Drama | Deutschland 2024 | 90 (6 Folgen) Minuten

Regie: Esther Rauch

Eine Kölner Lehrerin, die Mutter einer zehnjährigen Tochter ist, wird unerwartet schwanger. Da sie kein zweites Kind bekommen möchte, plant sie eine Abtreibung. Das stürzt sie in schmerzhafte Konflikte, da ihr Mann von ihren Plänen zutiefst verletzt ist. Zudem erweist sich eine Abtreibung, die in Deutschland zwar straffrei, aber illegal ist, als hürdenreich, und auch sie selbst muss sich aufwühlenden Fragen stellen. Eine kompakte, pointierte Serie in sechs 15-minütigen Folgen, die packend die Situation von Frauen beleuchtet, die ungewollt schwanger werden. Da die Protagonistin nicht aus einer Notsituation heraus handelt, prallen viele Haltungen zur Abtreibung aufeinanderprallen und verdichten das moralische Dilemma eines Schwangerschaftsabbruchs. Ein produktiv verunsichernder Blick auf ein kontroverses Thema, der vor allem dazu auffordert, sich offen damit auseinanderzusetzen. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Storytelle c/o Alpha Entertainment Film- und Fernsehproduktion
Regie
Esther Rauch
Buch
Esther Rauch · Anneke Janssen
Kamera
Lisa Eidenhammer
Schnitt
Christoph Loidl
Darsteller
Laura Berlin (Lena) · Ludwig Trepte (Felix) · Luise von Finckh (Tina) · Lilo Nika Daners (Greta) · Davina Donaldson (Zoe)
Länge
90 (6 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Serie

Kompakte Serie über eine Lehrerin, die nicht zum zweiten Mal Mutter werden will und eine Abtreibung plant, was mit vielen inneren und äußeren Konflikten einhergeht.

Diskussion

Nach dem Schwangerschaftstest geht die Kölner Lehrerin Lena (Laura Berlin) erstmal joggen. Aber weglaufen kann sie vor dem Ergebnis nicht - sie erwartet ein Kind. Das nannte man früher „guter Hoffnung sein“. Für Lenas Gefühle trifft dieser Ausdruck aber ganz und gar nicht zu. Für sie ist klar: Sie will nicht zum zweiten Mal Mutter werden, auf jeden Fall nicht jetzt.

Eigentlich war sie davon ausgegangen, dass sie gar nicht wieder schwanger werden kann. Die mittlerweile etwa zehnjährige Tochter Greta (Lilo Nika Daners) zu bekommen, ein Wunschkind, war für sie und ihren Partner Felix (Ludwig Trepte) ein ziemlicher Aufwand. Doch nun ist die zweite Schwangerschaft trotzdem passiert, und das heißt für Lena, dass sie sich mit dem Thema Abtreibung auseinandersetzen muss.

Ihr Körper, ihre Entscheidung?

Das stürzt sie bald in Konflikte. Als sie Felix von der Schwangerschaft erzählt, muss der zwar auch schlucken, findet an der Möglichkeit, noch einmal Vater zu werden, aber schnell Gefallen. Umso mehr ist er zutiefst davon verletzt, dass für Lena das Austragen des Kindes nicht zur Debatte zu stehen scheint. Dabei wären die Rahmenbedingungen für eine Vergrößerung der Familie durchaus gegeben. Finanziell kämen Lena und Felix mit ihren Einkünften als Lehrerin und Grafikdesigner schon über die Runden; und auch der geplante zweijährige Aufenthalt in Thailand müsste eventuell ja nur verschoben werden. Als Felix’ Mutter von der Schwangerschaft erfährt, versichert sie sofort, dass das Paar sich bei der Betreuung des Kindes auf die Hilfe der Familie verlassen kann.

Auch Lenas Schwester Tina (Luise von Finckh), eine angehende Ärztin, würde sich durchaus freuen, ein zweites Mal Tante zu werden. Sie fantasiert sogar kurz, ob es nicht möglich wäre, dass sie und ihre Partnerin das Baby der Schwester adoptieren. Aber anders als Felix stellt sie Lenas Entscheidung für die Abtreibung nie in Frage. Es ist Lenas Körper, also ist es auch ihr Wille, der hier ausschlaggebend ist. Die Praxis sieht allerdings anders aus, denn tatsächlich hängt die Durchführung des Abbruchs auch von anderen ab. Allein einen Arzt oder eine Ärztin zu finden, die über die verschiedenen Methoden informieren und bereit wären, die Abtreibung durchzuführen, entpuppt sich als schwierig.

