Die Liebe der Kinder

Drama | Deutschland 2007 | 86 Minuten

Regie: Franz Müller

Eine Bibliothekarin und ein Baumpfleger, beide alleinerziehend, lernen sich im Internet kennen und werden ein Paar, obwohl die Unterschiede beträchtlich sind. Sie zieht mit ihrer Tochter zu ihm und seinem Sohn. Gemeinsam erproben sie das Leben als Patchwork-Familie. Doch während die Beziehung der Erwachsenen zunehmend an den Differenzen ihrer Weltbilder leidet, verlieben sich die Jugendlichen. Fein beobachtetes Drama mit viel Gespür für psychologische Finessen und soziale Haltungen. Mit einer Fülle beiläufiger Momentaufnahmen leuchtet der Film die Innenwelten seiner Figuren aus und verankert den Liebesdiskurs lakonisch-prägnant in der Gegenwart. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
2 Pilots Filmprod./WDR
Regie
Franz Müller
Buch
Franz Müller
Kamera
Christine A. Maier
Musik
Tobias Ellenberg · Daniel Backes
Schnitt
Stefan Stabenow
Darsteller
Marie-Lou Sellem (Maren) · Alex Brendemühl (Robert) · Katharina Derr (Mira) · Tim Hoffmann (Daniel) · Michael Sideris (Stefan)
Länge
86 Minuten
Kinostart
26.08.2010
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Natürlich verlangt ein Beziehungsdrama, das den Titel „Die Liebe der Kinder“ trägt, nach einem Quartett. Gleich zwei Liebespaare stehen im Mittelpunkt von Franz Müllers neuem, trotz aller frei flottierenden Krisen gelassenen Liebesfilm, der in seinen besten Momenten an Claude Sautets unspektakuläre Geschichten vom Alltag einfacher Menschen erinnert. Das mag an den vielen Szenen liegen, die die Protagonisten bei der Arbeit und in ihrem sozialen Umfeld zeigen. Aber auch an der Unverstelltheit ihrer Gefühle, den kleinen Details ihres Charakters, die sie zu Zeitgenossen aus Fleisch und Blut machen. Selten werden Schauspieler so kontrastreich besetzt wie in diesem klugen Reigen mit vier Figuren und jeder Menge Patchwork-Familienchaos. Schon der Anfang macht es sich nicht leicht, sondern inszeniert einen jener unbehaglichen Momente, die das Miteinander zu einem Hürdenlauf machen können. Eine Bibliothekarin und angehende Wissenschaftsautorin verabredet sich mit ihrer Chatroom-Bekanntschaft an einer Autobahnraststätte. Das Gespräch fern des Bildschirms verläuft unsicher, die Worte klingen falsch und die Blicke bleiben misstrauisch. Trotzdem landen die beiden in einem Hotelzimmer. Am Parkplatz danach bekommt die frisch erblühte Zuneigung gleich den ersten Kratzer. Anhand der Autobeschriftung erkennt die 40-Jährige, dass ihr Gegenüber kein Meeresbiologe sein kann und dass er gelogen hat, um ihr zu imponieren. In Wirklichkeit kümmert er sich um wuchernde Gärten des Mittelstands, sägt Bäume ab und geht einmal in der Woche zum Fußball. Nach kurzem Zögern zwischen zwei Möglichkeiten siegt die Erfahrung, und die getäuschte Bildungsfrau beschließt, den vorprogrammierten Komplikationen keinen Raum in ihrem fragilen emotionalen Haushalt zu gewähren. Sie schneidet rüde ab, was gerade zu wachsen begann, schreibt eine kühle Abschiedsmail und überlässt sich ihrem langsamen Leben. Die subtile Dynamik der Begegnung scheint verpufft, und doch wagt der Film den Versuch, sich abstoßende Pole zu so etwas wie einem kompromissbereiten Nebeneinander zu bewegen. Wie Müller diese immerhin körperlich harmonierende Annäherung hinbekommt, ohne es wie Fatalismus aussehen zu lassen, grenzt fast an ein Wunder. Untermalt mit ironisch-heiterer Musik, zieht die Frau mit ihrer 16-jährigen Tochter in das Haus des Mannes. Dessen introvertierter Sohn steht kurz vor dem Abitur und findet sogleich Gefallen an dem jüngeren Familienzuwachs. Während die Beziehung der Erwachsenen zunehmend an den Differenzen ihrer Weltbilder leidet, verschanzen sich die Kinder selbstgerecht in der Abwehr der in ihren Augen verlogenen Umgebung und beschließen, in die Ukraine auszuwandern, wo sie im Einklang mit der Natur einen Bauernhof aufbauen wollen. Der ohnehin poröse Nichtangriffspakt weicht nun latenter Aggression, und die besorgten Eltern liefern sich ein Duell, das die Inszenierung mit höchster Beobachtungskunst so lebensecht einfängt, dass man sich wie ein Voyeur fühlt. Die „gefährlichen Liebschaften“ und ihre mitunter auch komischen Reibungen erzählt Müller mit einer eigentümlichen Leichtigkeit, ohne große Gesten oder einen überambitionierten Stilwillen, der die Präsenz der großartigen Darsteller überschatten könnte. Ein kleiner großer Film, der Trost spendet, ohne die Augen zu verschließen, der unerschrocken über die Liebe nachdenkt und sie auch schon mal aufs Spiel setzt, um die flüchtigen Momente des Glücks reanimieren zu können.
Kommentar verfassen

Kommentieren