Drama | USA 2015 | 102 Minuten

Regie: Rick Alverson

Ein zermürbter Stand-up-Comedian tourt durch die US-amerikanische Mojave-Wüste, wo er mit einer Art Doppelgänger einen sinnlosen Auftritt nach dem anderen absolviert. Insgeheim hofft er darauf, die abgebrochene Beziehung zu seiner erwachsenen Tochter wieder aufnehmen zu können. Der leise erzählte, zugleich bildgewaltige Film betont mit seinen extremen Aufnahmen die Leere und Einsamkeit des Protagonisten, konfrontiert in seiner dokumentarisch-repetitiven Struktur aber auch mit der Frage nach dem Sinn von Unterhaltung. - Sehenswert ab 16.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
ENTERTAINMENT
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Jagjagu War/Nomadic Independence/Made Bed Prod.
Regie
Rick Alverson
Buch
Rick Alverson · Gregg Turkington · Tim Heidecker
Kamera
Lorenzo Hagerman
Musik
Robert Donne
Schnitt
Michael Taylor · Rick Alverson
Darsteller
Gregg Turkington (Comedian) · John C. Reilly (Cousin John) · Tye Sheridan (Eddie, der Anheizer) · Michael Cera (Tommy) · Amy Seimetz (Frau in Bar)
Länge
102 Minuten
Kinostart
15.09.2016
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Ein desillusionierter Stand-up-Komiker auf der Suche nach seiner Tochter, zu der er den Kontakt verloren hat. Regie: Rick Alverson

Diskussion
Ein namenloser Komiker (Gregg Turkington) tourt alleine von einem Gig zum nächsten durch die amerikanische Mojave-Wüste. Zwischen den Auftritten besucht er als Tourist absurde Sehenswürdigkeiten. So steht er zu Beginn inmitten eines Flugzeugfriedhofs im Nirgendwo. Nachdem er leidenschaftslos in den ausgehöhlten Bauch eines Luftschiffes steigt und exakt in der Mitte des Bildausschnittes stehenbleibt, geht er in die Hocke. Er verlässt den Bildausschnitt; die Kamera folgt ihm nicht sofort, sondern gleitet erst langsam zu ihm hinunter. Bereits hier stellt sich die Frage nach konventionellen Sehvorgaben in der filmischen Unterhaltung. Gleichzeitig ist eine psychologische Abwärtsbewegung konstituiert, die den Charakter begleitet. Ähnlich irritierend wirken die Veranstaltungsorte der Tour: Gefängnis, Trailerpark, Vereinsheim und kleine Clubs. Vor jedem Auftritt begeben sich er und sein Kollege Eddie (Tye Sheridan), ein Clown, der den komödiantischen Auftakt der Show macht, in die Maske – die für den Komiker gar keine ist, denn der Übergang von Privatperson zu Bühnenpräsenz ist fließend. Regisseur Rick Alverson und sein Hauptdarsteller Turkington haben die Figur auf der Basis von Turkingtons Figur des Stand-up-Comedians Neil Hamburger konzipiert. Hamburger ist eine Art Anti-Unterhaltungsfigur. Was perfekt zu Alverson passt, der filmisch gerne unkonventionell erzählt und keine Scheu vor der Konfrontation mit dem Publikum hat. Die geografische wie psychologische Reise des wortkargen Komikers ist von sehr ruhigen und langsam gefilmten Wiederholungen bestimmt. Das repetitive Element resultiert aus der Zentrierung des Protagonisten in der Kadrage. Gleichzeitig behält es sich Alverson vor, die Handlung auf den ersten Blick wenig unterhaltsam, nämlich repetitiv zu gestalten, wobei er die emotionale Perspektive des traurigen Komikers einnimmt. Als Zuschauer findet man sich in langen Kubrick-Fluren wieder und sieht Hamburger dabei zu, wie er abends vor flackerndem Fernsehgerät zu schlafen versucht und immer verzweifelter Kontakt zu seiner Tochter am Telefon sucht; man ist mit dem Protagonisten auf absurden Sightseeing-Touren unterwegs oder muss mit ihm die absonderlichsten Orte überstehen. Während Eddie infantil in die Hände klatscht oder pantomimisch in seinen Hut kackt, folgt ihm der unmotivierte Komiker mit dem pomadierten Seitenscheitel und den Cocktails unterm Arm und stellt Fragen, die er selbst beantwortet. Womit auch die Fragen der Drehbuchautoren Alverson, Turkington und Tim Heidecker über das Wesen guter Unterhaltung im Raum stehen. Visuell überzeugt „Entertainment“ insbesondere durch die Kameraarbeit von Lorenzo Hagerman, dessen dokumentarischer Einfluss dem Film sichtbar zugutekommt: statt gefühlsbetont in Großaufnahmen zu schwelgen, hält Hagerman sensibel und vorsichtig fest, was ihm vor die Linse kommt. Er experimentiert sogar, wenn die Leinwand während eines Vortrags über Farbtherapie sekundenlang rot, blau oder gelb aufscheint, untermalt von einem beeindruckenden Soundtrack, teilweise mit Liedern von Frank Sinatra Jr. Das Breitbildformat lässt die Landschaften unendlich wirken; die Menschen sind darin melancholisch-verloren. Der stille Komiker verirrt sich in einzelnen Tableaus in seiner Umgebung, als Zuschauer wartet man auf seinen Ausbruch... Das Drehbuchtrio hat mit „Entertainment“ ein tiefgründiges Filmwerk geschaffen, das es schafft, konventionelle Gute-Laune-Unterhaltung ad absurdum zu führen. Die konstante Zentrierung des Hauptdarstellers vor einem leblosen Hintergrund setzt ihn schmerzhaft in den Fokus der Aufmerksamkeit, was in Folge seiner immerwährenden Lethargie, Handlungsarmut und Sprachlosigkeit der Zuschauererwartung diametral entgegensteht. Ein unheimlich-spannendes Unterfangen, das tief beeindruckt und nachhallt, wenn man sich darauf einlässt.
Kommentar verfassen

Kommentieren