Komödie | Deutschland 2009 | 100 Minuten

Regie: Fatih Akin

Ein griechisch stämmiger Hamburger gerät in einen Strudel verrückter Ereignisse, als sich sein bescheidenes Restaurant zum Szenetreff mausert. Die Umtriebe seines spielsüchtigen Bruders, eines Finanzhais sowie amouröse Verwicklungen dämpfen den Erfolg. "Heimatkomödie" um die Suche nach Geborgenheit in einer sich rasant verändernden urbanen Welt, der es weniger um einen Ort als um die Verwurzelung in einer Gemeinschaft und einem Lebensgefühl geht. Mit Verve und Gespür für filmischen Raum, für Musik und mitunter derbe Situationskomik rundet sich der Film zur stimmig-stimmungsvollen Feier menschlichen Zusammenhalts. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Corazón International/Pyramide Prod./NDR
Regie
Fatih Akin
Buch
Fatih Akin · Adam Bousdoukos
Kamera
Rainer Klausmann
Musik
Klaus Maeck
Schnitt
Andrew Bird
Darsteller
Adam Bousdoukos (Zinos Kazantsakis) · Moritz Bleibtreu (Illias Kazantsakis) · Birol Ünel (Koch Shayn Weiss) · Anna Bederke (Lucia Faust) · Pheline Roggan (Nadine)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Komödie
Externe Links
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Diskussion
Bereits vor mehr als 40 Jahren sangen die „Doors“ von der „Seelenküche“: „Let me sleep all night in your soul kitchen. Warm my mind near your gentle stove.“ Nun rücken Fatih Akin und seine Film-Freunde am „freundlichen (Küchen-)Herd“ zusammen, um in einer heruntergekommenen Industriehalle im Hamburger Elbinsel-Vorort Wilhelmsburg einen kinomagischen Zufluchtsort zu finden – ein Stück Heimat in ungastlichen Zeiten, eine Heimat, die nicht als national definierten Ort, sondern eher als metaphysischen Zustand verstanden wird, als ein harmonisches Lebensgefühl, das sich in gemeinsamem Essen und Trinken, Feiern und Tanzen, besonders auch in gemeinsam erlebter Musik ausdrückt. Dafür eine Geschichte und vor allem eine angemessene filmische Form zu finden, sollte für Fatih Akin eine Erholung werden, angesichts der existenziellen Themen seiner Trilogie über Liebe, Tod und Teufel: Nach „Gegen die Wand“ (fd 36 389) und „Auf der anderen Seite“ (fd 38 349) hätte nämlich die Auseinandersetzung mit dem Teufel angestanden, doch zuvor sollte „Soul Kitchen“ daran erinnern, dass das Leben, so Akin, „nicht nur aus Schmerz und Nachdenklichkeit besteht“. Dann freilich wurde aus dem Bemühen um einen „leichten“ Film das zeitaufwändigste Projekt seiner Karriere, deutliches Zeichen dafür, wie viel komplexe Arbeit und Sorgfalt eine gute Komödie erfordert. Dass das Ergebnis um so unangestrengter daherkommt, stimmig und stimmungsvoll zugleich, ja, fast so etwas wie „zwanglos authentisch“ ist, ist das Schöne an „Soul Kitchen“. Dabei geht es auch hier im Kern um vertraute (melo-)dramatische Akin-Themen wie Abschied und Heimkehr, Sehnsucht und Liebe. Im Mittelpunkt des umfänglichen Personenreigens steht der Deutschgrieche Zinos, der aus der alten Wilhemsburger Fabrik die Kneipe „Soul Kitchen“ gemacht hat, einen eher schmuddeligen Treff mit Soul- und Rembetiko-Klängen, Frikadellen und Bier für die anspruchslosen Ortsansässigen. Das läuft alles mehr oder weniger rund, ohne viel Energie und ohne große Leidenschaft, die Zino lieber in seine Geliebte Nadine investiert, eine reiche Tochter aus bürgerlichem Haus, die eines Tages als Auslandskorrespondentin nach China aufbricht. Zino bleiben nur Wehmut und der Sichtkontakt über die Webcam, und wenn alles einmal so richtig mies ist, kommt ohnehin eines zum anderen: Er verknackst sich den Rücken und treibt fortan von Schmerzen gepeinigt durch eine immer verrückter werdende Geschichte, die mit dem Aufstieg der Kneipe zum angesagten Szenetreff einhergeht. Daran haben unter anderen Anteil: Zinos spielsüchtiger Bruder Illias, der als arbeitsscheuer „Knasti“ auf Freigang im „Soul Kitchen“ andockt, der ebenso visionäre wie anmaßende Koch Shayn, die malende, freiheitsliebende Kellnerin Lucia, in die sich Illias verliebt, Vertreter von Finanz- und Gesundheitsamt, Rocker und Rock-Musiker, ein begnadeter türkischer Physiotherapeut – und Neumann, Zinos alter Proll-Kumpel, der eiskalt „in Immobilien macht“ und es Zino ausgesprochen übel nimmt, dass dieser ihm das „Soul Kitchen“ nicht verkaufen will. Das alles verknotet Akin zu einem fulminanten, oft delirierenden „Bauch-Kino“, sinnlich und sentimental, mal platt, lärmig und schräg, dann wieder leise und poetisch, in manchem (Pseudo-)Gag daneben greifend – und doch immer wieder einfach nur schön. Souverän und mit untrüglichem Gespür für erzählte Zeit, für Tempo wie für Ruhe, treibt Akin das filmische Spiel kraftvoll und ausgelassen voran und geleitet durch die Höhen und Tiefen im Leben seiner mitunter selbstverliebten, jammernden und klagenden, sich streitenden und sich versöhnenden Protagonisten, die immer wieder aufstehen, wenn sie am Boden liegen. Das spiegelt, bei aller kinoimmanenten Verrücktheit, hinter den Bildern auch Akins „basisdemokratische“ Grundhaltung, sein Vertrauen in Toleranz und harmonisches Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Rasse und Milieus. Während sich „da draußen“ die urbane Geografie unaufhaltsam verändert und soziale Umstrukturierungsprozesse ganze Stadtteile „veredeln“, in Wirklichkeit aber die Bevölkerung verändern, setzt Akin auf Refugien wie Freundschaft und Integrität, auf innere „Heimat“ als wärmendes Auffangbecken. „The Creator has a master plan“, singt Louis Armstrong beschwörend, „peace and happiness to every man“, und das in einem Film, der ein ebenso großes Herz für Hans Albers und „La Paloma“ hat!
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