Eine respektable Familie

Drama | Iran 2012 | 90 Minuten

Regie: Massoud Bakhshi

Ein Wissenschaftler kehrt für einen Lehrauftrag nach 20 Jahren Abwesenheit aus Frankreich in den Iran zurück. Als sein Vater im Sterben liegt, nimmt er Kontakt mit seiner Herkunftsfamilie auf und wird in eine gefährliche Fehde mit seinem Halbbruder verstrickt. Dabei geht es um das Vermögen des Vaters, der den Tod seines ältesten Sohns im iranisch-irakischen Krieg schamlos in klingende Münze verwandelt hatte. Das Spielfilmdebüt zeichnet mit den Mitteln des Politthrillers das Bild eines korrupten, von Seilschaften dominierten Regimes voller Willkür und Gewalt, rückt aber auch Einzelne in den Mittelpunkt, die ihren moralischen Kompass nicht verloren haben. (O.m.d.U.) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
YES KHANÉVADÉH - E MOHTARAM | UNE FAMILLE RESPECTABLE
Produktionsland
Iran
Produktionsjahr
2012
Produktionsfirma
Firoozei Films/JBA Prod.
Regie
Massoud Bakhshi
Buch
Massoud Bakhshi
Kamera
Mahdi Jafari
Schnitt
Jacques Comets
Darsteller
Babak Hamidian (Arash) · Mehrdad Sedighian (Hamed) · Ahoo Kheradmand (Arashs Mutter) · Mehran Ahmadi (Jafar) · Parivash Nazarieh (Zohreh)
Länge
90 Minuten
Kinostart
22.06.2017
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Politthriller
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IMDb | TMDB

Spannender iranischer Politthriller aus der Zeit vor der Grünen Revolution

Diskussion
Nach mehr als 20 Jahren folgt der iranische Wissenschaftler Arash 2009 einer Einladung der Universität Shiraz und nimmt einen Lehrauftrag an. Doch die Situation erweist sich schnell als frustrierend, weshalb Arash wieder nach Frankreich zurückkehren will. Doch im Gegensatz zur problemlosen Einreise in den Iran gibt es bei der Ausreise Probleme. Während Arash auf seine Papiere wartet, besucht ihn sein Neffe Hamad, der Sohn seines Halbbruders Jafar, und bittet ihn, mit nach Teheran zu kommt: Arashs und Jafars Vater liegt im Sterben. Nach dessen Tod und der Testamentseröffnung sollen Arash und seine Mutter einen großen Teil des Vermögens erben. Arashs Mutter empfindet das Erbe allerdings als Blutgeld und will es ausschlagen. Mehrere Rückblenden in die Familiengeschichte verdeutlichen, warum die Familie derart zerstritten ist. Eine Erinnerung führt zurück in den Ersten Golfkrieg zwischen dem Iran und dem Irak. Saddam Hussein versuchte seinerzeit, das Übergreifen der iranischen Revolution auf den Irak zu verhindern. In diesem blutigen Krieg starb auch Amir, der ältere Bruder von Arash und Jafar. Während die Mutter trauerte, machte der Vater mit dem Märtyrer-Tod des Sohns Geschäfte und häufte so ein Vermögen an. Während das Spielfilmdebüt von Massoud Bakhshi sehr behutsam mit dokumentarischen Kriegsbildern aus Wochenschauen sowie mit fiktiven Szenen aus Kinofilmen die Familiengeschichte mit der Zeitgeschichte zurück bis in Jahr 1979 verbindet, wird zugleich deutlich, dass hinter der Normalität im Iran unsichtbare Seilschaften ihre Fäden knüpfen. Erst allmählich kommt Arash den wahren Motiven auf die Spur, die ihn in seine Heimat zurückgelockt haben. Während er in seinen Familienangelegenheiten zwischen Shiraz und Teheran pendelt, fängt die Kamera Bilder von Prügeleien und Auseinandersetzungen auf offener Straße ein; aus dem Radio oder dem Fernseher tönt immerzu irgendwoher Propaganda. Es geschieht Mysteriöses: Mal sterben ein Anwalt und seine Frau bei einem Unfall; mal wird Arash in einer leeren Wohnung eingesperrt. „Eine respektable Familie“ spielt raffiniert mit den Elementen des Thrillers und skizziert eine Gesellschaft, hinter deren rechtsstaatlicher Fassade Gewalt, Erpressung, Schikanen und Korruption lauern. Gleich zu Beginn erweist sich eine Geste der Freundlichkeit als (fast) tödliche Falle, die Arash nötigen soll, sein Erbe an Jafar zu überschreiben. Staatliche Institutionen dienen mit größter Selbstverständlichkeit der Durchsetzung privater Interessen. Freilich zeichnet Bakhshi mehr als das undifferenzierte Bild eines vorgeblich religiös legitimierten Regimes voller Willkür und Gewalt. Es gibt durchaus Menschen mit verbindlicher Moral wie Arashs Mutter, es gibt Studenten, die Interesse an den Dingen haben, die Arash lehrt, es gibt Menschen wie den Anwalt, die sehr wohl über ökonomische Verhältnisse und die Machtstrukturen informiert sind. Und schließlich gibt es Menschen wie Arash, der mehr als einmal Zivilcourage beweist und sich den Zumutungen widersetzt. Am Schluss reiht er sich, ohne Geld und Papiere, als Namenloser in die Massendemonstrationen der Grünen Bewegung ein. Deren Protest wurde zwar blutig niedergeschlagen. Doch der Film erzählt davon, dass Widerstand bei kleinen Gesten der Unbeugsamkeit beginnt und dass selbst komplexe Intrigen irgendwann durchschaubar werden. Wie beispielsweise im Rückblick die iranische Propaganda während des Ersten Golfkriegs. Wer weiß, welche glücklichen Konstellationen dazu geführt haben, dass ein Film, der die Verhältnisse im Iran derart offen und unmissverständlich kritisiert, überhaupt ans Licht der Öffentlichkeit gelangt.
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