Der Mondmann (1999)

Biopic | USA 1999 | 102 Minuten

Regie: Milos Forman

Der amerikanische Komiker Andy Kaufman polarisierte in den 70er-Jahren das Fernsehpublikum. Seine Parodien und Gesangseinlagen begeisterten und verstörten die Zuschauer, weil Ernst und Parodie oft nicht voneinander zu unterscheiden waren. Eine Wrestling-Show gegen Frauen leitete sein berufliches Ende ein. Kurz darauf starb er an Krebs, was zunächst ebenfalls für eine Inszenierung gehalten wurde. Der biografische Film zeichnet Kaufmans Lebensweg sorgfältig nach, arbeitet die außergewöhnliche Künstlerpersönlichkeit heraus und stellt unterhaltsam die absurden Comedy-Nummern nach. Formans immer wiederkehrendes Thema des Außenseiters, der an der Gesellschaft scheitert, erfährt eine weitere sensible Interpretation. In der Hauptrolle brillant gespielt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MAN ON THE MOON
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1999
Produktionsfirma
Jersey Films/Cinehaus Prod./Shapiro/West Prod.
Regie
Milos Forman
Buch
Scott Alexander · Larry Karaszewski
Kamera
Anastas Michos
Musik
R.E.M.
Schnitt
Christopher Tellefsen · Lynzee Klingman
Darsteller
Jim Carrey (Andy Kaufman) · Danny DeVito (George Shapiro) · Courtney Love (Lynne Margulies) · Paul Giamatti (Bob Zmuda) · Tony Clifton (Tony Clifton)
Länge
102 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Biopic
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit nicht verwendeten Szenen sowie die Dokumentation "Die Andy Kaufman Story".

Verleih DVD
Concorde (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt., DTS dt.)
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Diskussion
Wer ist verrückter? Derjenige, der kompromisslos mit den Konventionen bricht, oder die Gesellschaft, die ihn dafür verurteilt? Mit beinahe derselben Konsequenz wie die Helden seiner Filme untersucht Milos Forman seit Beginn seiner Hollywoodkarriere dieses Thema. „Einer flog übers Kuckucksnest“ (fd 19 710), „Hair“ (fd 22 062), „Amadeus“ (fd 24 828), „Valmont“ (fd 27 962), „Larry Flynt - Die nackte Wahrheit“ (fd 27 962) - immer wieder stellt der Regisseur und Autor die Frage, wie weit man ungestraft gehen kann und was danach passiert: wenn die Mechanismen der gesellschaftlichen Ordnung jedes Individuum in seiner Existenz bedroht, das sich ihr widersetzt. Dabei treibt dieses meistens ein sehr grundlegendes Bedürfnis an: das nach Freiheit, sei es vom Diktat einer Anstaltsleitung, einer fehlgeleiteten Politik, künstlerischen Normen, der Hofetikette oder einer bigotten Medienwelt. Diesmal ist es ein Komiker mit dem unschuldigen Namen Andy Kaufman, der es sich mit der Gesellschaft verscherzt, besonders mit den Normen der Unterhaltungsindustrie. Wie bei Amadeus und Larry Flynt handelt es sich um eine authentische Figur.

