Komödie | Deutschland/Tschechien 2014 | 98 Minuten

Regie: Stepan Altrichter

Ein in die Jahre gekommener Ingenieur wird mit einem wesentlich jüngeren Kollegen ins tschechische Erzgebirge geschickt, um eine alte Windmühle auf Vordermann zu bringen. Vor Ort erliegt der mürrische Maschinenbauer zunehmend der mysteriösen Waldlandschaft, die ihn zu kafkaesken Tagträumen verlockt und von einer anderen Existenz fantasieren lässt. Der in stoischer Ruhe zwischen Komödie und subtilem Fantasy-Humor oszillierende Film lebt von seinem authentischen Personal und einem herausragenden Hauptdarsteller. Eine Wildnis-Therapie auf den Spuren der deutschen Romantik als Weckruf im Strom besinnungslosen Funktionierens. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
SCHMITKE
Produktionsland
Deutschland/Tschechien
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
credo:film/Produkce Radim Procházka/Tomas Vach/MAMOKO Ent.
Regie
Stepan Altrichter
Buch
Jan Fusek · Tomás Koncinský · Stepan Altrichter
Kamera
Cristian Pirjol
Musik
Johannes Repka
Schnitt
Philipp Wenning · Andrea Schumacher
Darsteller
Peter Kurth (Julis Schmitke) · Johann Jürgens (Thomas Gruber) · Helena Dvoráková (Julie) · Jakub Zácek (Bürgermeister Potuzak) · Petr Vrsek (Kryspín)
Länge
98 Minuten
Kinostart
05.11.2015
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie | Mystery
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Daredo (16:9, 1.78:1, DD5.1 dt.)
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Stoische Komödie mit subtilem Fantasy-Humor

Diskussion
Ein Ingenieur für Windkraftanlagen steckt in der Krise. Mit Ende Fünfzig dreht sich das ganze Leben von Schmitke nur noch um den Job, den er lustlos erträgt. Täglich testet er Komponenten von Windkraftanlagen, fertigt Diagramme an und drückt sich vor dem direkten Kontakt mit den Kunden. Seine angestrengte Körperhaltung lässt keinen Zweifel daran, dass die besten Zeiten bereits hinter ihm liegen. Das merkt selbst sein Chef. Er schickt den notorisch schlecht gelaunten Mitarbeiter zur Strafe auf Dienstreise ins tschechische Erzgebirge, damit er aus seiner Lethargie aufwacht. Ihm zur Seite steht ein wesentlich jüngerer Assistent, der sich auf der Autofahrt als das lebenslustige und redselige Gegenteil seines Vorgesetzten erweist. Das ungleiche Paar soll in einer Kleinstadt eines der alten Patente reparieren, das den Ort quietschend und knarzend mit infernalischen Geräuschen beschallt. Den Bürgermeister finden die beiden in der Kneipe, in der die Bewohner regen Austausch beim Kartenspiel, Bier und Wodka pflegen, statt ihren Geschäften nachzugehen. Die nebelbehangene Gegend wirkt wie aus der kapitalistischen Umlaufbahn herausgefallen. Und auch das Modell C 174 leistet Widerstand, weswegen die Reparatur des Windrads auf den nächsten Tag verschoben werden muss. Nach einer schlaflosen Nacht in den Gästezimmern der Kneipe ist der Assistent verschwunden, und Schmitke verrennt sich in eine zunehmend von mysteriösen Ereignissen und kafkaesken Tagträumen begleitete Suche. Vor allem der dicht bewachsene Wald, in dem der Legende nach ein Geist hausen soll, scheint ihn magisch anzuziehen. Und ein philosophierender Geologe, von dem eine unheimliche Lust an der Gefahr ausgeht. Je mehr Schmitke den Realitätsbezug verliert, desto stärker hellt sich sein erstarrtes Gesicht auf, bis ihm schließlich nachts auf einer Lichtung sein Doppelgänger begegnet und den Weg in eine weniger von einschläfernden Kompromissen bestimmte Existenz weist. Regisseur Stepán Altrichter, 1981 in Brno geborenen und in Prag und Konstanz am Bodensee aufgewachsen, hat an der Filmhochschule Babelsberg Konrad Wolf in Potsdam studiert. Das Oszillieren zwischen Komödie und subtilem Fantasie-Horror gelingt ihm erstaunlich gut, was auch an dem authentischen Personal liegt, das einem deprimierenden Dokumentarfilm über die tschechische Provinz entstammen könnte. Ausgerechnet hier, wo die Menschen noch ihr Leid solidarisch teilen, findet der erschöpfte Deutsche wieder zu sich selbst. Die Besetzung mit Peter Kurth ist ein Glücksfall, der mal wieder beweist, was in Schauspielern, die im deutschen Film zu Nebenrollen verdammt sind, alles an Überraschungen steckt. Die Therapie in der Wildnis entwickelt sich in stoischer Ruhe auf den Spuren der orientierungslosen Anti-Helden eines Jim Jarmusch oder Aki Kaurismäki. Ohne Stillstand, aber auch nicht unter dem Druck einer andauernden Überwältigung. Selbst die Kamera verweilt so lange auf den Tannengipfeln, bis man den Aussteigerrhythmus verinnerlicht hat und Peter Kurth beim Jagen der Schafe in einem Zustand der Läuterung zuschaut. Ein Fest der deutschen Romantik, untermalt mit melancholischem Realismus – ein schöner Weckruf im Strom des besinnungslosen Funktionierens.
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