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Nordsee ist Mordsee

Packernder Jugendfilm um zwei heranwachsende Außenseiter auf der Elbe - bis 12.6. in der ARD-Mediathek

Veröffentlicht am
14. Mai 2024
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Der Titel des Jugendfilm-Klassikers von Hark Bohm wirkt nur auf den ersten Blick irritierend, weil in dem Film die Nordsee als Bild gar nicht vorkommt. Statt der berüchtigten „Mordsee“ zeigen die feinfühligen Bilder „nur“ Hamburger Stadtlandschaften und Stimmungsbilder der Niederelbe. Die See ist allerdings der große Freiheitsraum, der in der hintersinnigen Außenseitergeschichte eine zentrale Rolle spielt.

Das geradlinig erzählte Jugenddrama handelt von zwei 14-Jährigen, die aus verschiedenen, aber ähnlich bedrückenden Verhältnissen stammen. Uwe (Uwe Enkelmann) aus Hamburg kommt mit seinem Vater, einem trunksüchtigen Hafenarbeiter, nicht zurecht; der als „Kanake“ verschriene Dschingis (Dschingis Bowakow) leidet unter der gluckenhaften Überfürsorglichkeit seiner Mutter. Die beiden Jugendlichen sind sich zunächst spinnefeind, raufen sich dann aber – wortwörtlich – zusammen und versuchen dem bedrückenden Zuhause zu entfliehen. In ihrer Sehnsucht nach einem „verschärften“ Leben streben sie zuerst einem selbstgebauten Floß und später mit einem gestohlenen Segelboot elbabwärts zur offenen See.

Hark Bohms zweiter großer Spielfilm (nach „Tschetan, der Indianerjunge“) ist eine schön fotografierte Außenseiter- und Freundschaftsgeschichte. Die Inszenierung versucht dabei nicht nur eine kritische Darstellung entwicklungsgefährdender sozialer Verhältnisse, sie zeigt auch eindrucksvoll die Notwendigkeit von Zuneigung und Solidarität.

„Nordsee ist Mordsee“ macht deutlich, wie entscheidend solche Erfahrungen zur Formung und Festigung der Persönlichkeit sind, gerade auch an der Grenze zwischen jugendlichem Unfug, Verwahrlosung und Kriminalität. Mit großer Behutsamkeit leuchtet der Film die von Verbiegung und Verkrüppelung bedrohten seelischen Bereiche der höchst realen Figuren aus, im Gegensatz zu den Erwachsenen, die im Vergleich dazu ziemlich klischeehaft agieren. - Ab 14.

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