Rico, Oskar und das Herzgebreche

Kinderfilm | Deutschland 2015 | 95 Minuten

Regie: Wolfgang Groos

Der zehnjährige „tiefbegabte“ Rico und sein gleichaltriger Freund, der hochintelligente Oskar, spüren dem Rätsel um Ricos Mutter nach, die beim Bingo-Spiel schummelt und in dunkle Geschäfte verwickelt zu sein scheint. Ebenso spannende wie amüsante Fortführung der Erlebnisse der beiden ungleichen Freunde aus der Roman-Trilogie von Andreas Steinhöfel als Mischung aus Krimi und Milieubeschreibung. Mitunter mit mehr Klamauk und etwas weniger Fingerspitzengefühl inszeniert als der erste Teil, punktet der Film dennoch erneut durch seine ernsthafte Einlassung auf die Gefühle seiner kindlichen Hauptdarsteller. - Sehenswert ab 8.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Lieblingsfilm/Fox International
Regie
Wolfgang Groos
Buch
Martin Gypkens
Kamera
Stefan Biebl
Schnitt
Marco Pav D'Auria
Darsteller
Anton Petzold (Rico Doretti) · Juri Winkler (Oskar) · Karoline Herfurth (Tanja Doretti) · Katharina Thalbach (Ellie Wandbeck) · Henry Hübchen (Van Scherten)
Länge
95 Minuten
Kinostart
11.06.2015
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 8.
Genre
Kinderfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Heimkino

Die Edition enthält eine Audiodeskription für Sehbehinderte. Die Extras enthalten u.a. ein Feature mit sieben im Film nicht verwendeten Szenen (7 Min.).

Verleih DVD
Fox (16:9, 2.35:1, DD5.1 dt.)
Verleih Blu-ray
Fox (16:9, 2.35:1, dts-HDMA dt.)
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Zweiter Teil der Kinderbuch-Trilogie nach Andreas Steinhöfel

