Dezemberbraut

Drama | Irland/Großbritannien 1990 | 88 Minuten

Regie: Thaddeus O'Sullivan

Nordirland um die Jahrhundertwende: Gegen den Widerstand von Pfarrer, Behörden und Bevölkerung leben zwei Brüder mit ihrer Magd in einem eheähnlichen Verhältnis zusammen. Trotz gesellschaftlicher Isolation beugen sie sich nicht den Konventionen. In seiner Motivation etwas unklar gefaßt, beeindruckt der Film durch seine Bildsprache, seinen kraftvollen Ausdruck und seine präzis spielenden Hauptdarsteller. (O.m.d.U.; TV-Titel auch: "Winterbraut")
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Filmdaten

Originaltitel
DECEMBER BRIDE
Produktionsland
Irland/Großbritannien
Produktionsjahr
1990
Produktionsfirma
Little Bird/Film Four International
Regie
Thaddeus O'Sullivan
Buch
David Rudkin
Kamera
Bruno de Keyzer · Sean Corcoran
Musik
Jürgen Knieper
Schnitt
Rodney Holland
Darsteller
Saskia Reeves (Sarah) · Donal McCann (Hamilton) · Ciaran Hinds (Frank) · Patrick Malahide (Sorleyson) · Brenda Bruce (Martha)
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Genre
Drama | Literaturverfilmung

Diskussion
Das protestantische Nordirland um die Jahrhundertwende: Das karge bäuerliche Leben wird von Wechsel der Jahreszeiten bestimmt; der Umgang miteinander ist höflich, aber reserviert; der strenge Pfarrer wacht über die Moral und das Seelenheil seiner Gemeinde. Nur die Echlin-Brüder Hamilton und Frank entziehen sich - nach dem Tod ihres Vaters - seinem Einfluß; sie wollen mit einer Religion, aus der schwere soziale Konflikte entstehen, nichts zu schaffen haben. Sarah, ihre junge Magd, die mit ihrer Mutter bei den Echlins einzog, nutzt den Freiraum, um sich über gesellschaftliche Normen und Verhaltensregeln hinwegzusetzen. Sie geht ein Verhältnis mit den Brüdern ein, aus dem sich - nachdem die Mutter den Hof verlassen hat - im Laufe der Zeit ein recht stabiles Beziehungsdreieck entwickelt. Im Zuge ihres freizügigen Miteinanders nehmen die Drei gesellschaftliche Ächtung und Anfeindung in Kauf, trotzen dem Pfarrer und scheren sich auch nicht um die wachsende Isolierung innerhalb des Gemeinwesens. Eine Dreiecksbeziehung, die sich selbst genügt, sollte man meinen, doch zumindest in der ersten Zeit ist das Glück der Brüder getrübt. Beide schmerzt es, wenn Sarah sich dem anderen hingibt. Es kommt zu Handgreiflichkeiten, doch schließlich arrangiert man sich, versucht, das Beste aus der Situation zu machen, zumal Sarah sich beharrlich weigert, sich für einen zu entscheiden und zu heiraten. Als Sarah ein Kind zur Welt bringt, den Namen des Vaters jedoch nicht preisgeben will, wächst der Druck von außen noch einmal, doch Kirche und Gemeinde scheitern an der Willensstärke der jungen Frau. Das ändert sich erst, als Sarahs Tochter, das zweite Kind, ins heiratsfähige Alter kommt. Sie ist nicht vom Freiheitsvirus der Mutter infiziert, sondern möchte ein "anständiges" Leben mit Ehemann und Familie. Um ihr die Zukunft nicht zu verstellen - zum Heiraten braucht sie einen Namen -, willigt Sarah in die Ehe mit Hamilton, dem älteren Bruder, ein. Sie ist nicht gebrochen, sondern nur ein wenig gebeugt und nach wie vor felsenfest davon überzeugt, für ihr Leben das Richtige getan zu haben. Eine recht ungewöhnliche Geschichte, die auf den ersten Blick so wirkt, als würden die falschen Leute am falschen Ort zur falschen Zeit das Falsche tun. Doch sie erweist sich durchaus als stimmig. Ausschlaggebend ist dabei, daß der Protagonistin keine politisch-feministisch gefärbte Motivation untergeschoben wird, sondern daß sie ihren ebenso unkonventionellen wie steinigen Lebensweg fast aus einer Augenblickslaune heraus einzuschlagen bereit ist. Ohne einen ideologischen Hintergrund wird Sarahs krasse Haltung gegen jede Art von Heuchelei und Scheinmoral jedoch auch von dem Gefühl durchmischt, daß sie unfähig, vielleicht auch nur unwillig zu einer eindeutigen Entscheidung ist. Daß der Film trotzdem überzeugt, liegt in erster Linie an den hervorragenden Hauptdarstellern, die ihre inneren Konflikte nie grob veräußerlichen, sondern ihren Schmerz und ihre Enttäuschung durch Blicke und hilflose Gesten zum Ausdruck bringen, und an der vorzüglichen Kameraarbeit und Ausleuchtung, durch die die Stimmung der Personen als die Stimmung des Films wiedergegeben wird. Irland ist hier nie die vielbeschworene grüne Insel, sondern meist mischt sich eine dunkle Farbe - Grau, Schwarz oder Blau - ins Bild, dämpft die Helligkeit und damit die Stimmung. Ist die Farbe eines der Stimmungs-Argumente des Films, so ist das Wetter ein nicht zu unterschätzender Darsteller. Nach naturalistischem Prinzip korrespondiert es stets mit der Gefühlslage der Protagonisten: schnell dahinziehende Wolken raffen nicht nur die Zeit, sondern spiegeln Gefühlswallungen, Stürme peitschen nicht nur die See, sondern toben auch in den Seelen der Menschen und strahlt einmal die Sonne, dann tun dies auch die Augen der Menschen. "Dezemberbraut" ist kein großer Film, aber unverfälschter Ausdruck einer bestimmten europäischen Provinz, ohne dabei provinziell zu wirken. Vor dem Hintergrund der Diskussion, ob europäischer Film, Euro-Film oder Euro-Pudding, belegt diese bescheidene, aber kraftvolle Produktion, was ein Film bei aller Verwurzelung im Land über Grenzen hinweg zu leisten imstande ist: er vermittelt Einblicke in eine fremde Kultur und verweist so - wenn auch indirekt - auf die kulturelle Vielfalt Europas.
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