Drama | Kosovo/Albanien 2019 | 96 Minuten

Regie: Antoneta Kastrati

Eine junge Frau aus einem Dorf im Kosovo, die im Krieg ihre kleine Tochter verloren hat, wird nicht wieder schwanger, weshalb ihre Familie die Dienste von Hexen und Wunderheilern in Anspruch nimmt. Als sie sich dieser Behandlung widersetzt, droht ihr Mann, sich eine jüngere Frau zu nehmen. Als sie einlenkt, wird sie zusehends von Albträumen heimgesucht, in denen sich ihre traumatischen Erfahrungen spiegeln. Ein auf autobiografischen Erfahrungen beruhendes Psychodrama über eine Gesellschaft, die zwar ihre gefallenen Märtyrer verehrt, aber keinen Platz für die lebenden Opfer findet. Der Hang zu einer gewissen Symbolik wird dabei durch Einfühlsamkeit und wirkmächtige Bilder aufgefangen. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
ZANA
Produktionsland
Kosovo/Albanien
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Crossing Bridges Films/Alief/On Film Prod.
Regie
Antoneta Kastrati
Buch
Casey Cooper Johnson · Antoneta Kastrati
Kamera
Sevdije Kastrati
Musik
Dritero Nikqi
Schnitt
Antoneta Kastrati
Darsteller
Adriana Matoshi (Lume) · Astrit Kabashi (Ilir) · Fatmire Sahiti (Remzije) · Mensur Safqiu (Dr. Murati) · Vedat Bajrami (Vedat)
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Auf autobiografischen Erfahrungen beruhendes Psychodrama um eine junge Frau aus dem Kosovo, die im Krieg ihre kleine Tochter verloren hat. Als die Gesellschaft sie zwingt, wieder schwanger zu werden, zieht sie sich in ein seelisches Schattenreich zurück.

Diskussion

Das Kino aus dem Kosovo ist in der internationalen Filmlandschaft längst kein Unbekannter mehr. Mitte der 1990er-Jahre war es Altmeister Isa Qosja, der im damals noch jugoslawischen Staatsverband eine Filmsprache zwischen Groteske und Drama entwickelte. Seitdem wurden die serbische Machtpolitik gegenüber den Albanern im Kosovo und die daraus entstandenen kriegerischen Auseinandersetzungen immer wieder thematisiert. Der anfängliche patriotische Kontext wich bald gesellschaftskritischen Untertönen: Wie vertragen sich Patriarchat und Europakurs? Was passiert mit den seelischen Wunden des Krieges, wenn sie aus Staatsräson nicht mehr aufbrechen dürfen?

Auch das Spielfilmdebüt der kosovarischen Regisseurin Antoneta Kastrati mit dem Titel „Zana“ reflektiert diesen Gegensatz. Der Krieg ist vorbei, aber nichts ist wie zuvor. Während die Gesellschaft draußen den neuen Frieden feiert, wird die 25-jährige Lume von traumatischen Erinnerungen geplagt. Während die anderen sich nach Normalität, wächst der Druck auf sie, sich anzupassen statt aufzuarbeiten. Lume läuft distanziert über die Felder ihres kleinen Heimatdorfs und hat sich von ihrem Mann und der Schwiegermutter entfremdet. Ein Kind soll her, ein neues Leben, das für Aufbruch und Erneuerung sorgen soll. Dafür bemühen sie eine Wunderheilerin, eine Hexe und sogar einen berühmten Fernsehpriester, der für seine Sitzung 500 Euro nimmt – mehr als das monatliche Einkommen der bäuerlichen Familie. Doch Lume bleibt in sich gekehrt, am Esstisch, im Ehebett und bei der rituellen Ehrung für die im Unabhängigkeitskrieg gefallenen Märtyrer. Und auch dann, als sie am Ende doch noch mal schwanger wird.

Die Vergangenheit im Kopf

Die Wunden aber lassen sich durch Zwang nicht heilen. Zana hieß Lumes kleine Tochter, die im Krieg getötet wurde. Man sieht sie am Ende eines Hochzeitsvideos, von dem man dachte, dass irgendjemand es längst aus dem Haus geschafft hätte. Doch die Vergangenheit im Kopf lässt sich nicht entsorgen. Die Regisseurin beschreibt in ihrem Psycho-Drama die komplexen Folgen einer einfachen Wahrheit. Die Kamera, geführt von Kastratis Schwester Sevdije Kastrati, bleibt nah an der Protagonistin. Akribisch begibt sie sich auf die Suche nach jeder noch so kleinen Gefühlsäußerung einer Frau, deren Seelenleben zwischen Traumata und Konformitätsdruck erstickt wird. Immer mehr entfernt Lume sich in ein Schattenreich, symbolisiert durch Nacht- und Mondlichtszenen, einen ewigen Winter gleich, der ihr am Ende zur Heimstatt wird.

Das ist eine zuweilen an Pathos grenzende Symbolik. Doch Kastrati, die bisher mit Dokumentarfilmen zu zivilgesellschaftlichen Themen reüssierte, weiß, wovon sie spricht. Sie verlor im Krieg selbst ihre Mutter und ihre Schwester. Ihr Spielfilmdebüt atmet eine Authentizität und Trauer, in der sich teilnehmende Beobachtung und wirkmächtige Bildkompositionen organisch ergänzen. Wie in Lumes gespaltener Seele, die beispielhaft für viele steht, die von diesem Krieg physisch genesen sind, seine Spätfolgen aber bis zum Lebensende mit sich tragen und in einer Gesellschaft leben, die zwar ihre gefallenen Märtyrer ehrt, aber keinen Platz hat für die lebenden Opfer.

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