Sabbath in Paradise

- | Deutschland 1997 | 90 Minuten

Regie: Claudia Heuermann

Musikdokumentation aus dem Herzen der New Yorker Musik-Avantgarde: der Saxophonist John Zorn und einige seiner engsten Begleitmusiker gewähren Einblicke in das Laboratorium ihrer Klangexperimente, in die Rock, Jazz und nicht zuletzt Klezmer einfließen. Der Film untersucht, inwieweit jüdische Abstammung und Tradition ausschlaggebend für diese Art kultureller Aufgeschlossenheit sind, nimmt sich aber sowohl inhaltlich als auch formal zu viel vor. So wirkt das Unterfangen insgesamt wie eine interessante Materialsammlung, die ihrer endgültigen Bearbeitung freilich noch harrt. (O.m.d.U.)
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Claudia Heuermann
Regie
Claudia Heuermann
Buch
Claudia Heuermann
Kamera
Rainer Hartmann
Musik
John Zorn
Schnitt
Claudia Heuermann
Darsteller
Michael Alpert · Anthony Coleman · David Krakauer · Frank London · Roy Nathanson
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
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Diskussion
Nach wie vor bildet New York das Zentrum einer speziellen musikalischen Avantgarde: in einmaliger Fusion aus Jazz, Rock, Sinfonik und Klezmer strahlt diese Musik wiederum auf all ihre Quellen zurück. Namentlich in der Person John Zorns formuliert sich so etwas wie ein Epizentrum dieser Bewegung. Zahllose Veröffentlichungen und Auftritte mit ständig wechselnden Besetzungen legen Zeugnis ab von seiner überbordenden Kreativität. Ob auf Konzeptalben mit fiktiven Filmmusiken, in Improvisationen mit Kollegen wie Fred Frith, Bill Leswell oder Chris Cutler, ob mit seiner unglaublich agressiv tönenden Band „Painkiller“ (von Michael Haneke in „Funny Games“, fd 32 731, zitiert) – John Zorn überrascht immer wieder durch seinen niemals festlegbaren Stil. Wenn man so will, besteht sein Stil gerade in der ständigen Veränderung, in seiner Offenheit nach allen Richtungen hin. Ohne Zweifel ist die Bedeutung dieses Künstlers schon jetzt immens; sie wird sich aber erst in Zukunft vollends erweisen. Ist es Zufall, daß Zorn selbst und sämtliche seiner engsten Begleitmusiker (u.a. kommen David Krakauer, Frank London und Marc Ribot zu Wort) jüdischer Abstammung sind? Könnte es sein, daß im Klezmer mit seinen Einflüssen aus orientalischen, slawischen und anderen Quellen bereits jene Offenheit angelegt ist, die sich nun auf zeitgenössischer Ebene fortsetzt? Der Film legt diese These nahe. Folgerichtig antwortet einer der Musiker, befragt nach seinen Traditionen und musikalischen Wurzeln, daß man gerade im Begriff sei, eine neue, eigene Tradition zu schaffen. Claudia Heuermanns Dokumentation nähert sich diesem Kaleidoskop einer lebendigen, weil gleichermaßen traditionsbewußten wie innovativen Kultur. Natürlich läßt sich die gleich zu Beginn aufgeworfene Frage „What is jewish music?“ verbal nicht beantworten, indes spricht die Musik am ehesten für sich selbst, vermittelt ihren authentischen Pulsschlag unmittelbar.

Leider sieht sich „Sabbath in Paradise“ seinem brisanten Thema nicht in jeder Hinsicht gewachsen. So erweist es sich nicht unbedingt als hilfreich, dem disparaten Gegenstand mit einer ebenso offenen filmischen Struktur zu begegnen. Abgesehen davon, daß der erste eklektische Eindruck dadurch über die gesamte Filmdauer erhalten bleibt und die Aufmerksamkeit verschleißt, wünschte man sich schlicht, mehr über die Menschen zu erfahren, die da vor der Kamera stehen. Nicht einmal Untertitel verweisen darauf, wer gerade in Bild zu sehen ist. Auch macht sich wieder das alte Problem von Musikdokumentationen schlechthin bemerkbar: im Bemühen, möglichst viele Eindrücke zu vermitteln, bleibt die Musik selbst als Fragment auf der Strecke. Kaum ein Stück wird mehr als 30 Sekunden lang angespielt, was wiederum Frustration bei Zuschauern und -hörern nach sich zieht. Andererseits ist die Produktion vom Ansatz her viel zu aufklärerisch, um als Experimentalfilm durchzugehen und damit tatsächlich eine formale Entsprechung zur behandelten Musik darzustellen. Claudia Heuermann wollte zu viel auf einmal, vermochte sich aber weder ästhetisch noch inhaltlich zu konzentrieren und landete schließlich zwischen allen Stühlen. Möglich, daß die fiktionale Linie des Films – ein Erzähler verliest die ostjüdische Legende vom „Sabbath im Paradies“, parallel dazu sieht man die Musiker in den Straßen New Yorks – einen Versuch darstellt, die auseinanderbröckelnden Bestandteile noch zu kitten; doch auch dies wirkt eher hilf-, weil systemlos. Immerhin trug das Projekt seinen schönen Titel davon. In filmischer Hinsicht wirkt „Sabbath In Paradise“ eher wie eine Materialsammlung, die ihrer endgültigen Bearbeitung noch harrt.
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