„Das Programm der künstlichen Anfertigung des Menschen stellt in unserem Kulturkreis eine Gotteslästerung dar. Der Schöpfungsakt soll vom Menschen wiederholt werden; es handelt sich um eine Karikatur, um den menschlichen Versuch, dem Gotte gleich zu werden“, hat Stanislav Lem einmal geschrieben, verbunden mit der Warnung, dass „ein solches Wagnis nicht glücken kann“. Die Schaffung künstlicher Intelligenz, von anthropomorphen Robotern, von Androiden, also Menschenähnlichen, gehört von Beginn an zu den populären Mythen des fantastischen Films, immer gekoppelt mit der Angst, dass die Androiden, ihrer größeren Widerstandskraft und Intelligenz wegen, zur Gefahr für den Menschen werden. Zuletzt am deutlichsten ausformuliert wurde das in Ridley Scotts „Blade Runner“
(fd 23 689) und James Camerons „Terminator“
(fd 25 019), in dem die Roboter sogar die Welt beherrschen. Mit der „Erfindung“ der Roboterfrau kommt spätestens seit „Metropolis“ (1927, (fd 7917)) noch das Moment der Verführung, die Möglichkeit körperlicher Liebe, hinzu – und damit die Frage, ob Androiden wissen, was Sex und Gefühle bedeuten. Alex Garland, Autor des Romans „Der Strand“ und des Drehbuchs zu „28 Days Later“
(fd 35 987), geht in seinem Regiedebüt diesen Fragen nach, ebenso aufregend wie anspruchsvoll.
Caleb, 24-jähriger Informatiker, staunt nicht schlecht, als er in den Bergen von Alaska vor dem Haus seines zurückgezogen lebenden Konzernchefs Nathan steht: eine flache, hochmoderne und klimageschützte Villa aus graugestrichenem Holz und durchgehenden Glaswänden, eingelassen in die Felsen, die sie umgeben. Caleb hat einen firmeninternen Wettbewerb gewonnen, sein Preis ist eine Woche Aufenthalt, hier, im Hochsicherheitstrakt seines Chefs. Schon die erste Begegnung ist bezeichnend für das Machtspiel, das sich nun entspinnen wird. Da schlägt Nathan, mit kahlgeschorenem Kopf, dichtem Bart und nackter Brust martialisch aussehend, auf einen Sandsack ein. Er ist ein arroganter Macho, der sich in der Attitüde des allwissenden Genies gefällt. Denn: Nathan forscht auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz und hat einen Androiden kreiert, der sich als bildschöne Roboterfrau namens Ava entpuppt. Calebs Aufgabe: Er soll in mehreren Sitzungen durch geschicktes Fragen herausfinden, ob Ava ein Bewusstsein von sich hat, von Gefühlen und Sehnsüchten. Nathan, der die Sitzungen beobachtet und aufzeichnet, bleibt die wachsende Faszination, die Ava auf Caleb ausübt, nicht verborgen. „Mag Ava dich wirklich? Oder gibt sie nur vor, dich zu mögen?“ fragt er ihn. Und dann wird dem jungen Mann klar, dass er den Auftrag aus einem ganz bestimmten Grund erhalten hat. Doch auch Ava betreibt ihre eigene Agenda…
Der enthusiastische, intelligente, aber auch naive Schwärmer, das selbstherrliche Genie und die schöne Androidin, die zwischen Künstlichkeit und Menschlichkeit pendelt – Alex Garland entwirft ein komplexes Beziehungsdreieck, in dem Caleb zum Spielball unterschiedlicher Interessen von Schöpfer und Kreatur wird. Von beiden Seiten manipuliert, driften Gefühle und Denken Calebs vehement auseinander, so dass er – in einer beklemmenden Szene – schon bald an seinem eigenen Menschsein zweifelt. Diese Unsicherheit wird, neben dem elektronischen Soundtrack von Geoff Barrow und Ben Salisbury, durch die kühle High-Tech-Architektur von Nathans Anwesen noch verstärkt. Lange kahle Gänge, von roten Lichtflecken spärlich erleuchtet, schwere Türen, die sich nicht jedem öffnen, und spartanisch eingerichtete Räume prägen das Design. Caleb ist während der Sitzungen in einem Glaskasten gefangen, der zwar den Blick auf einen Garten gewährt, aber den Zugang dorthin verweigert. Eine offene und doch geschlossene Umgebung, die trotz der Nähe die Figuren trennt, von Kameramann Rob Hardy mit geschickten Lichtwechseln oder Schärfeverlagerungen zusätzlich verstärkt.
Natürlich ist „Ex Machina“ auch eine Liebesgeschichte, so wie schon Spike Jonzes „Her“
(fd 42 272) eine Liebesgeschichte zwischen scheuem Einzelgänger und künstlicher Intelligenz war. Fast hat man den Eindruck, als hätte Samantha, jenes Operationssystem, dem Scarlett Johansson dort ihre Stimme leiht, endlich mit der ausdrucksstarken Alicia Vikander einen entsprechenden Körper gefunden. Kein Wunder, dass sie Caleb verwirrt.