L'Auberge Espagnole - Wiedersehen in St. Petersburg

Komödie | Frankreich/Großbritannien 2005 | 129 Minuten

Regie: Cédric Klapisch

Die Fortsetzung von "L'auberge espagnole" (2002) bietet kurzweiliges Kinovergnügen: Fünf Jahre nach seinem Auslandssemester in Barcelona muss ein mittlerweile knapp 30-jähriger charmant-chaotischer Träumer die Weichen für sein weiteres Leben stellen. Das Wiedersehen mit ehemaligen Kommilitonen in St. Petersburg spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle; in Paris oder London jobbt er als Ghostwriter und Autor einer Seifenoper, schwärmt von einer Traumfrau und stößt dabei an Grenzen. Verspielt-cartoonesk erzählt, unterhält der Film vor allem dank der vorzüglichen Darsteller und verdichtet sich zu einem liebenswürdigen Lehrstück und das Leben und die Liebe. (Teils O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LES POUPEES RUSSES
Produktionsland
Frankreich/Großbritannien
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Ce Qui Me Meut Motion Pictures/Lunar Films/Studio Canal/France 2 Cinéma
Regie
Cédric Klapisch
Buch
Cédric Klapisch
Kamera
Dominique Colin
Musik
Loïk Dury · Laurent Levesque
Schnitt
Francine Sandberg
Darsteller
Romain Duris (Xavier) · Kelly Reilly (Wendy) · Audrey Tautou (Martine) · Cécile de France (Isabelle) · Kevin Bishop (William)
Länge
129 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie
Externe Links
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Diskussion
Einen zweiten Teil werde es nicht geben, hatte Cédric Klapisch zum Start seiner Komödie „L’Auberge Espagnole – Barcelona für ein Jahr“ (fd 36 212) versichert. Jetzt, drei Jahre später, ist er fertig. Der überraschende Publikumserfolg von „L’Auberge Espagnole“ dürfte nicht unerheblich dazu beigetragen haben, dass er sich doch noch zum Sequel entschloss. Dieses stellt aber keineswegs eine bloße Neuauflage des Originals dar, die dazu dient, noch einmal kräftig Gewinne abzuschöpfen. Vielmehr ist der Film ein eigenständiges, in sich geschlossenes Werk und zugleich eine echte Fortsetzung. Formal knüpft Klapisch an die verspielte Gestaltung des ersten Teils an. Comicartige Zeitrafferaufnahmen und Splitscreens werden durch cartoonesk metaphorische Sequenzen ergänzt, die den Helden Xavier beispielsweise im Gespräch mit Chefs und Auftraggebern entlarven, indem sie ihn im Hintergrund als schmeichlerischen Flötenspieler duplizieren. Mitunter verfällt Klapisch an solchen Stellen dem Steigerungswahn, immer und überall noch eins draufsetzen zu wollen, was die Bildsprache bisweilen hart an die Grenze oberflächlichen Klamauks manövriert. Ausgefeilter als im ersten Teil wirkt dagegen der Einsatz der Erzählerstimme: Aus dem Off kommentiert Xavier seine Erlebnisse mal als Echo mit poetischem Nachhall, mal ironisch, stets bemüht, sie in den Roman zu verwandeln, den er schon seit seiner Kindheit unbedingt schreiben wollte, und mit dem er am Ende des ersten Teils begonnen hat. Hier setzt die Fortsetzung auch inhaltlich an. „Wiedersehen in St. Petersburg“ beantwortet die Frage, die Xavier im ersten Teil vor versammeltem WG-Tribunal gestellt wurde, als er sich um ein Zimmer bewarb: „Wie sieht dein Leben in fünf Jahren aus?“ Vor seinen späteren Mitbewohnern konnte er sich noch um eine Antwort drücken, das Leben selbst erweist sich als weniger nachgiebig. Fünf Jahre nach Xaviers turbulentem Auslandssemester in Barcelona steht der sensible, charmant-chaotische Träumer erneut im Mittelpunkt einer Geschichte. Das Wiedersehen der ehemaligen Erasmus-Studenten in St. Petersburg spielt nur eine untergeordnete Rolle; den größten Teil des Films verbringt Xavier in Paris oder London. Ein lokales Zentrum wie einst das Appartement in Barcelona existiert nicht mehr. Die Welt – und mit ihr Xavier als personifizierte Globalisierung – ist in Bewegung geraten. Anders als im ersten Teil konfrontiert Klapisch seinen Helden nun permanent mit den Grenzen, die den Träumen in der Realität gesetzt sind. Seinen Lebenswunsch, Schriftsteller zu werden, konnte sich Xavier bislang nur bedingt erfüllen. Als Ghostwriter verfasst er die Memoiren prominenter Persönlichkeiten, und für eine Fernsehserie soll er ein Drehbuch entwerfen, das eine große, rührselige Liebesgeschichte erzählt. Die Soap-Produzenten raten, sich bloß nicht vor Klischees zu fürchten; schließlich sähen es die Zuschauer gerne, wenn sich das Liebespaar am Ende vor rotglühendem Sonnenuntergang küsst. Ganz so dick trägt Klapisch selbst zwar nicht auf, aber auch er geht den Liebesfilm-Stereotypen nicht aus dem Weg, sondern verarbeitet sie gezielt zu einer Art Lehrstück über die Liebe und das Leben. Dabei zeigt er sich gemeinsam mit seinen Figuren gereift: Xavier geht auf die 30 zu und muss die Weichen für sein weiteres Leben stellen. Die zentralen Fragen kreisen um das Verhältnis von Traum und Wirklichkeit, zu dem Klapisch einen klugen, differenzierten Zugang eröffnet. Einerseits zeigt er, wie Xavier irrealen, lebensfremden Vorstellungen von einer Traumfrau und der großen Liebe nachhängt, die ihn praktisch beziehungsunfähig machen und von einer Liebelei in die nächste stürzen lassen; andererseits leidet sein Held aber auch darunter, dass er künstlerisch wenig anspruchsvolle Auftragsarbeiten abwickelt. Beide Konflikte kreuzen sich im Drehbuchauftrag für die Fernsehromanze, bei dem Xavier mit seiner ehemaligen WG-Gefährtin Wendy zusammenarbeitet. Obwohl er sich in Wendy verliebt, kann er doch nicht aufhören, nach seiner Traumfrau Ausschau zu halten, die er in Topmodel Celia gefunden zu haben glaubt, deren Autobiografie er schreiben soll. Eine Seifenblase, die am Ende folgerichtig platzt, wohingegen Xavier seinem Wunsch, Schriftsteller zu werden, wieder ein wenig näher gekommen ist. Träume, das führt Klapisch unmissverständlich vor – ohne dabei allzu didaktisch zu werden –, sind nicht gleich Träume: Illusionen sollte man besser aufgeben, Utopien bewahren. So sehr der Plot an Tiefgang gewonnen hat, ist er dadurch aber nicht schwerfälliger geworden. Von leichter Hand gelenkt, bereitet das erneut großartige Ensemble ein köstliches, kurzweiliges Kinovergnügen. Der Reifeprozess, den auch die Schauspieler seit dem ersten Teil durchlaufen haben, zeichnet sich in Romain Duris’ Gesicht sinnbildlich ab: die weichen, jugendlichen Züge sind eckigeren, kantigeren Konturen gewichen. Sein Spiel ist rauer, brachialer, widersprüchlicher. Der Ernst des Lebens hat Xavier eingeholt; aber auch darüber lässt sich ja wunderbar lachen.
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