Krimi | Dänemark/Deutschland/Schweden/Norwegen 2016 | 112 Minuten

Regie: Hans Petter Moland

Ein Serienmörder schleicht sich in Familien ein und entführt jeweils zwei Kinder, von denen nach der Lösegeldzahlung nur eines lebend zurückkehrt. Der dritte Kriminalfilm nach einer Vorlage des dänischen Autors Jussi Adler-Olsen um das Sonderdezernat Q und seinen griesgrämigen Ermittler Mørck überzeugt durch seine routinierte Erzählweise sowie klug gesetzte Spannungsmomente. Die Ermittler aus Kopenhagen geraten dabei ins Umfeld religiöser Sekten, die sich aus fundamentalistischen Gründen vom Rechtsstaat abgewandt haben. Um aus dem großen Angebot vergleichbarer skandinavischer Krimis herauszuragen, fehlt es Stoff und Inszenierung freilich an Originalität. (Vgl. "Erbarmen", 2013, und "Schändung", 2014) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
FLASKEPOST FRA P
Produktionsland
Dänemark/Deutschland/Schweden/Norwegen
Produktionsjahr
2016
Produktionsfirma
Zentropa Entertainments20/Film Väst
Regie
Hans Petter Moland
Buch
Nikolaj Arcel
Kamera
John Andreas Andersen
Musik
Nicklas Schmidt
Schnitt
Nicolaj Monberg · Olivier Bugge Coutté
Darsteller
Nikolaj Lie Kaas (Carl Mørck) · Fares Fares (Assad) · Pål Sverre Hagen (Johannes) · Johanne Louise Schmidt (Rose) · Jakob Ulrik Lohmann (Elias)
Länge
112 Minuten
Kinostart
09.06.2016
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Krimi | Literaturverfilmung
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Verleih DVD
nfp/Warner (16:9, 2.35:1, DD5.1 dän./dt.)
Verleih Blu-ray
nfp/Warner (16:9, 2.35:1, dts-HDMA dän./dt.)
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„Nordic noir“-Thriller nach Jussi Adler-Olsen

Diskussion
Der Beginn glüht vor verlogener Pracht und Glückseligkeit: Ein Haus im wogenden sattgelben Blütenmeer, eine Kirchengemeinde, ein Mädchen, das aus vollem Halse singt, zur Taufe einer anderen, ein geradezu debil begeisterter leibesvoller Priester (Armin Rohde in einer Minirolle ohne Dialog): alles lichtdurchflutet und vor Harmonie berstend. Bis der Mann kommt, ein schlanker, blonder Typ im steifen Kragen, recht edel sein Äußeres, gesetzt seine Schritte und Gesten, konzentriert, bisweilen leicht spöttisch sein Blick. Er sei lange nicht mehr dagewesen, sagt die Mutter im Haus im Blütenmeer zu ihm. Der Mann weicht aus, bewundert das Kreuzabzeichen der Tochter, der Sängerin, irgendeine Auszeichnung ihrer Sekte. Als er geht, verweilt seine Hand einen Augenblick zu lange auf der Wange der Mutter. Seltsame Misstöne, Bedrohlichkeiten gar, schleichen hier in die Blicke und in die Bilder, die manchmal an Ingmar Bergman erinnern und seine vom repressiven Protestantismus gequälten Figuren. Gleichwohl ist die dominante Traditionslinie des Films eine andere, die des „nordic noir“, der das Böse und Grausame in die toleranzstolzen skandinavischen Gesellschaften einbrechen lässt. Regie führt der Norweger Hans Petter Molland, die Romanvorlage, die im Original „Flaschenpost von P.“ heißt, stammt vom dänischen Bestseller-Autor Jussi Adler-Olsen. In dessen Universum rund um das Sonderdezernat Q und den griesgrämigen Ermittler Carl Mørck bringt Molland den Schauspieler Pål Sverre Hagen mit, der für ihn zuletzt in „Einer nach dem anderen“ (fd 42 729) die hysterische Karikatur eines Gangsterbosses spielte, einen cholerischen Milchbubi und damit in Exaltiertheit und Körpersprache das genaue Gegenteil von Johannes, dem Antagonisten in Mollands neuem Film. Der schlanke, blonde Typ im steifen Kragen schleicht sich in religiöse Gemeinschaften ein, sondiert sie nach so verletzlichen wie fanatischen Familien mit zwei Kindern, die er entführt und von denen nach der Lösegeldzahlung nur eines nach Hause zurückkehrt. Der Rechtsstaat hat in diesen hermetisch-fundamentalistischen Gebilden keine Sanktionsgewalt. Die Familien, eingeschüchtert und voller glaubensbefeuerter Selbstvorwürfe, haben sich nie an die Polizei gewendet. Doch dann gelangt eine alte, vor Jahren auf den Weg geschickte Flaschenpost an die Küste und ins Büro von Mørck und seinen Kollegen, die sie auf einen alten Entführungsfall und von dort auf die Spuren von Johannes und seinen beiden aktuellen Opfern führt. Molland und Drehbuchautor Nikolaj Arcel, der zuvor schon Adler-Olsens Romane „Erbarmen“ (fd 42 156) und „Schändung“ (fd 42 841) für die Leinwand adaptierte, erzählen die Geschichte dieser Verbrecherjagd, bei der der Täter den Gesetzeshütern stets einen Schritt voraus zu sein scheint, in souveränem Rhythmus und mit effektiv gesetzten Spannungsspitzen. So erzeugen sie ein höheres Tempo als mancher deutscher Fernsehkrimi, denen „Erlösung“ nicht nur in der reduzierten Bildsprache, sondern auch in der Figurendynamik verwandt ist. Denn neben dem aktuellen Fall geht es um den schweigsam-narzisstischen Weltschmerz von Mørck und seine Kabbeleien mit dem Assistenten Assad, die sich, gewürzt mit jeder Menge trockenen Humors, dieses Mal naheliegenderweise um Glaube und Desillusionierung drehen. Dennoch fällt es schwer, in „Erlösung“ ein herausstechendes Konzept oder eine besonders nachhaltig faszinierende Idee zu finden – was auch daran liegt, dass die Literatur- wie Kinomärkte von vergleichbaren Stoffen längst übersättigt sind.
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