Schon als Kind schlüpft Andy in verschiedene Rollen und lässt Puppen reden, und schon zu dieser Zeit braucht er kein Publikum. Es reicht ihm, wenn ihm selbst gefällt, was er da treibt. Diese Haltung wird auch sein späteres Leben kennzeichnen, auch noch, als er 1975 in einem kleinen Comedy-Club in Los Angeles entdeckt und zu einem Fernsehstar aufgebaut wird: Hauptsache, die Show macht Spaß. Am liebsten nimmt er einen Plattenspieler mit auf die Bühne, legt ein Lied auf und tanzt ein wenig dazu. Danach ist die Nummer zu Ende. Oder er imitiert jemanden, ohne seine Stimme zu verstellen. Oder er liest F. Scott Fitzgeralds „Der große Gatsby“ vor, nicht einige Stellen, sondern den ganzen Roman. Das findet er witzig, und ein paar Leute, die ihm wohlgesonnen sind, auch. Besonders George Shapiro, der sein wichtigster Förderer wird - der echte George Shapiro ist noch heute einer der einflussreichsten Fernsehproduzenten Amerikas und ließ es sich nicht nehmen, an dem Film als ausführender Produzent mitzumischen. Durch ihn erhält Andy Auftritte bei der heute legendären Show „Saturday Night Live“, dann eine eigene Show, Live-Auftritte und eine Rolle in einer Soap, die Andy zwar hasst, die ihn aber berühmt macht, was sein einziger Kompromiss bleibt. Andy bekommt eigentlich alles, was ihn zu einem Superstar machen könnte. Doch er denkt nicht daran, dem Affen Zucker zu geben, er schockiert weiterhin, wo er nur kann. Bei einem Special lässt er eine Bildstörung vortäuschen, er fällt vor laufender Kamera aus seiner Soap-Rolle. Und er erzwingt, dass sein Freund Tony Clifton ebenfalls einen Vertrag bekommt, ein vollkommen untalentierter, schmerbäuchiger Clubsänger, der mit Vorliebe sein Publikum aufs Übelste beleidigt. Dass in dessen Kostüm kein Anderer als Andy steckt, erfährt das Publikum nicht. Schließlich schafft er es, die Fernsehnation vollends zu polarisieren. Andy entdeckt das Wrestling für sich. Doch anstatt sich den üblichen Muskelprotzen zu stellen, kämpft er nur gegen Frauen. Er bietet derjenigen Frau 500 Dollar, die ihn besiegt. Das schafft keine, und fortan ist Andy Kaufman ein „Man They Love to Hate“. Damit geht er allerdings für das Amerika der 70er-Jahre zu weit.

Formans Film geht streng chronologisch vor. Eine Biografie, die sich nicht die Mühe macht, übermäßig zu dramatisieren, weil das Leben, das sie schildert, offenbar spannend genug war. Umso liebevoller und unterhaltsamer wurden die absurden Comedy-Nummern nachstellt. Andys Leben ist, wie auch das von Larry Flynt, gekennzeichnet von scheinbar irrsinnigen Ideen, großen Widerständen, ersten kleinen, dann großen Erfolgen, durchsetzt von persönlichen Niederlagen. Wie bei Forman oft zu sehen, ändert sich der Held auch dieser Geschichte trotz allem nicht, die Gesellschaft um ihn herum aber sehr wohl. Mal reagieren Publikum und Produzenten mit Wohlwollen, mal mit Entsetzen. Dabei scheint Andy die Fäden in der Hand zu haben, er kontrolliert sein Publikum. Erst, als er es überschätzt, verliert er es. Besonders überschätzt er die Fähigkeit seiner Zuschauer, zwischen Wirklichkeit und Inszenierung zu unterscheiden. Darin wirkt er wie ein Prophet der gegenseitigen Durchdringung von Realität und neuen Medien. Dass die gewalttätige Auseinandersetzung mit einem echten Wrestler in David Lettermans Show ein Fake war, stellte sich erst viel später heraus. Solches Verhalten führte auch dazu, dass man ihm am Ende selbst im engsten Kreis seine Krebserkrankung nicht glaubte.

All diese Eigenschaften, diese Wendungen machen Drehbuch und Regie absolut plausibel. Als Shapiro agiert wie immer sympathisch Danny DeVito; was Forman aber an Courtney Love findet, die wieder die Geliebte seines Helden spielt, obwohl sie eigentlich immer bloß dieselbe Schlampe darstellt, die sie auch auf der Bühne als Sängerin der Gruppe Hole gibt, bleibt fraglich. Ein Ereignis ist dagegen Jim Carrey. Der bestbezahlte Faxenmacher aller Zeiten schafft es auf einzigartige Weise, den Menschen Andy Kaufman liebens- und hassenswert zugleich wirken zu lassen, undurchschaubar-diabolisch im einen und Mitleid erregend im nächsten Moment. Und doch bleibt er immer der massiv grimmassierende Jim Carrey, der Bösewicht unter den US-Komikern. Im Nachhinein betrachtet, wirkt Carreys bisheriges Schaffen wie eine Neuauflage von Andy Kaufmans Karriere: kompromisslos, großspurig und übertrieben von Anfang an, auch was seine Gagenforderungen angeht, und bissig bei öffentlichen Auftritten. Nur ist Carrey offensichtlich der Gerissenere von beiden, mit einem sehr klarem Blick für seine Karriere. Die war Andy Kaufman relativ gleichgültig.
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