Die Festung (2008)

Dokumentarfilm | Schweiz 2008 | 104 Minuten

Regie: Fernand Melgar

Dokumentarfilm über ein Auffanglager für Asylanten in der Schweiz. Flüchtlinge kommen zu Wort, die erzählen, aus welchen Gründen sie ihre Heimat verließen, aber auch Beamte, die für die Bearbeitung der Asylanträge zuständig sind. Der mitunter elegisch getönte Film vermittelt Einblicke in eine verdrängte Wirklichkeit, Nöte und Abgründe. Seine Machart weckt allerdings auch Fragen nach der Authentizität der geschilderten Schicksale sowie der gezeigten Zustände, die bisweilen geschönt wirken. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LA FORTERESSE
Produktionsland
Schweiz
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Climage
Regie
Fernand Melgar
Buch
Fernand Melgar · Alice Sala · Claude Muret
Kamera
Camille Cottagnoud
Schnitt
Karine Sudan
Länge
104 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm

Diskussion
Das Auffanglager im waadtländischen Vallorbe wird „Festung“ genannt, in dem Menschen aus aller Welt auf ihre Verteilung auf die einzelnen Schweizer Kantone oder die Abschiebung in ihre Heimatländer warten müssen. Der Filmemacher Fernand Melgar hat die Flüchtlinge in ihrer Beton-Trutzburg besucht, die weniger Schutz bietet als den Einheimischen signalisieren soll, dass man trotz aller Weltoffenheit, humanitären Verpflichtungen und des neuen Asylgesetzes von 2006 durchaus auch unter sich bleiben kann. Das bleiben sie auch, sowohl die Schweizer als auch die Fremden, die ein Dasein zwischen Hoffen und Bangen fristen und über deren Schicksal in der Regel im Laufe von 60 Tagen entschieden wird. „La Forteresse“ begibt sich in eine großflächige, kasernierte Sonderschutzzone, zeigt die Einrichtungen für die Flüchtlinge, die in einem ehemaligen Ferienparadies untergebracht sind, das seit den späten 1940er-Jahren sozial schwachen Familien zur Erholung diente, und nun eine andere Bestimmung hat. Regisseur Fernand Melgar zeigt verwaiste Räume, Lager voller Matratzen und Kochgeschirr, leere Küchen, deren Bestände darauf warten, zum Einsatz zu kommen; er lässt alte Bedienstete sprechen, die sich an „bessere Zeiten“ erinnern. Doch in erster Linie nähert sich der Film den derzeitigen Bewohnern von „La Forteresse“ an: verzweifelte Menschen, die durch Krieg, Willkür oder wirtschaftliche Not aus ihrer Heimat vertrieben wurden und nun auf eine Randexistenz im „goldenen Westen“ hoffen. Unkommentierte, eindrucksvolle Gespräche mit den Betroffenen bilden das Zentrum des bewegenden Dokumentarfilms, der in zweierlei Hinsicht ein Dilemma offenbart. Auf der einen Seite beschreiben die Flüchtlinge aus Osteuropa, Asien und Afrika sehr eindrucksvoll ihre Gründe, weshalb sie ihre Heimat verlassen mussten; auf der anderen Seite beschleicht den Zuschauer aber auch das Gefühl, dass hier mitunter Geschichten mit Fremdschicksalen garniert werden, die den Leidensdruck unterstreichen und überhöhen sollen. Das Ergebnis erweckt den Anschein einer Zwangslüge, da vor laufender Kamera ja jene Schicksale präsentiert werden müssen, die in Gesprächen mit Angestellten der Einwanderungsbehörde immer wieder abgefragt werden. Es ist wichtig, dass die einzelnen Biografien deckungsgleich bleiben. Doch Fernand Melgar widmet sich auch der anderen Seite. Er zeigt die Beamten, die nach vielen Gesprächen, die mitunter Verhörsituationen ähneln, letztlich über das Schicksal der Menschen entscheiden müssen, und macht durchaus glaubhaft, dass sie ihre Aufgabe nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ein weitgehend überzeugender, wenngleich auch elegischer Dokumentarfilm vor dem Hintergrund des neuen Schweizer Asyl-Gesetzes, der dank einer Sondergenehmigung erstmals die Zustände vor Ort bebildern konnte. Gerade aber aufgrund dieses Umstands kommt man auch nicht umhin zu vermuten, dass die Bilder schönfärberisch geraten sind, da „La Forteresse“ vor Beginn der langwierigen Dreharbeiten gründlich aufgeräumt, herausgeputzt und die Protagonisten handverlesen wurden.
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