Eine kurze Geschichte der Zeit

Dokumentarfilm | Großbritannien 1991 | 80 Minuten

Regie: Errol Morris

Dokumentation über den unter amytropher Lateralsklerose leidenden britischen Physiker Stephen Hawking, die seine Biografie wie seine wissenschaftlichen Theorien gleichermaßen vermitteln will. In einer Mischung aus Informativem und Anekdotischem folgt der Film einem unterhaltsam, gelegentlich humorvoll arrangierten Strukturprinzip, ohne freilich die auf hohem Abstraktionsgrad angesiedelten Theorien wirklich nachvollziehbar machen zu können. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
A BRIEF HISTORY OF TIME
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1991
Produktionsfirma
Angelia Television/Gordon Freedman Prod.
Regie
Errol Morris
Buch
Errol Morris
Kamera
John Bailey · Stefan Czapsky
Musik
Philip Glass
Schnitt
Brad Fuller
Darsteller
Stephen Hawking
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion
Daß ein Buch über Probleme der theoretischen Physik einen Verlag findet, der sich nicht ausschließlich wissenschaftlichen Veröffentlichungen verschrieben hat, ist allein schon ungewöhnlich; daß diese Publikation dann zu einem Bestseller avanciert, darf gelinde gesagt schon als ein kleines Wunder gelten. Dieses Kunststück gelang vor Jahren dem britischen Physiker Stephen Hawking, von dessen schmalen Buch "Eine kurze Geschichte der Zeit" weltweit über fünf Mio. Exemplare verkauft wurden. Über die Gründe für diesen Erfolg läßt sich nur spekulieren, wobei es müßig ist, danach zu fragen, ob der Umstand, daß Hawking, Jahrgang 1942, seit fast 30 Jahren unter amytropher Lateralsklerose leidet (einer unheilbaren Krankheit, die nahezu seinen gesamten Körper lahmt) und seit 1976 nur mit Hilfe eines Sprachcomputers mit der Außenwelt kommunizieren kann, zu diesem Erfolg beigetragen hat. Ebenso müßig ist die Frage, wieviele Käufer ihr Exemplar schon nach ein paar Seiten entnervt ins Regal gestellt haben. Denn obwohl sich Hawking um Anschaulichkeit bemüht, bleibt es, wie man in Amerika zu sagen pflegt, "hard Stuff. So verbreitet das Interesse an Theorien über den Ursprung der Welt auch sein mag: Einsteins Relativitätstheorie, Quantenmechanik, Berechnungen über eine mögliche Expansion des Universums und die physikalische Spezifik der schwarzen Löcher lassen sich nun einmal nur in begrenztem Maße populärwissenschaftlich vereinfachen.

Von daher muß eine "Verfilmung" von Haw-kings Buch geradezu als tollkühnes Unterfangen erscheinen. Der amerikanische Dokumentarist Errol Morris, dem es mit "A Thin Blue Line" ("Der Fall Randall Adams", 1988) auf eindrucksvolle Weise gelang, der US-Justiz ein eklatantes Fehlurteil nachzuweisen, hat nun diesen Versuch unternommen. Besser gesagt: er verbindet in seiner Dokumentation ein Porträt des Physikers mit dem Versuch, dessen Theorien zu veranschaulichen. So besteht die erste Hälfte des Films vornehmlich in der Rekonstruktion seiner Biografie, die Morris aus Interviews mit Hawkings Mutter, dessen Schwester, Studienfreunden und Hawking selbst lebendig werden läßt. Da ist dann beispielsweise zu erfahren, daß "Klein-Stephen" schon früh zu skurrilen Spielen neigte, indem er die Spielregeln gängiger Gesellschaftsspiele unendlich verkomplizierte, in der Schule keinen sonderlichen Ehrgeiz entwickelte, bei einer Gastfamilie gern schottische Tänze einstudierte, wie es dem Oxford-Studenten gelang, im Fach "Theoretische Physik" die Examensnote "l" zu ergattern und welche Veränderungen seine Erkrankung bewirkte. Das alles wird nicht mit trockenem Reportage-Duktus berichtet, sondern in einer wohldosierten Mischung aus Informativem und mehr Anekdotischem -ohne jeden Zusatzkommentar - durchaus unterhaltsam arrangiert. Ein Strukturprinzip, das der Film auch während der zweiten Hälfte beibehält, nur sind hier als Interview-Partner in erster Linie renommierte Physiker im Einsatz, und Gegenstand der Unterhaltungen sind vornehmlich jene Theorien über den Lauf der Zeit bzw. den Gang und Ursprung des Universums. Theorien von einem hohen Abstraktionsgrad, denen Morris (wenige) sinnfällige Bilder zur Seite zu stellen versucht: eine zur minimalistischen Musik von Philip Glass per Animation durchs All segelnde Rolex-Uhr oder - zur Veranschaulichung der Irreversibilität der Zeit - eine in Zeitlupe am Boden zerspringende Teetasse. Und wo es um die rätselhaften schwarzen Löcher geht, behilft er sich mit Sequenzen aus Gary Nelsons Science-Fiction-Film "Das schwarze Loch" (1979, fd 22 624), was zur Klärung des Sachverhaltes wenig und allenfalls zur Kurzweil beiträgt.

Letzlich bleiben Hawkings/Morris' Erörterungen zu diesen Themenkomplexen für den Laien kaum nachvollziehbar. So "lebt" der Film in erster Linie vom Faszinosum der Person Stephen Hawking bzw. dem Phänomen, daß gerade ein Mensch, der in seinen physischen Möglichkeiten auf eine extreme Enge beschränkt ist, sich leidenschaftlich den unendlichen Weiten des Universums verschrieben hat. Ein nicht eben uneitler Zeitgenosse, der aber doch genügend Distanz zu sich selbst besitzt, um sein eigenes Tun humorvoll zu kommentieren und keineswegs ausschließlich in außerirdischen Sphären zu leben scheint: Die Wand seines Arbeitszimmers (für den Film minuziös nachgebaut) ziert ein Poster von Marilyn Monroe.
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