmaß schrumpft.

Doch es sind nicht nur die Gleichaltrigen, gegen die sich die beiden zur Wehr setzen müssen. Kevin lebt bei seinen Großeltern (wunderbar grantig: Gena Rowlands und Harry Dean Stanton), seit seine Mutter getötet worden ist und sein Vater deswegen im Gefängnis sitzt. Die zahlreichen Briefe, in denen er seine Unschuld beteuert, werden penibel abgefangen, der Vater als der Teufel persönlich behandelt, dessen Namen nicht einmal ausgesprochen werden darf. Maxwell dagegen ist nur die Mutter geblieben, die sich weniger wie eine Amme denn als eine große Freundin um ihren Sohn kümmert – Sharon Stone erinnert in dieser Rolle ein wenig an Cher als Mutter des entstellten Jungen in „Die Maske“(fd 25 162). Die einfachen, düsteren Vorstadt-Reihenhäuser, die sie bewohnen, machen deutlich, daß zur menschlichen Ausgrenzung auch eine soziale gehört, bei der es um Klassenzugehörigkeit geht. Das Drama beginnt, als sich herausstellt, daß der Vater vorzeitig entlassen wird. Obwohl es ihm verboten ist, sich dem Haus der Familie zu nähern, greift er sich sogleich den Jungen und entführt ihn in die Wohnung eines alten Kumpels. So trifft Kevin jenes Alkoholiker-Pärchen wieder, dem er kurz zuvor eine Brieftasche zurückgebracht hat, welche die Jungen-Gang gestohlen hatte: „Akte X“-Star Gillian Anderson und Rocksänger Meat Loaf in tragikomischen Karikaturen einer dem Post-Easy-Rider-Frust verfallenen Generation.

Auch Peter Chelsoms dritter Film handelt davon, jemand anders zu sein, ganz in die Identität derjenigen zu schlüpfen, die man am meisten bewundert. „Hear My Song“ (fd 29 772) handelte von einem falschen Opernsänger, „Funny Bones“ (fd 31 368) von einem Komiker im Schatten eines erfolgreichen Vaters, und „The Mighty“ erzählt von zwei Jungen, denen ihre mittelalterliche Vorstellungswelt zu jenem Selbstvertrauen verhilft, das ihnen ein Überleben erst ermöglicht. Erneut mischt Chelsom auf ebenso ungewöhnliche wie behutsame Weise Elemente der Komödie, des Melodrams und des Kriminalfilms und bringt darin mühelos sowohl poetische als auch gewalttätige, witzige ebenso wie bittere Szenen unter. Natürlich muß eine Geschichte wie diese, die einem Kinderbuch von Rodman Philbrick entstammt, als Plädoyer gewürdigt werden: für einen größtmöglichen Respekt vor sich selbst und vor anderen, für die Fantasie als nutzbringende Lebenshilfe, sowie dafür, ein Außenseiterdasein als Chance zur Identitätsfindung zu begreifen. Aber Peter Chelsom ist Profi und zeitgemäß genug, diesen Aspekt nur als Subtext mitlesen zu lassen innerhalb eines wunderschönen, ebenso komischen wie berührenden Films.
Kommentar verfassen

Kommentieren