Drama | Frankreich 1999 | 90 Minuten

Regie: Claire Denis

Ein in Dschibuti stationierter Fremdenlegionär, der sich als "perfekter Soldat" der Zuneigung seines Vorgesetzten erfreut, sieht seine Position in Gefahr, als ihm ein neuer Rekrut den Rang streitig macht. Mit allen Mitteln soll der Rivale aus dem Weg geräumt werden. Eine bestechende kontemplative Studie über Nähe und Distanz, Fremde und Geborgenheit, die durch ihre radikale Erzählhaltung und spröde Inszenierung ebenso verstört wie fasziniert. Der formal wie thematisch herausragende Film stellt soldatische Erziehung als sinnentleertes Ritual vor, das reiner Selbstzweck ist und lediglich vor der inneren Leere schützen soll. (Fernsehtitel: "Der Fremdenlegionär") - Sehenswert ab 18.
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Filmdaten

Originaltitel
BEAU TRAVAIL
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Pathé Télévision/La Sept/arte/SM Films
Regie
Claire Denis
Buch
Jean-Pol Fargeau · Claire Denis
Kamera
Agnès Godard
Musik
Eran Tzur
Schnitt
Nelly Quettier
Darsteller
Denis Lavant (Galoup) · Michel Subor (Bruno Forestier) · Grégoire Colin (Gilles Sentain) · Richard Courcet (Legionär) · Nicolas Duvauchelle (Legionär)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 18.
Genre
Drama
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Diskussion
Galoup ist Fremdenlegionär mit Leib und Seele. Das am Golf von Dschibuti stationierte 13. Regiment ist seine Familie, seine Heimat, sein Ruhepol. Folglich ist sein Kommandant, dem er als Adjudant ergeben, aber ohne großen soldatischen Ehrgeiz dient, eine Art Übervater, dessen Nähe man sucht, dessen Zuneigung man sich vergewissern will und dessen Respekt es zu erwerben gilt. All dies hat Galoup, der „perfekte Legionär“, erreicht, als ein neuer Rekrut auftaucht, der, ebenfalls ohne besonderen Ehrgeiz, fast schlafwandlerisch in der Lage ist, ihm die Vorrangstellung streitig zu machen. Allein seine „Ruhe und Hilfsbereitschaft“ machen Gilles, den Neuen, anziehend; als später auch noch Tapferkeit hinzukommt - Gilles rettet einen verunglückten Kameraden - , sieht Galoup Handlungsbedarf. Durch eine Straßenbaumaßnahme in der Wüste trennt er den Rekruten vom Kommandanten, was den Konflikt aber nur aufschiebt; der Kompaniechef reist der Einheit nach, und bald sieht sich der Feldwebel immer mehr ins Abseits gedrängt. Galoup provoziert eine Auseinandersetzung mit Gilles, der er eine disziplinarische Maßnahme folgen lassen kann: einen Gewaltmarsch durch die Wüste. Durch einen manipulierten Kompass hofft er, die Nebenbuhler ein für alle Mal los zu werden. Doch das Komplott scheitert, „der perfekte Legionär“ wird unehrenhaft entlassen. „Untauglich für das (zivile) Leben“, strandet er in Marseille; unfähig, seinem Leben ein Ende zu setzen, gibt er sich einem ekstatischen Tanz hin, der seine innere Zerrissenheit zum Ausdruck bringt.

„Diene der guten Sache und stirb!“ Dieser Sinnspruch ziert als Tätowierung die Brust des tragischen Helden, doch sie erweist sich am Ende als ebenso hohle Phrase wie sein ganzes auf Rituale und Kodexe aufgebautes Leben, das außerhalb der Kaserne jede Existenzberechtigung verliert. Dieser innere Konflikt spiegelt jedoch auch einen Äußeren: Die Fremdenlegion selbst scheint wie das Relikt aus einer vergangenen Zeit, das sich in Drill und Übungen erschöpft, ohne mit einem realen Feind rechnen zu können. So bleiben die Legionäre Fremdkörper in einer lebensfeindlichen Umwelt, schon durch ihre grünen, verwaschenen Uniformen von den bunt gekleideten Einheimischen separiert. Auf dieser Spannung einer inneren wie äußeren Zerrissenheit baut Claire Denis ihren überwältigenden Film auf, der sich von fast allem unterscheidet, was Kino derzeit zu leisten in der Lage ist. Starre Einstellungen bestimmen das kontemplative Geschehen, das nicht durch Dialoge vorwärts getrieben wird, sondern durch Tagebuch-Eintragungen, die aus dem Off verlesen werden. Dabei wird der quälende Schwebezustand von Menschen erfahrbar, die längst aufgehört haben, nach einer Sinngebung zu suchen, und deren ritualisierte Existenz längst selbst Sinn geworden ist. Folglich inszeniert Denis den pausenlosen Drill als martialisches Ballett, wobei die homoerotische Komponente eines reinen Männerbundes stets mitschwingt, allerdings nie ihre Erfüllung findet, sondern sich in Andeutungen und „Kampfhandlungen“ erschöpft. So gesehen, leisten die Männer in der Tat „gute Arbeit“ (so die Übersetzung des Originaltitels), doch da sie die Wertmaßstäbe selbst bestimmen, gibt es kein objektivierbares Qualitätsmerkmal mehr - „gut“ erschöpft sich in sich selbst.

„Der Fremdenlegionär“ entstand als Auftragsarbeit für den Fernsehsender arte, der eine Reihe über Franzosen im Ausland initiierte, um dem Zustand von Heimatlosigkeit und Fremdheit nachzuspüren. Und fremder als die Truppe in diesem hervorragend durchkomponierten, inszenatorisch kompromisslosen Film kann auf dieser Welt wohl kaum jemand mehr sein, da es keine Einlassungen und Berührungspunkte zur realen Welt mehr gibt. Die Handlung orientiert sich an Herman Melvilles Roman „Billy Budd“, wobei der Film nicht den Blickwinkel der Titelfigur einnimmt, sondern den seines bösen Gegenspielers Claggart, der in der Figur des Feldwebels Galoup als einer der Wenigen Profil erlangt. Während alle anderen kahl geschorenen Legionäre im gleichförmig Soldatischen austauschbar erscheinen, bleibt er mit seinem pockennarbigen Gesicht ebenso markant wie der hingebungsvoll verehrte Vorgesetzte. Der Angebetete wird im Übrigen von Michel Subor gespielt, der als „Der kleine Soldat“ in Jean-Luc Godards gleichnamigem Spielfilm (fd 15 489) in Erscheinung trat. Damals spielte er einen Deserteur der französischen Armee, der in Genf zu einem Mord gezwungen wird, und trug den Namen Bruno Forestier - und den trägt nun der Kommandant von Claire Denis’ Fremdenlegionären. Die Legion als ein Hort von (Lebens-)Deserteuren - eine schöne Metapher.
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