Das Thema Schwangerschaftsabbruch ist heute so kontrovers wie eh und je. In den USA wurden vor einiger Zeit in einigen Bundesstaaten trotz massiver Proteste straffreie Abtreibungen verboten; Frankreich dagegen hat jüngst das Recht auf Abtreibung sogar in der Verfassung verankert. In Deutschland ist der Schwangerschaftsabbruch laut Paragraf § 218 immer noch verboten und nur unter bestimmten Voraussetzungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straflos. Verpflichtend ist, sich bei einer „Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle“ beraten und danach noch drei Tage bis zum Eingriff verstreichen zu lassen. Die Kosten für den Eingriff übernimmt die Krankenkasse nur in Ausnahmefällen. Im Mai 2023 kritisierte ein UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen diese Regelung. Derzeit prüft eine Expertenkommission eine Überarbeitung. Der Status ist also kompliziert!

Auf die Kernfrage reduziert

Die Serie „Bauchgefühl“ von Esther Rauch versucht erst gar nicht, dieser Komplexität auf moralischer Ebene mit einfacher Parteinahme oder Appellen zu begegnen, sondern lässt in sechs kompakten, rund 15-minütigen Folgen vielstimmig verschiedene Haltungen aufeinanderprallen lässt.

Im Unterschied zu jüngeren Filmen, die sich mit dem Thema Abtreibung beschäftigen, etwa „Das Ereignis“ von Audrey Diwan, „Niemals selten manchmal immer“ von Eliza Hittman oder „Call Jane“ von Phyllis Nagy, wird die Entscheidung zur Abtreibung hier nicht durch eine Notsituation der Protagonistin nahelegt. Während in „Das Ereignis“ und „Niemals selten manchmal immer“ für die jeweilige Protagonistin ihre ganze Zukunft und im Fall von „Call Jane“ sogar deren Leben auf dem Spiel steht, hat Lena in „Bauchgefühl“ dank ihrer gesicherten Verhältnisse vergleichsweise wenig zu verlieren. Das sorgt dafür, dass das Abtreibungsdilemma zielsicher auf seine Kernfrage reduziert wird. Was zählt mehr: das Recht der Frau, über etwas, was auch ohne verschärfende Umstände so existenziell wie eine Schwangerschaft in ihre Physis und ihr Leben eingreift, frei und selbstständig zu entscheiden, oder das Recht des Embryos auf Leben? Wobei die Fragen nach dem Embryo unlöslich mit Fragen verbunden ist, bei denen die Wissenschaft nur bedingt weiterhilft, weil es um philosophische Fragen geht. Ab wann ist ein Embryo ein schützenswertes Leben, ab wann ist er eine Person mit entsprechenden Rechten? Ab der Befruchtung? Ab der Einnistung in die Gebärmutter? Ab einem bestimmten Entwicklungsstadium, und wenn ja, ab welchem?

Die Gretchenfrage nach der Seele

Neben den äußeren Hindernissen sind es nicht zuletzt diese grundlegenden Fragen, die Lena im Ringen um den Schwangerschaftsabbruch umtreiben. Etwa wenn sie mit einer Ärztin bespricht, ob der Embryo bei der Abtreibung Schmerz empfinden würde, oder beim Gespräch mit einem Studienfreund, der katholischer Theologe ist und an den sie die Gretchenfrage nach der Seele stellt.

Doch die Uhr tickt. Lena hat erst in der neunten Woche entdeckt, dass sie schwanger ist; ihr bleibt also keine lange Bedenkzeit. Auf diese Weise lässt "Bauchgefühl" einen am Ende auf produktive Weise verunsichert zurück. Sicher ist nur eines: Lautstarke "Mörder"-Parolen, wie sie militante Abtreibungsgegner in einer Szene vor einer Klinik brüllen, herablassende Bevormundung oder betretenes Schweigen und Tabuisierung des Themas helfen niemandem weiter. Die Hauptdarstellerin Laura Berlin sagte in einem Interview, dass ihr bei ihren Recherchen aufgefallen sei, dass sie „persönlich bis dato scheinbar keine einzige Frau kannte, die diesen Weg gegangen ist, was statistisch betrachtet eigentlich unwahrscheinlich ist“. Auch das zeigt, wie groß der Redebedarf über das Thema wäre, wofür „Bauchgefühl“ ein guter Aufhänger sein könnte.

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