Diskussion
Rico Doretti mag ein „tiefbegabtes Kind“ sein, aber auf seine feinen Antennen ist Verlass. Auch wenn seine Mutter Tanja noch so fröhlich tut, verraten ihm ihr abwesender Blick oder ihre bemühte „Alles ist gut“-Attitüde, dass ihr etwas auf der Seele liegt. Und wie immer findet Rico dafür seine ganz eigene, höchst treffende Bezeichnung: Tanja leidet unter „Herzgebreche“. Dabei geht es Rico selbst gerade so richtig gut. Der Trubel um ihn und Oskar, mit dem er in „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ (fd 42 450) den Kindesentführer Mister 2000 dingfest machte, ist abgeklungen, und sein hochbegabter bester Freund kommt endlich aus den Ferien zurück. Zur Feier des Tages geht es zunächst in die Pizzeria, dann zum Bingo-Abend. Wobei Oskar etwas beobachtet, das kein gutes Licht auf Ricos Mutter wirft: Tanja schummelt beim Spiel und streicht den Preis ein, ohne dass die „Bingotrommel-Tante“ Ellie Wandbeck die Lüge aufdeckt. Drehen die beiden Frauen womöglich gemeinsam ein krummes Ding? Schließlich verkauft Tanja die gewonnenen Ledertaschen im Internet und dürfte daran ganz gut verdienen. Als Oskar sich endlich ein Herz fasst und Rico in seine Beobachtung einweiht, gerät für den „alles in äußerste Unordnung“. Dabei weiß Rico, dass seine Mutter nie etwas tun würde, was sie ins Gefängnis und damit von ihm fortbringen würde. Also müssen er und Oskar unbedingt herausfinden, was an dem schrecklichen Verdacht dran ist. Folgefilme haben es immer schwer, umso mehr, wenn der Vorgänger so erfolgreich war wie „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ von Neele Leana Vollmar. Ihre Adaption des gleichnamigen Kinderbuchs von Andreas Steinhöfel nahm die jungen Helden ernst, missbrauchte die Großstadt nicht als Sozial- oder Milieustudie und unterhielt wunderbar mit tollen Schauspielern und originellen visuellen Ideen. Auch der zweite Teil, nun inszeniert von Wolfgang Groos („Die Vampirschwestern 1 & 2“, fd 41 464/fd 42 632), wird diesen Kriterien weitgehend gerecht – freilich mit etwas weniger Fingerspitzengefühl und deutlich mehr Klamauk. Rico, dessen Orientierungssinn bekanntermaßen nicht der beste ist, erlebt dieses Mal eine Horizonterweiterung, und das im doppelten Sinne: Er verlässt seinen heimeligen Kiez und gerät bei einer Verfolgungsjagd im Auto des exzentrischen, aber selbstlos hilfsbereiten Rentners Herr van Scherten aufs platte Land. Danach verschlägt es die beiden Jungs dann in den Bauch der Stadt: Für ihre Ermittlungen müssen Rico und Oskar schließlich den Nachtclub aufsuchen, in dem Ricos Mutter arbeitet, was Oskar zunächst durchaus schockiert. In dieser Hinsicht schont der Film, ähnlich wie es der Roman tat, keinesfalls seine junge Zielgruppe: Unverkrampft und ohne erhobenen Zeigefinger zeigt er, dass Orte, wo „Männer sich einen schönen Abend machen können“, Teil der gesellschaftlichen Realität sind. Ebenso gehört es ja zu Ricos Leben, dass seine Mutter nachts dort arbeitet, was sie noch lange nicht zu einem schlechten Menschen macht. Auf der anderen Seite ist für Rico und Oskar die Welt der Erwachsenen mitunter missverständlich, was der Film noch etwas mehr überzeichnet als der erste Teil. Henry Hübchen spielt Herrn van Scherten als Galan alter Schule, Moritz Bleibtreu den Möchtegern-Mafioso Bruno als „Knalltüte“, die unter der Fuchtel ihrer Mutter steht. Deutlich wird freilich, dass die Erwachsenen nicht immer alles im Griff haben und sich einige sogar zum Leidwesen der Kinder ziemlich rücksichts- und verantwortungslos benehmen. Bei alldem ist „Rico, Oskar und das Herzgebreche“ insgesamt etwas ernster als der Vorgängerfilm, geht es doch um Kummer in allen möglichen Schattierungen, von dem selbst Rico mit seinem unerschütterlichen Urvertrauen nicht verschont bleibt; und dass „der Bühl“, den er sich bereits als neuen Papa auserkoren hat, offenbar was mit einer anderen Frau („der Champagner-Tussi“) zu tun hat, lässt ihn an einer gerechten Welt zweifeln. Nur gut, dass er eine liebevolle Mutter hat, wovon der betrübte Oskar nur träumen kann: Er muss so einiges wegstecken, vor allem weil ihn sein Vater wieder einmal im Stich lässt. Was die Jungs aber nur noch mehr zusammenschweißt: Ihre Stärke besteht gerade darin, sich gegenseitig so zu akzeptieren, wie sie sind. Wo Oskar ängstlich ist, ist Rico mutig, wo dieser die Übersicht verliert, übernimmt sein Freund das Kommando. Zusammen wird dann sogar der komplizierte Kauf einer S-Bahn-Fahrkarte zum Kinderspiel. Am Ende ist zumindest Ricos Welt wieder in Ordnung. Es gibt ein paar gebrochene Herzen weniger, neue Erkenntnisse und eine Weisheit – ausgerechnet von Fitzke, Ricos misanthropischem Nachbarn: „Ohne das richtige Gefühl geht gar nichts.“ Fitzke bezieht dies zwar auf seine bizarre Steinzucht (ein Verweis auf den letzten Teil der Trilogie), und doch trifft es auch auf diesen Film zu, bei dem das Gefühl für Kinder stets richtig ist – auf und vor der Leinwand.
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