Drama | Deutschland/Österreich 2008 | 92 Minuten

Regie: Luigi Falorni

Auf einer in ihrer Authentizität umstrittenen Autobiografie beruhende Schilderung des Schicksals einer Kindersoldatin, die in Eritrea in den Konflikt verfeindeter Rebellenmilizen verstrickt war. Der Film krankt an einer Inszenierung, die zwar aus einer vorgeblich kindlich-naiven Perspektive, jedoch unter Verzicht auf konkrete zeitliche und räumliche Verortungen die Drastik dessen, was Kindersoldaten erleben, bagatellisiert. Überzeugend ist dagegen die Hauptfigur, ein willensstarkes Mädchen, das den fanatischen Indoktrinationen durch die Miliz Widerstand entgegensetzt. - Ab 14 möglich.
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Filmdaten

Originaltitel
FEUERHERZ
Produktionsland
Deutschland/Österreich
Produktionsjahr
2008
Produktionsfirma
TV60Film/Senator Film Prod./Aichholzer Filmprod./Beta Film/BR/ARTE/ORF
Regie
Luigi Falorni
Buch
Luigi Falorni
Kamera
Judith Kaufmann
Musik
Stephan Massimo
Schnitt
Anja Pohl
Darsteller
Letekidan Micael (Awet) · Solomie Micael (Freweyni) · Seble Tilahun (Ma'aza) · Daniel Seyoum (Mike'ele) · Mekdes Wegene (Amrit)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14 möglich.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Senator/Universum (16:9, 1.85:1, DD5.1 dt.)
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Diskussion
Die perverse Kriegspraxis, Kinder als Soldaten zu rekrutieren und sie zum Töten auszubilden, ist universal, da spielt die Authentizität eines speziellen Falles eine untergeordnete Rolle – sollte man meinen. So gesehen war die Aufregung um den deutschen Wettbewerbsbeitrag „Feuerherz“ auf der „Berlinale“ 2008 nicht mehr als ein feuilletonistisches Strohfeuer. Die Verfilmung des gleichnamigen Romans der eritreisch-deutschen Sängerin Senait Mehari stieß gleich an mehreren Fronten auf Kritik. Einerseits wurde das autobiografische Konstrukt, also der Wahrheitsgehalt von Meharis Erfahrungen als ehemalige Kindersoldatin in Frage gestellt. Andererseits erkannten sich Weg- und Zeitgenossen wieder, fühlten sich diffamiert oder behaupteten, dass während des eritreischen Unabhängigkeitskampfes gegen Äthiopien Anfang der 1980er-Jahre nie Kindersoldaten zum Einsatz gekommen sind. Ein Fall für die Gerichte, nicht für die Kunstkritik. Die könnte sich eher schwer damit tun, dass„Feuerherz“ sich wie ein Erwachsenenfilm geriert, in seiner entschärften Herangehensweise an das Sujet aber den Regeln des Jugendfilms gehorcht. Dabei lässt die Inszenierung des Schicksals der kleinen elternlosen Unabhängigkeitskämpferin seltsam kalt und ratlos zurück. Zu groß und nüchtern ist die Distanz zu den Geschehnissen und den eindimensional agierenden Charakteren, von denen Regisseur Luigi Falorni aus kindlich-naiver Perspektive erzählt. Das impulsive Mädchen mit dem bunten Talisman – das gestickte Stoffemblem eines flammenden Herzens – und dem überbordenden Gerechtigkeitssinn wird zur Stimme der Moral in Zeiten der Unterdrückung. Ausgesetzt in einem Koffer, wurde Awet zehn Jahre lang von italienischen Nonnen erzogen, bis eines Tages ihre richtige Schwester Freweyni vor dem grünen Eisentor des Waisenhauses in Asmara steht, um Awet zu ihrem Vater zu bringen. Hier sollen die beiden „Mitesserinnen“ für die neue Familie schuften, während der Vater in der Dorfkneipe seine vermeintlichen Verletzungen im Bürgerkrieg aufbauscht. Bald zeichnen sich die Konflikte zwischen den rivalisierenden Unabhängigkeitskämpfern ab, die später auch die „Töchter Eritreas“ dezimieren werden. In diese Rebellengruppe werden Awet und ihre Schwester abgeschoben. Zu jung, um mit der Waffe umzugehen, erhält Awet ein Holzgewehr und Unterricht in Geographie und Geschichte; sie bewundert ihr Vorbild, die schöne Gruppenführerin Ma’aza, und findet eine Ersatzfamilie, erkennt letztendlich aber doch, auf welch wackeligen Beinen ihre Ideale und die proklamierte Gleichheit stehen, wenn es um Leben oder Tod geht. Mit „Die Geschichte vom weinenden Kamel“ (fd 36 306) war Luigi Falorni eine semi-dokumentarische, märchenhafte Erzählung über ein junges Kamel gelungen, das in der mongolischen Wüste vom Muttertier nicht angenommen wurde. Seinem ersten Spielfilm über die Wehrlosigkeit und Beeinflussbarkeit von Kindern in der vom Fanatismus aufgeheizten Wüste Äthiopiens fehlen die nötige Straffung und das Gefühl fürs Timing. Falorni scheint die Schrecken des Krieges und des Einsatzes von weltweit etwa 300.000 Kindersoldaten ohne Sensationsgier und schlagzeilenträchtige Gräueltaten nahe bringen zu wollen. In Kombination mit dem Verzicht auf nahezu alle zeitlichen und örtlichen Orientierungspunkte wirkt dieses Vorgehen jedoch fast wie eine Bagatellisierung der stoisch aneinander gereihten Erlebnisse; der Anspruch, eine allgemein gültige Parabel über das Schicksal der kleinen Soldaten zu liefern, bleibt unerfüllt. Dass Kinder in einem Krieg noch weniger verloren haben als Erwachsene, ist nichts Neues, und dass sich der künstlerische Nährwert nicht nach Faktentreue, sondern nach der inneren Wahrhaftigkeit einer Erzählung bemisst, auch nicht. Ob der Roman und dessen Verfilmung tatsächlich autobiografisch sind und inwieweit man beide als „wahre Geschichte“ verkaufen darf, fällt unter Definitionsstreit. Dass dieser bereits während der Drehbuchentwicklung vom Zaun gebrochen wurde und ihm auch die Kooperationsbereitschaft der eritreischen Regierung zum Opfer fiel, scheint nicht nur die Drehbedingungen verschlechtert, sondern auch den Mut der Filmemacher empfindlich getroffen zu haben. „Inspiriert durch den gleichnamigen Bestseller“: Der ergänzte Untertitel bringt die Positionslosigkeit auf den Punkt, mit der Falorni über die Abgründe seines Stoffs schwebt, um ja niemandem auf die Füße zu treten.
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