Die Chemie zwischen den beiden unermüdlich den Gedankenfaden spinnenden Senioren stimmt. Das Assoziations-Ping-Pong kommt nur zum Stillstand, wenn Anselm Kiefer in seinem Riesenatelier »Arsenal« in Croissy-Beaubourg bei Paris einige Sekunden am langen Arbeitstisch in sich geht, um den nächsten Sprung von der Darmflora zu Grimms Wörterbuch, von der Zufallsmaschine der Zahlen zu Shakespeares »Othello« oder von der Anatomie des Kentauren zum Kosmos, der in jeder menschlichen Zelle steckt, vorzubereiten. Schon die ersten zehn Minuten des wild mäandernden Dialogs machen schwindlig. Doch man möchte noch mehr davon, denn auf Alexander Kluge ist Verlass.
Als Stichwortgeber einer nie endenden Wissensoffensive versagt er auch bei dieser Begegnung mit einem der international bekanntesten deutschen Gegenwartskünstler nicht. Es geht immer weiter, die Kamera schweift an den großformatigen Bildern vorbei und fokussiert auf Details; wenn dem Duo doch mal der Atem ausgeht, sorgen animierte Kurzfilme für Nebenwege und Abkürzungen, die man niemals zu nehmen gewagt hätte, von einem U-Boot etwa zum Gastmahl des Belsazar und dann zum NS-Parteitagsgelände in Nürnberg. Anselm Kiefer schlägt sich trotz nervöser Blicke und eines unkontrollierten Lachens tapfer, analysiert seine eigenen Ideen, widerspricht hin und wieder und versetzt sich bereitwillig in seine Kindheit, die Zeit einer natürlichen Kreativität, die er sich heute schwer erkämpfen muss.
Wem das Tempo zu schnell ist, der kann in dem instruktiven Booklet Zusammenfassungen der Gesprächskapitel nachlesen. Hier bekommt man auch Informationen über das verwendete Bildmaterial anderer Künstler und Denker. In dieser ausufernden Gelehrtenrepublik, wo Namen wie Hölderlin, Einstein, Rembrandt, Robert Fludd, Napoleon, Heisenberg, Benjamin und vieler anderer im Stakkato-Modus fallen, ließe sich fabelhaft Urlaub von der dummdreisten Trump-Welt nehmen, wenn da nicht der etwas eitle Übereifer zweier Vorzeigeintellektueller wäre, die alles dafür tun, um sich in den Club der zitierten Vorgänger einzureihen. Sei es drum: Kein geistiger Mehrwert ohne maskulines Geniestreben.