- | Schweiz 2001 | 92 Minuten

Regie: Christoph Schaub

Eine Nonne und ein Taschendieb, beide gehörlos, verlieben sich ineinander und haben nicht nur mit dem (Keuschheits-) Gelübde der Ordensleute, sondern auch im privaten Bereich ihre liebe Not. Als der junge Mann bei einer Polizeiaktion ums Lebens kommt, hat sich die Frau längst dafür entschieden, ihre Zukunft neu zu gestalten. Ein von guten Darstellern getragener außergewöhnlicher Film, der seine Liebesgeschichte sensibel und eindrucksvoll vorträgt und die positive Kraft von Veränderungen in den Vordergrund stellt. (Teils m.d.U.) - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
AMOUR SECRET
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
T&C Film
Regie
Christoph Schaub
Buch
Peter Purtschert · Christoph Schaub
Kamera
Thomas Hardmeier
Musik
Antoine Auberson
Schnitt
Fee Liechti
Darsteller
Emmanuelle Laborit (Antonia) · Lars Otterstedt (Mikas) · Renate Becker (Oberin Verena) · Wolfram Berger (Fritz) · Renate Steiger (Schwester Maya)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
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Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.85:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Nach fast zehnjährigem und beinahe ausschließlichem Dokumentarfilmschaffen, das so interessante Werke wie „Rendezvous im Zoo“ und „Die Reisen des Santiago Calatrava“ (fad 35 386) hervorbrachte, ist der 1958 geborene Schweizer Filmemacher Christoph Schaub wieder zum Spielfilm zurückgekehrt. Aber während er in seinen ersten drei Spielfilmen „Wendel“ (fd 26 849), „Dreißig Jahre“(fad 28 339) und „Am Ende der Nacht“ seine (Alltags-)Geschichten eher wehmütig bis tragisch enden ließ, wagt er diesmal – auch wenn er sich ein vordergründiges Happy End versagt – einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft. Dieser filmische Blick ist allerdings (immer noch) der eines Dokumentaristen: in ruhigem, man ist fast versucht zu sagen betulichem Rhythmus berichten die Bilder vom Leben in der schweizerischen Provinz, während eine weibliche Off-Stimme die Geschichte des gehörlosen Bauernmädchens Antonia erzählt, das man im Heim vergeblich versucht hatte, zum Sprechen zu bringen. Erst als sich eine Nonne des nahe gelegenen Klosters Antonia annahm und ihr die Gehörlosensprache beibrachte, blühte das Mädchen auf, trat dem Orden bei und scheint nun im Klosterleben ihre Erfüllung gefunden zu haben. So tritt sie auch ein wenig widerwillig ihre weltliche Aufgabe in einem Obdachlosenasyl in Zürich an, wohin sie jeden Tag mit Rad und Zug anreist, um dort zu kochen. Hier erkämpft sich die selbstbewusste und resolute junge Frau, die auch schon mal handfest einen Männerstreit beendet, erst einmal den Respekt des Heimleiters und der Bewohner, die sie anfangs nicht ganz für voll nehmen. Als Antonia den ebenfalls gehörlosen Mikas aus Litauen kennen lernt, der sich als Zirkusartist ausgibt, in Wirklichkeit aber als Trickbetrüger mit seinem Bruder durch Europa reist. Mikas eröffnet ihr die Welt jenseits der gewohnten Klostermauern. Als Mikas Bruder verhaftet, hilft ihm Antonia, vorübergehend im Obdachlosenheim unterzukommen, und verliebt sich schließlich in ihn. Er ist es auch, der sie ermutigt, sich gegen das Verbot der Oberin hinwegzusetzen und sich ihren Traum zu erfüllen: das Gastspiel eines amerikanischen Gehörlosen-Theaters in Luzern zu besuchen. In dieser Nacht bricht die „Braut Christi“ noch ein zweites Tabu und gibt sich Mikas hin. Das Schicksal scheint ihr die Entscheidung zwischen Kloster und weltlichem Leben abzunehmen, als Mikas von einem Bestohlenen erkannt wird und auf der Flucht ums Leben kommt. Aber obwohl die Ordensschwestern sie wieder aufnehmen wollen („Du musst vergessen, was draußen war – nur so führt der Weg ins Glück“), entscheidet sich Antonia für ein neues selbstbestimmtes Leben und reist in die USA, um auf einer Gehörlosen-Universität zu studieren. „Wir haben keine Furcht vor der Stille“, sagt einmal die Oberin – und genau diese Furcht nimmt auch Christoph Schaub mit seiner einfühlsamen Inszenierung dem Zuschauer, der schon bald mit Faszination das geräuschlose Gebärden-Flirten von Antonia und Mikas beobachtet und in den intimen Momenten des Films auch die Zärtlichkeit dieser „visuellen Sprache“ zu spüren bekommt. Das liegt vor allem am intensiven Spiel des gehörlosen schwedischen Schauspielers Lars Otterstedt, der hier zum ersten Mal vor der Kamera stand, und seiner ebenfalls gehörlosen Partnerin Emmanuelle Laborit, die nicht erst seit ihrer Rolle in „Jenseits der Stille“ (fad 32 278) eine gefragte (Gehörlosen-)Schauspielerin ist. Ihre Augen(-Sprache) und beredte Mimik machen die Untertitel fast überflüssig, zumal Schaub und sein Kameramann es ebenso verstehen, die Bilder durch ihre präzise Kadrierung „mitreden“ zu lassen. So wird die anrührende, aber nie sentimentale Liebesgeschichte gleichzeitig zu einer Emanzipationsgeschichte ohne jegliche Häme gegenüber dem Objekt des Entrinnens. Im Gegenteil: In die Beschreibung des Klosteralltags schleicht sich einerseits eher ein Schuss zuviel „Sound of Music“-Romantik ein, während auf der anderen Seite die Oberin mutig ihre „Verliebtheit“ zu der aufmüpfigen Antonia eingesteht. Dass sich Schaub in seiner Inszenierung noch nicht ganz vom Dokumentarfilm gelöst hat, zeigen einige allzu „lehrhaft“ entwickelte Szenen wie etwa die über die Gehörlosen-Theatertruppe oder über die Gallaudet University in Washington, die wie „Feature“ fürs potenzielle Gehörlosen-Publikum wirken und den Zuschauer ein wenig aus seiner emotionalen Beteiligung am Geschehen herausreißen. Dennoch bleibt gerade die „Stille“ der Liebe und die Kraft, die sie zu Veränderungen gibt, eindrucksvoll im Gedächtnis haften.
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