Angèle und Tony

- | Frankreich 2010 | 87 Minuten

Regie: Alix Delaporte

Eine heimatlose Frau will in einem Fischerdorf an der französischen Küste eine Beziehung mit einem Fischer beginnen. Dieser hat zunächst Zweifel, ob die seltsame Fremde zu ihm passt, dann aber entspinnt sich eine leidenschaftliche Liebe. In klaren, ruhigen Bildern und nahe an seinen starken Darstellern entfaltet der Debütfilm eine bewegende Geschichte um die Macht der Liebe, wobei er vor Romantik nicht zurückschreckt, durch den wohldosierten, konzentrierten Einsatz der filmischen Erzählmittel aber nie ins Banale abgleitet. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
ANGÈLE ET TONY
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Lionceau Films
Regie
Alix Delaporte
Buch
Alix Delaporte
Kamera
Claire Mathon
Musik
Mathieu Maestracci
Schnitt
Louise Decelle
Darsteller
Clotilde Hesme (Angèle) · Grégory Gadebois (Tony) · Evelyne Didi (Myriam, Tonys Mutter) · Antoine Couleau (Yohan, Angèles Sohn) · Jérôme Huguet (Tonys Bruder)
Länge
87 Minuten
Kinostart
04.08.2011
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Kool (16:9, 1.85:1, DD5.1 frz./dt.)
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Diskussion
Die großen Liebesgeschichten, im Kino und anderswo, folgen letztlich immer wieder dem Prinzip der beiden Königskinder: Entweder ist das Wasser zu tief oder die Familien sind verfeindet – auf jeden Fall scheinen die Hindernisse unüberwindbar. Sie animieren das Publikum zu intensivem Mitgefühl in Verbindung mit etwaigem Tränenfluss. Das gilt für „Casablanca“ (fd 19 478) wie für „Vom Winde verweht“ (fd 2293), für „Love Story“ (fd 17 449) wie für „Brokeback Mountain“ (fd 37 478), für „Harry und Sally“ (fd 27 891), „William Shakespeares Romeo & Julia“ (fd 32 429) oder „Pretty Woman“ (fd 28 342). Wichtig ist dabei, dass der Eindruck der Rezepthaftigkeit vermieden wird: Als würde diese eine, einzige Liebesgeschichte zum allerersten Mal erzählt. Das Langfilmdebüt „Angèle und Tony“ der französischen Regisseurin und Autorin Alix Delaporte ist so eine allererste Liebesgeschichte. Angèle, aus zunächst nicht näher benannten Gründen irgendwie heimatlos, blickt auf eine Biografie mit mindestens einem dramatischen Bruch zurück. Sie trifft, nicht eben zufällig, sondern auf eine Anzeige ihrerseits hin, auf den Fischer Tony. Er erscheint der losgelösten, hoch gewachsenen, schlanken und schönen Frau genau so bodenständig, wie sie sich das in ihren Gedanken ausgemalt hat. Auch wenn Tony, von gedrungener Statur und introvertiert, gleich bemerkt, dass sie nicht zusammen passen, dass Angèle jemand anderen bräuchte, einen aus der Stadt. Er bietet ihr dennoch an, bei ihm zu Hause auszuhelfen. Seine Mutter braucht Unterstützung auf dem Fischmarkt, sein Vater ist vor Kurzem auf See ertrunken. Tony hat noch einen rebellischen Bruder, der vordergründig viel besser ein Paar mit Angèle ergeben würde. Die junge Frau zieht in das Haus der Familie in einem malerischen, aber keineswegs putzigen Fischerdorf. Ihr Versuch, Tony rasch mit aggressivem Sex an sich zu binden, misslingt. Bis dahin könnte „Angèle und Tony“ fast noch ein subtiler Horrorfilm sein, über eine Außenseiterin, die in eine leicht aus den Fugen geratene Welt eindringt und diese vollends aus den Angeln hebt. Doch dann beginnt, unsentimental, aber mit nachhaltig sich steigernder Wucht, eine Liebesgeschichte. Es ist auch eine Geschichte von Mutterliebe, denn nicht nur Tonys selbstbewusste Mutter lebt allein mit ihren beiden Söhnen, auch Angèle hat einen Sohn, der bei den Schwiegereltern wohnt. Die Regisseurin wählt klar strukturierte, ruhige Bilder; oft ist sie nah an den Gesichtern ihrer Schauspieler. Die Landschaften, die einfachen Steinhäuser, die aufgewühlte See, das wilde Grün der Hügel spiegeln die Seelenlagen der Figuren wider. Angèle klaut zu Beginn ein Fahrrad, auf dem sie immer wieder den Weg in die Stadt und zurück absolviert, meist, um ihren Sohn zu sehen – zu dem sie dann doch keinen Kontakt aufnimmt. Am Anfang sitzt sie auf dem Rad und kämpft förmlich: Ihr Gesichtsausdruck ist hart, sie tritt wütend in die Pedale. Später fliegt sie fast, ihre Gesichtszüge sind weich, sie lächelt. Beide Darsteller, Clotilde Hesme wie Grégory Gadebois, spielen das Liebeserwachen der Figuren mit Sinn für feinste Nuancen. Die Regisseurin vertraut ihnen dabei offensichtlich absolut. Der Fokus liegt auf den Blicken, auf den kleinsten Veränderungen in Haltung, Mimik, Gestik. Worte werden nicht viele gemacht: Angèle verschweigt schließlich einiges, und große Worte sind nicht Tonys Art. Trotz der zurückhaltenden Inszenierung fürchtet die Regisseurin sich nicht vor Romantik: Musik wird zwar dezent, aber sehr bewusst eingesetzt. Gerade weil sich die großen Momente, die Musik und die unvermittelt leidenschaftlichen Gesten, gewissermaßen aus der Zurückhaltung herausschälen, sind sie so wirksam. Im Presseheft wird Alix Delaporte zitiert: „Ich wollte eine Liebesgeschichte erzählen: eine sehr starke Emotion für Angèle, die ein Gefühl entdeckt, das sie noch nie empfunden hat. Auch für Tony. Ich wollte, dass wir dabei sind und mit den beiden zittern. Dass wir ihre Sehnsucht teilen. Dass es uns mitreißt, dass es uns berührt!“ Das ist der Regisseurin gelungen.
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