Die Welt ist grau, trist und eingefahren. Wären da nicht die wunderbaren, herzerwärmenden Geschichten, wie sie nur Balthazar Balsan zu erzählen weiß. Odette verschlingt jeden seiner Romane und schwelgt zu jeder sich bietenden Gelegenheit in ihren Lieblingsstellen. Zwischen dem desillusionierenden Job in der Kaufhaus-Kosmetikabteilung und der destruktiven „Resttätigkeit“ als Hausfrau und Mutter sind die Zeilen die leichte Flucht in eine andere Welt. Kein Wunder, dass Odette, die sich als größten Fan Balsans begreift, einem potenziellen Treffen mit ihrem Liebling in der örtlichen Buchhandlung über Wochen entgegenfiebert. Doch als der große Augenblick für die Mittvierzigerin endlich da ist, endet er im Fiasko; nicht einmal ihren Namen konnte sie für die Buchwidmung richtig aussprechen. Um sich wieder ohne Scham im Spiegel betrachten zu können, schreibt sich Odette alles von der Seele, was sie dem Schriftsteller sagen wollte, schickt den Brief an Balsan und hofft, dass dieser dadurch ein besseres Bild von ihr bekommt. Der etwas blasierte Egozentriker, der dem Vorfall nie wirklich Beachtung schenkte, hätte unter normalen Umständen auch diesen Brief auf den Stapel der alltäglichen Fan-Post gelegt, doch manchmal spielt das Schicksal seltsame Streiche: Balsans aktuelles Buch wird einhellig verrissen, die Frau in seinem Leben gibt ihm den Laufpass, und der einst verwöhnte Erfolgsautor braucht dringend eine Luftveränderung. So klingelt es einen schönen Tages bei Odette Toulemonde an der Tür: Balsan begehrt bei seinem größten Fan Einlass – für die nächsten Tage.
Im Film ist alles möglich, in der französischen Romantik-Komödie ganz besonders, das weiß man spätestens seit „Die fabelhafte Welt der Amélie“
(fd 34 999). Warum also nicht einfach einmal den Wunschtraum vieler Leser(innen) romantischer Belletristik auf die Spitze treiben und den Autor des Herzens kurz – oder besser länger – in den eigenen vier Wänden vorbeischauen lassen? Zumal wenn dieser, wie in „Odette Toulemonde“, nicht ganz unattraktiv ist. Dass im Film alles möglich ist, nutzt Regisseur Eric-Emmanuel Schmitt weidlich aus, und so passiert alles immer aufs Stichwort, gerade im passendsten Moment. Sicher sind unwahrscheinliche Zufälle möglich, um die Handlung auf neue Sprünge zu bringen, doch wenn sie das ganze dramaturgische Konzept eines Films tragen, wirkt das auf die Dauer unbefriedigend. Dann hilft es auch nicht, wenn man – wie das Vorbild „Amélie“ – mit im wahren Sinne des Wortes federleichten fantastischen Regieeinfällen spielt, um einer Geschichte, die nicht gerade die glaubwürdigste ist, eine unbeschwerte Note zu geben. „Odette Toulemonde“ spielt mit den Wunschträumen des kleinen „Allerwelts“-Mannes (oder der kleinen Frau); er kokettiert mit der Spießigkeit der Welt, in der er/sie lebt; er nimmt sie ein wenig aufs Korn. Doch am Ende bleibt nicht viel mehr von allem als die Miefigkeit, der „Odette Toulemonde“ eigentlich entfliehen will.