© Alpenrepublik ("Nicht ganz koscher")

Fritz-Gerlich-Preis 2022

Die Komödie „Nicht ganz koscher“ von Stefan Sarazin und Peter Keller hat den Fritz-Gerlich-Preis 2022 gewonnen

Veröffentlicht am
15. September 2022
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Im Rahmen des 39. Filmfests München ist zum zehnten Mal der Fritz-Gerlich-Preis vergeben worden. Gewinner des Filmpreises, der an den katholischen Journalisten und Nazi-Gegner Fritz Gerlich (1883-1934) erinnert, ist in diesem Jahr der deutsche Film „Nicht ganz koscher – Eine göttliche Komödie“. Die Regisseure Stefan Sarazin und Peter Keller spannen darin einen weltfremden orthodoxen Juden aus New York mit einem schroffen Beduinen in der Wüste Sinai zusammen.


Die Komödie „Nicht ganz koscher“ der deutschen Filmemacher Stefan Sarazin und Peter Keller ist vom Münchner Kardinal Reinhard Marx mit dem diesjährigen Fritz-Gerlich-Preis ausgezeichnet worden. DerPreis wird im Gedenken an den katholischen Journalisten Fritz Gerlich(1883-1934) verliehen. Gerlich stellte sich Anfang der 1930er-Jahre als Herausgeberder Wochenzeitung „Der gerade Weg“ entschieden gegen den Nationalsozialismus,wurde 1933 nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler verhaftet und am 30. Juni1934 im Konzentrationslager Dachau ermordet. Der nach ihm benannte Preis istmit 10.000 Euro dotiert und wird von der Filmproduktionsfirma Tellux gestiftet.Ausgezeichnet wird ein Film aus dem Programm des Filmfest München, der für mehrMenschlichkeit und gegen Diktatur, Intoleranz und Verfolgung kämpft.

„Nicht ganz koscher“ handelt von einem Culture Clash. Der ultraorthodoxe Jude Ben aus New York will der winzigen jüdischen Gemeinde im ägyptischen Alexandria helfen. Einst war dies die größte Gemeinschaft in der Diaspora, doch inzwischen ist selbst das nächste Pessachfest gefährdet, da es dafür einen zehnten Mann bräuchte. Kann das Fest nicht gefeiert werden, fällt der Besitz der Gemeinde gemäß einem alten Vertrag an den ägyptischen Staat.


Respekt als Grundhaltung

Ben reist von Israel aus in Ägypten ein, doch schon die Mitnahme im Bus ist eine Zitterpartie, da nicht alle Mitreisenden einen Juden in ihrer Nähe tolerieren wollen. Mitten in der Wüste Sinai muss Ben dann tatsächlich auf Druck der Reisenden aus dem Bus aussteigen und wird seinem Schicksal überlassen. Doch sein Gottvertrauen zahlt sich aus: Der Beduine Adel, der mit einem Pritschenwagen nach seinem Kamel sucht, liest Ben auf und nimmt ihn mit durch die Wüste. Der Film nutzt dabei fehlende Lebenspraxis und schroffen Pragmatismus als komischen Kontrast, bis allmählich ein Verständnis zwischen den so unterschiedlich geprägten Charakteren entsteht.

Luzer Twersky (l.), Hitham Omari in "Nicht ganz koscher" (Alpenrepublik)
Luzer Twersky (l.) und Hitham Omari in "Nicht ganz koscher" (© Alpenrepublik)

Die Jury zeigte sich in ihrer Begründung für den Preis vor allem von der Freundschaftsgeschichte berührt, die Gegensätze und Unterschiede überwinde. „Der durch die gemeinsame Reise möglich gewordene Durchbruch zu tiefster Humanität und Großherzigkeit“ mache den Film zu einem würdigen Fritz-Gerlich-Preisträger. Lob fand die Jury auch für die Balance zwischen Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit sowie für den Umgang von Film und Protagonisten mit religiösen Überzeugungen und Praktiken: „Auch wenn sie als fremd, sogar befremdlich erlebt werden – die Grundhaltung ist Respekt.“

Stefan Sarazin und Peter Keller hatten den Stoff für den Film schon zwischen 2002 und 2007 während mehrerer Reisen in die Wüste Sinai und den Nahen Osten entwickelt. 2011 gewann das Skript zu dem Film, der damals noch „No Name Restaurant“ heißen sollte, den Deutschen Drehbuchpreis. Der ursprüngliche Titel spielt auf den unterschiedlichen Umgang der monotheistischen Religionen mit dem Namen für Gott an. Im Film stürzen die beiden Hauptfiguren irgendwann ausgerechnet in ein Wasserloch, wo sie für längere Zeit festsitzen und auf ihre jeweils eigene Art beten. Während der Muslim Adel die 99 Namen für Allah, die im Islam in Gebrauch sind, aufzählt, hat Ben als orthodoxer Jude zwar über 600 Mitzwas, Gebote, zu befolgen (und in dieser Situation aufzuzählen), verwendet aber nur einen Begriff für Gott: „Hashem“ – was nichts anderes bedeutet als „kein Name“. In Szenen wie dieser wächst die Nähe zwischen den beiden Figuren und werden sie mit dem Glauben des anderen vertraut.


Unter den gegebenen Bedingungen

Dabei kommt es dem Film vor allem auch auf den Reifeprozess an, den Ben als Mensch durchmacht. Bislang hatte er abgeschieden von der weltlichen Sphäre nur in seiner Gemeinde gelebt und allenfalls still gegen die Erwartungen seiner Familie aufbegehrt, indem er eine Frau anhimmelte, die arbeitet und auch sonst in der modernen Welt verwurzelt ist.

Die Mission in Ägypten hat er vor allem auf sich genommen, um nicht mit einer unbekannten Israelin verheiratet zu werden. Während der Reise begreift er erst nach und nach, dass die Wüste eigenen Gesetze folgt und beispielsweise Wasser eher zum Trinken als für religiöse Waschungen benötigt wird. Auch die strengen Speisevorschriften lockern sich im Lauf der Reise; unter den gegebenen Bedingungen ist „nicht ganz“ koscheres Essen durchaus akzeptabel.

Aber auch Adel geben die Regisseure mit zunehmender Dauer der Reise mehr Konturen; am Ende geht sein Einsatz für Ben weit über das beduinische Gesetz der Gastfreundschaft hinaus.

Wie zwei zusammenkommen und doch sie selbst bleiben: "Nicht ganz koscher" (Alpenrepublik)
Wie zwei zusammenkommen und doch sie selbst bleiben: "Nicht ganz koscher" (© Alpenrepublik)

Vielleicht etwas märchenhaft, aber sehr folgerichtig drängt alles in „Nicht ganz koscher“ zur gelebten Geste des religions- und kulturübergreifenden Miteinanders. Nicht zuletzt, weil beide Hauptfiguren merken, dass ihre Lebenskulturen im Verschwinden begriffen sind, und sie nur weiterkommen, wenn sie zusammenarbeiten.


Hinweise

Weiterführende Informationen finden sich auf der Website des Fritz-Gerlich-Preises. Hier geht es zur Jurybegründung im Wortlaut.

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