Die Reise des chinesischen Trommlers

- | Hongkong/Taiwan/Deutschland 2007 | 118 Minuten

Regie: Kenneth Bi

Ein junger Heißsporn, der von seinem Vater, einer Hongkonger Unterweltgröße, in Sicherheit gebracht wurde, trifft in der Bergeinsamkeit Taiwans auf eine Gruppe von Zen-Trommlern. Er will ihr beitreten, muss dafür aber lernen, sein Temperament zu zügeln. Mit meditativen Mitteln beschreibt der Film die zweite Menschwerdung eines Mannes, der zu sich selbst findet und zur Aussöhnung mit seinem Vater bereit ist. Der mitunter etwas zu glatt geratene Film bietet reizvolle Ansätze, die eigene Lebenshaltung zu überdenken. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ZHAN. GU
Produktionsland
Hongkong/Taiwan/Deutschland
Produktionsjahr
2007
Produktionsfirma
Kenbiroli Films/Twenty Twenty Vision Filmprod./Emperor Motion Pic.
Regie
Kenneth Bi
Buch
Kenneth Bi
Kamera
Sam Koa
Musik
Andre Matthias
Schnitt
Kenneth Bi · Isabel Meier
Darsteller
Jaycee Chan (Sid) · Tony Leung (Kwan) · Angelica Lee (Hong Dou) · Roy Cheung (Ah Chiu) · Kenneth Tsang (Stephen Ma)
Länge
118 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Neue Visionen (16:9, 1.78:1, DD5.1 Mandarin/kanton./dt.)
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Alles beginnt und endet mit einer Jagd, wobei die Jäger zwar Wildschweine vor sich her treiben, im Grunde aber kapitalere Ziele im Visier haben. Stephen Mas Männer etwa den Schlagzeuger Sid, der sich mit der Freundin ihres Bosses vergnügt. Die beiden werden in flagranti erwischt. Aus Respekt vor Sids Vater Kwan, einer mächtigen Unterweltgröße in Hongkong, besteht Ma nicht auf dem Tod des jungen Mannes, sondern begnügt sich damit, dass ihm beide Hände abgehackt werden. Kwan, der auch ein Gesicht zu verlieren hat, geht zum Schein auf den Handel ein, schafft seinen rebellischen Sohn aber mit Hilfe seines treuen Adjutanten Ah Chiu außer Landes, in die malerische Abgeschiedenheit der Berge von Taiwan, wo Sid untertauchen und sein Mütchen kühlen soll. Dieser denkt zunächst aber gar nicht daran, bleibt störrisch und großmäulig. Doch eines Tages wecken ferne Trommelklänge sein Interesse. Er geht den Geräuschen nach und stößt auf eine Gruppe von Zen-Trommlern, die sich in mönchischer Abgeschiedenheit und Askese auf eine Welttournee vorbereitet. Sid ist sofort Feuer und Flamme und will bei den Trommlern einsteigen. Doch sein Temperament ist mit dem Zen-Gedanken nur schwer zu vereinbaren; Selbstbeschränkung, Bescheidenheit und Disziplin lautet die Devise. So straft die Truppe den jungen Heißsporn zunächst mit Missachtung, erst später wird er aufgenommen und kann mit seiner Lehre beginnen. Die besteht allerdings längst nicht nur im Trommeln; Sid muss Steine sammeln und die Fundstücke bei langen Wanderungen in einem Jutesack bis zur Erschöpfung schleppen. Im Wortsinn lernt er, sein Päckchen zu tragen. Erst als er nicht mehr gegen diese Übung aufbegehrt, ihren Sinn nicht mehr hinterfragt, sondern geduldig Tag für Tag sein Los erträgt und dabei allmählich einen Sinn für die Schönheiten der Natur entwickelt, ist er würdig, in den Kreis der Trommler aufgenommen zu werden; mit einem Trommelschlag als Belohnung und Erlösung und als Klangzeichen für einen Neuanfang. Während Sid in Taiwan in aller Bedächtigkeit entschleunigt wird, entwickeln sich die Dinge in Hongkong dagegen unter Hochdruck. Irgendwie ist Sand ins Getriebe von Kwans Imperium geraten. Die Geschäfte laufen nicht mehr so gut, jeder misstraut jedem. Nachdem ein Deal an die Polizei verraten wurde, wandert der mächtige Kwan ins Gefängnis. Sid, der mit seiner Truppe ebenfalls in Hongkong weilt, weil die Welttournee von dort aus starten soll, widmet dem bislang ungeliebten Vater zum Abschied ein Solokonzert vor den Mauern des Gefängnisses. Als Kwan beim Hofgang ermordet wird, muss sich Sid für eines der beiden Wertesysteme entscheiden, die ihm mittlerweile vertraut sind. Er scheint zunächst den Weg des Schwertes zu wählen, denn er lädt den Vertrauten seines Vaters zur Wildschweinjagd. „Die Reise des chinesischen Trommlers“ ist ein in weiten Teilen meditativer Film über die zweite Menschwerdung eines jungen Mannes, der in einer überwältigenden Natur lernt, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen, der begreift, was Entsagung heißt, und gleichzeitig eine Bereicherung erfährt, die abseits aller materiellen Güter liegt. Regisseur Kenneth Bi entwirft mit seinem zweiten Spielfilm eine zeitlose, universelle Geschichte, die an existenzielle Wurzeln rührt. Der Filmemacher geht dabei über weite Strecken geschickt vor, lässt Bilder und landschaftliche Schönheiten für sich sprechen, neigt mitunter allerdings auch dazu, Zen mit westlich rationalem Denken kombinieren zu wollen, was innerhalb weniger Szenen schlicht zum Scheitern verurteilt ist. Eine Geisteshaltung, die sich unter anderem auf paradoxe Fragestellungen einlässt („Wie klingt das Geräusch einer klatschenden Hand?“), um das Ich auszublenden, kann schwerlich mit wenigen Worten oder mittels einiger weniger Szenen erklärt werden. Ein Hauch von Zen wird allerdings spürbar, wenn man sich auf die Trommler des weltberühmten U-Theatres konzentriert, ihre gelassene Anspannung in sich aufnimmt und zu verstehen versucht, dass für sie auf der Bühne nur der eine Augenblick, der im nächsten Sekundenbruchteil zu erzeugende Ton, existiert. Kenneth Bi gelingt mit überzeugenden Darstellern – in der Hauptrolle Jaycee Chan (der Sohn von Jackie Chan) – und einem kontrollierten Actionpotenzial ein feiner Balanceakt, mit dem nicht nur ein Vater-Sohn-Konflikt ausgeleuchtet, sondern auch der Beweis erbracht wird, dass sich Genrekino und Nachdenklichkeit nicht ausschließen müssen. Dramaturgisch nutzt Bi souverän die Schauplätze seines Films, wenn er seinen jugendlichen Helden in sonnendurchfluteten Bergwäldern und bei Teezeremonien zur Besinnung kommen lässt, während sein Vater in pechschwarzen Hongkonger Nächten und beim Whisky mit fragwürdigen Freunden sein Leben verzockt. „Die Reise des chinesischen Trommlers“ bietet überdenkenswerte, manchmal allerdings auch allzu glatte Ansätze, die Haltung zum eigenen Leben zu überdenken. Dazu braucht man nicht unbedingt Zen, aber den Mut, eine neue Sicht zu gewinnen. Mitunter ist man dann auch schon fast beim Geräusch einer klatschenden Hand oder zumindest in dessen Nähe.
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