Drama | Schweiz/Rumänien 2005 | 92 Minuten

Regie: Ruxandra Zenide

Eine junge Frau wächst im Donaudelta am Schwarzen Meer in einem vom Vater dominierten, lieblosen Elternhaus auf und wird systematisch in die Rolle des nicht vorhandenen Sohns gedrängt. Verzweifelt sucht sie nach ihrer weiblichen Identität, doch ihre zögerlichen Ausbruchsversuche scheitern. Erst nach einer Vergewaltigung findet sie den Mut zum endgültigen Aufbruch. Stimmungsvoll fotografierter und ausdrucksstark gespielter Erstlingsfilm, der die Zwänge einer männlich dominierten Gesellschaft augenfällig macht. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
RYNA
Produktionsland
Schweiz/Rumänien
Produktionsjahr
2005
Produktionsfirma
Elefant Films/Navarro Films/PAcific Films/Strada Film
Regie
Ruxandra Zenide
Buch
Marek Epstein · Ruxandra Zenide
Kamera
Marius Panduru
Musik
Antoine Auberson
Schnitt
Jean-Paul Cardinaux
Darsteller
Dorotheea Petre (Ryna) · Valentin Popescu (Biris) · Nicolae Praida (Großvater) · Matthieu Rozé (George) · Aura Calarasu (Mutter)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
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Diskussion
Wind zerzaust Kornähren, wirbelt den trockenen Staub der Landstraße auf. Der Motorlärm eines nahenden Trucks wird lauter, verstummt dann jedoch. Die Autotür öffnet sich knarrend, ein Mann steigt aus. Er wechselt ein paar harsche Worte mit dem alten Mann, der sein müdes Haupt mit der Bärenmütze an die Tanksäule lehnt. Danach folgt Stille, wie vor einem Sturm. Was wie eine Szenerie aus dem Wilden Westen anmutet, spielt im wilden Nordosten von Rumänien. Den grauen Alltag verarmter Menschen im Donaudelta zeigt Ruxandra Zenide in ihrem Spielfilmdebüt „Ryna“ in goldbraun-verwischten Farben. Die 30-jährige Regisseurin wurde in Bukarest geboren und lebt heute in Genf. „Ryna“ erzählt in wenigen Worten, aber mit eindringlichen Gesten und Blicken eine bedrückende Emanzipationsgeschichte über Ländergrenzen hinweg. Die 16-jährige Ryna mit den traurigen Augen darf nicht sein, was sie ist. Ihr Vater schreibt ihr im Detail vor, wie sie und ihr Leben auszusehen haben. Der Vater, der sich immer einen Sohn wünschte, steckt seine Tochter in einen Overall voller Ölflecken und erwartet von ihr, dass sie ihm an der heruntergekommenen Tankstelle rund um die Uhr zur Hand geht. Wenn er sich wie so oft in der einzigen Bar der Ortschaft betrinkt, soll sie ihn ohne Murren nach Hause fahren. Sonst schlägt er mit der Faust so heftig auf den Tisch, dass alle in Deckung gehen. Weder der Großvater noch die Mutter stehen Ryna bei. Nur heimlich legt sie Ohrringe an oder schlüpft im Schutz der Nachbarin in ein Sommerkleid. Dann betrachtet sie sich lange im Spiegel, auf der Suche nach einem eigenen Bild ihrer Identität. Die Frau, die sich fast widerstandslos von ihrem Vater knechten lässt, flüchtet sich in eine mit losen Brettern zusammengenagelte Welt – und in die Arme des jungen Postboten. Doch der lässt sie im Stich, ebenso wie der Franzose Georges, der anthropologische Studien betreibt und ein Auge auf Ryna geworfen hat. Sie auch auf ihn. Auf dem Dorfball tanzen die beiden Verliebten im Schein der Lampions. Für einen Augenblick vergessen sie die Welt um sich herum. Doch das Märchen endet, bevor es richtig beginnt. Ein Verbrechen nimmt seinen Lauf. Erst Tage später taucht Ryna, geschunden und blutüberströmt, wieder auf. Rynas Sehnsucht nach ein wenig Farbe im Leben wird in Zenides Film sofort und kompromisslos von den Männern zerstört. Ihr Erstling ist ein herber Film über den einsamen Kampf einer heranwachsenden Frau, für persönliche Freiheit und Selbstverwirklichung. In leisen Tönen und mit einem eleganten Bildkonzept vermittelt der Spielfilm einen intensiven Ausdruck von Enge und Armut sowie den Zwängen einer männlich dominierten Gesellschaft und dem damit oft zusammenhängenden Machtmissbrauch. Diesen Umständen zum Trotz gesteht Zenide ihrer Protagonistin eine große weibliche Stärke zu. „Ryna“ versinkt nie im Morast von bodenloser Traurigkeit, sondern hält bis zuletzt die Hoffnung aufrecht. Die junge Frau packt schließlich ihre Sachen; gefasst und mutig geht sie einem vermutlich besseren Leben entgegen. Die Handkamera rückt dabei ganz nahe an den Rücken der Protagonistin, so als wollte sie Ryna liebevoll vorwärts schubsen – in der Hoffnung, dass die Straße, auf der sie geht, sich nicht als Sackgasse entpuppt.
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