Dokumentarfilm | Deutschland 2014 | 68 Minuten

Regie: Dagmar Jäger

Einmal pro Woche treffen sich in Berlin-Kreuzberg rund 60 Musikerinnen des weltgrößten Frauenblasorchesters zur Probe. Der via Crowdfunding finanzierte Dokumentarfilm porträtiert die bunt zusammengewürfelten Frauen mal mehr, mal weniger ausführlich und wirft in schneller Folge Blicke in ihre ganz unterschiedlichen Lebenssituationen. Die quirlig-muntere Weiblichkeit des Orchesters bricht das eher bemühte Kunstkonzept der Inszenierung wohltuend auf. Der Film ist auch bei Auftritten, Festen und als Höhepunkt bei einem Konzert in der Berliner Philharmonie dabei, gelangt als Porträt eines weiblichen Blasorchesters aber kaum über neckische Oberflächlichkeit hinaus. - Ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Sounding Images
Regie
Dagmar Jäger · Kerstin Polte
Buch
Dagmar Jäger · Kerstin Polte
Kamera
Dagmar Jäger
Schnitt
Kerstin Polte
Länge
68 Minuten
Kinostart
17.03.2016
Fsk
ab 0
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Dokumentarfilm
Externe Links
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Neckisch-oberflächliches Porträt des weltgrößten Frauenblasorchesters aus Berlin-Kreuzberg

Diskussion
Bisher kannte man das Frauenblasorchester Berlin bloß von einem neunminütigen Youtube-Film, der einen Flashmob im Berliner Hauptbahnhof zeigt. Der Film wurde 2013 von Kerstin Polte gepostet. Darin sieht man, wie eine Frau aus vier Getränkekästen ein improvisiertes Podest bastelt, ein paar Frauen auf einem Stück Teppich ein Schlagzeug in die Eingangshalle schleppen und stehen lassen. Danach kommt eine junge Frau mit einem Koffer, besteigt das Podest, wartet. Die Passanten bleiben stehen, beobachten. Eine andere Frau tritt vor das Podest, zieht eine Guira aus der Tasche und nimmt den Takt auf, den die Dirigentin Astrid Graf auf dem Podest vorgibt. Nach und nach gesellen sich weitere Instrumentalistinnen dazu: eine Ratsche- und eine Bongo-Spielerin, eine Schlagzeugerin, schließlich zahllose Bläserinnen. Über 60 Musikerinnen zwischen Anfang 20 und Mitte 70 spielen im Frauenblasorchester Berlin, dem seinesgleichen größten der Welt. Rund ein Jahr nach dem Youtube-Post präsentierten Kerstin Polte (Regie, Buch, Schnitt) und Dagmar Jäger (Idee, Buch, Kamera) auf kleinen (Queer)-Festivals in der Schweiz und Deutschland ihren 68-minütigen Film „Kein Zickenfox“ und gewannen viele Publikumspreise. Drei Jahre lang haben sie daran gearbeitet und das Projekt mit Crowdfunding finanziert; fühl- und sichtbar eine Herzensangelegenheit. Ein kleiner Film, der unter kinematografischen Standpunkten nicht über jeden Verdacht erhaben ist. Wenn beispielsweise fast jede der vielen Protagonistinnen vor dem immer gleichen öd-grauen Hintergrund vorstellt wird, erfahren die Personen zwar eine von den Filmemacherinnen offensichtlich beabsichtigte Gleichbehandlung, doch ist das fruchtbar dröge anzuschauen. Und wenn man in einem Film über Musik dieser so wenig vertraut, dass man ihr kaum Zeit lässt, sich zu entfalten, oder während einer Aufführung nicht beobachtend verweilt, sondern Takt für Takt das Bild hüpfen lässt, wirkt das haarsträubend plump. Allerdings fallen solche „Fehler“ erst beim zweiten Hinschauen auf. Denn die Protagonistinnen sind äußerst verschieden, charmant und munter. Ihre bunt-quirlige Weiblichkeit bricht das Kunstkonzept wohltuend auf, zu dem auch die visuell hübsche, aber als orchestrale Darbietung kaum funktionierende Schlusseinstellung zählt, in der das Orchester im Gänsemarsch spielend über einen blühenden Feldweg zieht. In schneller Folge werden Blicke in einzelne Leben geworfen, wird nach Motivationen gefragt: Alle Musikerinnen außer der Dirigentin sind Laien. Sie haben unterschiedliche Berufe und Biografien, befinden sich in verschiedenen Lebensabschnitten. Manche haben Kinder, andere nicht, eine ist pensionierte Pfarrerin, zwei haben spät zusammen zum Glück gefunden. Die Tuba-Spielerin Steph betreibt Landwirtschaft, Irmgard (Waldhorn, Saxophon) geht seit der Pensionierung ganz in ihrer Musik auf, die Saxophonistin Bettina betreut straffällig gewordene Frauen. Manchen der Musikerinnen räumt der Film mehr Platz ein, anderen weniger. Manchmal ist die Kamera bei einer Probe dabei, manchmal bei einem Auftritt, auf einem Dorffest in der fränkischen Provinz etwa oder einer privaten Darbietung in Stephs Scheune. Den Höhepunkt bildet ein Konzert in der Berliner Philharmonie. Hier und da klingen Konflikte an. Gelegentlich ist die Dirigentin Astrid, die man gerne näher kennengelernt hätte, gereizt. Es ist nicht einfach, dem schwatzenden Haufen die Konzentration und Ernsthaftigkeit abzuringen, welche die musikalische Perfektion verlangt. Auch hier hätte man gerne mehr erfahren, etwas mehr in die Tiefe geschaut, wie man die Perfektion in einem Laienorchester dann eben doch hinbekommt. Doch der Film geht kaum in die Tiefe. Er bleibt an der Oberfläche haften, dem neckischen Bild dieses rein mit Frauen bestückten Blasorchesters und der quecksilberhaften Vielfalt, die sich allein durch die Präsenz ihrer Mitglieder eröffnet. Das ist schade. Und so unverständlich wie die Tatsache, dass der Flashmob-Clip, der offensichtlich während der Drehzeit entstand, im Film keinen Eingang fand.
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