Salami Aleikum

Komödie | Deutschland 2008 | 102 (TV auch 89) Minuten

Regie: Ali Samadi Ahadi

Ein schüchterner und lebensängstlicher junger Iraner, Sohn eines Metzgers in Köln, strandet in der ostdeutschen Provinz, wo ihn die verbitterten Bewohner eines Dorfs für einen Fabrikantensohn halten, der in die brach liegende Region investieren will. Turbulent-vergnügliche Verwechslungskomödie, die unbekümmert zwischen Märchen und Klamotte changiert, sich dabei durch ein genaues Gespür für Herkunft, Kultur und Identität auszeichnet und spielerisch das Recht auf Bewahrung kultureller Identitäten verdeutlicht. - Ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
Dreamer Joint Venture
Regie
Ali Samadi Ahadi
Buch
Arne Nolting · Ali Samadi Ahadi
Kamera
Bernhard Jasper
Musik
Ali N. Askin
Schnitt
Jochen Retter
Darsteller
Wolfgang Stumph (Vater Bergheim) · Anna Böger (Ana Bergheim) · Navid Akhavan (Mohsen Taheri) · Proschat Madani (Mutter Taheri) · Stephan Grossmann (Uwe)
Länge
102 (TV auch 89) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Komödie
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Heimkino

Verleih DVD
Indigo
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Diskussion
Schon der Titelvorspann ist vergnüglich: eine flotte, fantasiereiche (Trickfilm-)Märchenvignette als orientalische Fantasie, die Themen und Motive der Handlung spielerisch, naiv und „unschuldig“ vorwegnimmt und auf die Klangfarben des Films einstimmt. Dass sich die Hauptfigur Mohsen, ein unselbstständiger, von seinen Lebensängsten geplagter junger Mann, immer wieder ins vermeintlich „unmännliche“ Stricken eines langen Schals flüchtet, verdichtet sich zum Sinnbild fürs fabulierfreudige Ausspinnen, besser: Ausstricken einer überbordenden Handlung, die stets neue Muster hervorbringt und dabei permanent Farben und Stimmungen, Mentalitäten und Ethnien miteinander verknüpft. Besonders um Letzteres, die „Volkszugehörigkeit“, geht es, wobei sich die turbulente Komödie von Ali Samadi Ahadi („Lost Children – Verlorene Kinder“, fd 37 304) auf zwei Spezies fokussiert: auf eine aus dem Iran ausgewanderte, in Deutschland assimilierte persische Familie sowie auf die kleinbürgerlichen Bewohner eines in Dornröschenschlaf verfallenen ostdeutschen Dorfes als desillusionierte Verlierer der Wiedervereinigung. Damit gibt es genügend komödiantischen Cultural-Clash-Zündstoff, wobei Mohsen, Sohn eines Metzgers in Köln, zum Wandler zwischen den Welten wird. Dass er vor der Dominanz seines Vaters zurückschreckt und weder in dessen nach Blut und Tod riechende Metzgerei einsteigen noch überhaupt die selbstgefällige Lebenshaltung seines Vaters übernehmen will, macht ihn unsicher und anfällig für Fehler, wobei sein größter der ist, von einem dubiosen Händler eine Lieferung „re-importierter“ Schafe aus Polen zu erwerben. So ist es halb Flucht, halb Versuch beruflicher Selbstbehauptung, dass er im Kleinbus nach Osten aufbricht, um die Tiere abzuholen – dabei aber allzu bald in der ostdeutschen Provinz strandet: im „schönen“ Ort Oberniederwalde, in dem misstrauische Kleinbürger, rechtsradikale Jugendliche und ungebildete Provinzler ein brisantes Gebräu bilden. Durch einen Unfall in der Autowerkstatt der attraktiven, bärenstarken Ana (sie war einst eine gefeierte Kugelstoßerin, bevor ihre Karriere im Sumpf gedopter DDR-Sportler endete) ist Mohsen zu einem längeren Aufenthalt vor Ort gezwungen – Beginn einer bizarren Folge von kleineren Lügen aus Furcht und größeren Folgeschäden aus falschen Hoffnungen. So halten Anas Eltern, nun Kneipenwirte, früher Angestellte im florierenden Trikotagenbetrieb VEB „Textile Freude“, den „Fremdling“ für den Sohn eines reichen Textilhändlers, der vor Ort investieren will; ein fatales Missverständnis, das die angebetete Ana und bald auch Mohsens nachgereiste Eltern immer tiefer verstrickt. Dass es am Ende doch noch zu einem ostdeutsch-persischen Fest kommt, ist ebenso verblüffend wie märchenhaft schön. Ali Samadi Ahadi kennt keine Berührungsängste: Mal Märchen, mal Posse, mal Klamotte, mal hintergründige Satire voller Spitzen auf ethnische Eigenheiten – es gibt viele Schubladen, die er aufzieht, und doch keine, in die sein Film hineinpasst. Wenn die Handlung wieder einmal über jedes Ziel hinausschießt, wird sie sorglos mit Trickfilm-Einspielung und Off-Kommentar auf eine distanzierte „Meta-Ebene“ gehievt, damit alles nicht allzu schwer wird. Freilich sind die Themen im Hintergrund durchaus substanziell: Es geht um Illusionen und Lebenslügen, falsche Hoffnungen, menschliche Schwächen und Unzulänglichkeiten, die der Bodensatz für Ausländerfeindlichkeit und andere extremistische Auswüchse sein könnten. Ahadi zeichnet einige seiner Protagonisten hart an der Grenze zur Karikatur und doch stets so nachvollziehbar und liebenswert, dass man weder über sie erschrickt und sie erst recht nicht auslacht, sondern sich über ihre Schrullen und Eitelkeiten meistens amüsiert. Geschickt spielt der Film dabei auf der Klaviatur einschlägiger Komödien-Vorbilder: Einerseits Multikulti-Komödie, andererseits „Ossi“-Farce, gibt er in beiden Genres dem Affen Zucker und verdankt seine erheiternde Wirkung vor allem den spielfreudigen, solide geerdeten Darstellern, die wunderbar komische Archetypen zeichnen. Mancher Handlungsfaden bleibt auf der Strecke und dramaturgisch fehlt es oft an einer präziseren Verdichtung – was angesichts der „Anarcho“-Methode des Erzählens freilich kaum stört. Bemerkenswert ist vor allem, dass sich der Film nicht mit einem plakativen Multikulti-Konzept zufrieden gibt und auch nicht in der komödiantischen Beschreibung von Menschen unterschiedlicher ethnischer oder religiöser Herkunft erschöpft. Tatsächlich hat Ahadi ein sehr genaues Gespür für gruppenbezogene Merkmale wie Herkunft und Kultur und verdeutlicht spielerisch das Recht auf Bewahrung kultureller Identitäten, die gleichberechtigt nebeneinander bestehen können. Zwar setzt er dabei genrebedingt auch auf die Gemeinsamkeiten seiner Protagonisten, aber eben auch auf ihre am Ende allseits tolerierte Andersartigkeit, und schafft so ein schönes Märchen, das von ethnisch-kulturellem Selbstbewusstsein und praktikabler Integration erzählt.
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