- | Deutschland 2009 | 100 Minuten

Regie: Marc Rensing

Ein Gerüstbauer, der die Extremsportart "Parkour" betreibt, wacht eifersüchtig über seine Geliebte und büßt zunehmend den Bezug zur Realität ein, als er privat und beruflich die Kontrolle zu verlieren droht. Trotz der mit Konflikten etwas überladenen Handlung und einiger platter Ansätze in der Figurenentwicklung besticht der Film durch beachtliches Geschick in der Inszenierung der mitreißenden Sportsequenzen sowie durch das Gespür für Rauminszenierung. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2009
Produktionsfirma
Zum Goldenen Lamm Filmprod./SWR
Regie
Marc Rensing
Buch
Rüdiger Heinze · Marc Rensing
Kamera
Ulle Hadding
Musik
Thomas Mehlhorn
Schnitt
Sebastian Marka
Darsteller
Christoph Letkowski (Richie) · Nora von Waldstätten (Hannah) · Marlon Kittel (Nonne) · Arved Birnbaum (Frankie) · Constantin von Jascheroff (Paule)
Länge
100 Minuten
Kinostart
11.03.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Externe Links
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Heimkino

Die Extras umfassen u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
Lighthouse (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Als junger Schauspieler in Deutschland ist man gut beraten, wenn man neben der Arbeit Sport treibt. Besser noch: sehr viel Sport. Warum das so ist, kann man in Marc Rensings Spielfilmdebüt bestaunen: Wenn Richie und seine Freunde Nonne und Paule ins Freibad rennen, dann nutzen sie den urbanen Raum Mannheims gewissermaßen als kostenloses Sportgerät. „Parkour“ heißt der Trendsport aus Frankreich, der es auch schon in die Eröffnungssequenz des vorletzten James-Bond-Films (fd 37 910) schaffte. So staunt man, wie behände und elegant die athletischen jungen Schauspieler Christoph Letkowski, Marlon Kittel und Constantin von Jascheroff die architektonischen Hindernisse, die ihnen im Weg sind, bezwingen, wie insistierend und dynamisch immer wieder junge Männerkörper in Bewegung choreografiert werden – ohne in die Montage-Peinlichkeiten früherer Sportfilme zu fallen. Doch die mitreißende Körperpräsenz der Protagonisten kann nicht allzu lange davon ablenken, dass es in „Parkour“ weniger um Körperkontrolle als vielmehr um Kontrollverlust im übertragenen Sinne geht. Denn da ist auch noch Richies Freundin Hannah, die kurz vor dem Abitur an der Abendschule steht. Sollte sie die ausstehenden Prüfungen bestehen, stünden ihr alle Wege offen. Genau das aber ist die Sorge Richies, der mit Argusaugen über seine Liebe wacht. Dass er dabei erstaunlich schnell das rechte Maß verliert, muss beispielsweise ein Disco-Besucher erfahren, der Hannah beim Tanzen „anbaggert“ und sich dafür eine blutige Nase holt. Wenn er nicht gerade Hannah überwacht oder mit den Freunden Sport treibt, arbeitet Richie auf dem Bau, als Chef einer personell überschaubaren Gerüstbauer-Kolonne. Kraftstrotzende Dynamik gehört zu Richies inkorporiertem Selbstverständnis, wenn er zur Ruhe kommt, wird es (ihm zu) kompliziert. Richie würde gerne alles im Leben so elegant und geschmeidig halten, wie es beim Sport funktioniert. Doch Hannah will nach dem bestandenen Abitur studieren und dafür vielleicht umziehen. Zudem hat Richie Ärger mit dem Bauunternehmer Lehmann, was die Existenz seiner Firma gefährdet. Dann passiert auf dem Bau ein schlimmer Unfall, der Richies Alltag komplett aus dem Rhythmus bringt. Das sind eindeutig einige Baustellen zu viel – Rensings Film teilt viele Ähnlichkeiten mit seinem Protagonisten. Er drückt aufs Tempo, hat fürs junge deutsche Kino ein ungewöhnliches Gespür für Körper und Kinetik, die Sportsequenzen begeistern, die Auswahl an urbanen Locations überzeugt, und Szenen aus dem Arbeitsalltag von Gerüstbauern sind im deutschen Kino auch eher selten. Probleme bekommt der Film, wenn er etwas nicht nur zeigen kann, sondern erzählen muss. Dann wird es mitunter sehr platt küchenpsychologisch oder aber manieriert, weil Rensing sich einen dramaturgischen Kniff ausgedacht hat, der darauf setzt, dass der Zuschauer etwas unaufmerksam ist. Man wird Zeuge, wie Richie beim Versuch, die Kontrolle über seinen Alltag zu behalten, allmählich die Realität abhanden kommt, besser: er in eine ganz eigene Realität driftet. Dafür findet Rensing überzeugende, an den Rändern trefflich unscharfe Bilder. Was vielleicht einmal Eifersucht aus Verlustangst war, wächst sich zur handfesten Psychose aus, gespeist von den penetranten Einflüsterungen eines sexistischen Mephisto (grandios schmierig: Georg Friedrich). Zwischen Selbstbild und Realitätsanforderungen kommt es zu Spannungen, die Richie für seine Freunde immer unerträglicher werden lassen. Wenn Richie ganz zum Schluss noch einmal zum Sprung ansetzt, hat er jedenfalls kaum noch Ähnlichkeit mit dem Richie, dem man zu Beginn des Films begegnete.
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